Als Unterstützung für meine weitere Recherche, möchte ich mich nun auf die technische Entwicklung des Webs konzentrieren. Als Grundlage dient mir »Weaving the Web – The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web« von Tim Berners-Lee. In »Vision eines Visionärs« gehe ich näher auf Tim Berners-Lees Vorstellung des Webs ein, weshalb ich sie hier außen vor lassen möchte. An dieser Stelle möchte ich mich nur auf die technischen Fakten konzentrieren, welche ich im Buch finde und sie lediglich auflisten.
Eine weitere Recherchequelle ist »A Little History of the World Wide Web« vom W3C, welche zum Teil zusätzliche Punkte enthält.
1980
ENQUIRE
Software-Projekt von Tim Berners-Lee aus dem Jahr 1980, welches schon erste Ansätze des World Wide Webs beinhaltet. ENQUIRE steht für »Enquire Within upon Everything«.1 Einzelne Informationen waren als »node« – als Knoten – abgelegt; neue konnte man durch eine Verlinkung des alten Knotens erstellen. Eine Information konnte man nur dann finden, wenn man die Suche von der Startseite aus beginnt. Links waren jeweils am Ende eines Knotens. Das System enthielt bereits interne und externe Links – externe jedoch nur in eine Richtung.2 Die Programmiersprache war Pascal, welche auf dem Betriebssystem »SINTRAN-III« von Norsk Data lief.3
1984
Tangle
Nachdem Tim Berners-Lee im September 1984 ans CERN zurückkehrt, schreibt er in seiner Freizeit ein weiteres Programm namens »Tangle«, um seine Idee in Bezug auf »Verbindungen« weiterzuführen, welche in seiner Vorstellung immer besonders hohen Stellenwert hatten. In einer extremen Sicht könnte man seiner Ansicht nach die ganze Welt nur aus Verbindungen bestehend sehen. Der Computer speichert dabei Informationen nur als Sequenz von Buchstaben, so dass die Verbindung der Buchstaben das wichtige ist. Wenn sich eine bestimmte Buchstaben-Sequenz wiederholt,4 erschafft Tangle einen neuen Knoten, die für diese Sequenz steht. Sollte diese Sequenz erneut auftauchen, verlinkt Tangle nur auf den ursprünglichen Knoten, anstatt sie erneut abzuspeichern. Tim Berners-Lee hatte die Idee auf diese Art und Weise eine Enzyklopädie zu erstellen, welche Fragen auf einzelne Knoten herunterbricht und eine Antwort liefert. Während Tangle die Frage »How much wood would a woodchuck chuck« noch verarbeiten konnte, lieferte eine weitere komplexere Frage eine Endlosschleife aus »How much wood would a woodchuck chuck if a woodchuck chuck wood chuck chuck chuck wood wood chuck chuck chuck …«. Da das Debuggen unendlich kompliziert gewesen wäre, fasste Berners-Lee das Programm nie wieder an.5
ENQUIRE
Neue Version von ENQUIRE mit ausschließlich internen Links. Jedes Netz war damit limitiert. Diese Einschränkung war für ihn eine sehr wichtige Erkenntnis.6
RPC
Um die Kommunikation zwischen Computern und Netzwerken zu vereinfachen, schrieb Berners-Lee ein RPC-Programm (remote procedure call).7
Bis 1988
Hypertext-Ansatz
Ansatz, dass sein System so wenig Regeln wie möglich besitzen sollte, damit jegliche Informationen ins System fließen können, ohne dass die Entwickler ihre Arbeit grundsätzlich überarbeiten müssen. Letztendlich wählt Berners-Lee Hypertext dafür.8
1988
Proposal
Mike Sendall, Tim Berners-Lees Boss, bat ihn um eine Ausarbeitung der Idee.9
TCP/IP
Das Hauptproblem war letztendlich, eine Basis zu schaffen, auf der verschiedene Computer mit verschiedenen Betriebssystemen miteinander kommunizieren können.10
Viele Physiker nutzten das VAX/VMS-Betriebssystem und DECnet Kommunikations-Protokolle, Unix nutzte dagegen Internetprotokolle. Berners-Lee favorisiert die Protokolle TCP/IP. Die Unix-Welt nutzt sie bereits und VAX-Welt könnte sie übernehmen.11
Adaption des RPC-Adress-Schemas, um Dateien zu adressieren und abzurufen.
1989
12.3.1989: »Information Management: A Proposal«
Dokument, dass das World Wide Web als globales, non-lineares Hypertext-System innerhalb von CERN vorstellt.12 Die Vorstellung des Informationssystems zielt unter anderem darauf ab, den Verlust von Informationen innerhalb der Organisation zu verhindern. Er präsentiert das Systems als große Hypertext-Datenbank mit Links, welche automatisch analysiert werden könnten.13
1990
Keine Reaktion
Keine Reaktion auf seine Ausarbeitung bis er sie im Mai 1990 nochmal David Williams (Boss von Mike Sendall) gab und sie erneut auf Eis gelegt wurde.14
Ideen zur Namensgebung
Mesh oder Information Mesh, MOI für »Mine of Information« oder TIM für »The Information Mine«. Letztere könnten zu egozentrisch wirken und Tim Berners-Lee entschied sich für »World Wide Web«.15
HT
Auf der Suche nach einem charakteristischen Akronym entschied er sich für »HT«. Jedes Programm, das ins System involviert war, sollte mit diesen Buchstaben starten.16
European Conference on Hypertext Technology
Besucht zusammen mit Robert Cailliau, einem alten CERN-Veteran, die Konferenz, um die Idee vorzustellen. Ian Ritchie und Leute von Owl Ltd. stellten ein Produkt namens »Guide« vor. Das Original von Peter Brown, das an der Universität von Southampton entstanden ist, sah im Grunde wie Tim Berner-Lees Vision aus.17 Es brachte alle Eigenschaften mit sich, nur das Internet fehlte. Er versuchte die Zuständigen zu überreden, es an das Internet zu schließen, aber sie waren von der Idee nicht überzeugt. Auch die anderen Teilnehmer konnten nicht vom World Wide Web überzeugt werden.18
Code des World Wide Webs
Tim Berners-Lee beginnt im Oktober damit, den Code für das World Wide Web auf dem NeXT zu schreiben:
· Web Client
· Hypertext Transfer Protocol (HTTP)
· Universal Resource Identifier (URI)
· Hypertext Markup Language (HTML)
· Web Server (nxoc01.cern.ch – Next, Online Controls, 1) – Alias: info.cern.ch
· Erste Hypertext Webseite mit Spezifikationen zu HTTP, URI, HTML und alle projektbezogenen Informationen
Der Client war Mitte November fertig und hieß »WorldWideWeb«, welcher ab Dezember mit HTML funktionierte. Bis dahin jedoch nur auf dem NeXT.18 HTML wurde dabei an SGML (Standard Generalized Markup Language) angelehnt – eine Sprache, die bereits bei einigen Dokumentations-Communities bevorzugt wurde.19
Bestehende Internetprotokolle wie z. B. NNTP oder FTP waren Berners-Lee zu langsam, weshalb er HTTP entwickelte.20
Um andere Systeme mit einzuschließen wurde der kleinste gemeinsame Nenner gesucht: Alle hatten die Tastatur als Eingabegerät und konnten ASCII produzieren. Der auf das wesentliche heruntergebrochene Browser hieß »line-mode Browser« und wurde an das Terminal angelehnt, welches jeweils eine Zeile zeigt.21
Via FTP stellte Tim Berners-Lee eine Verbindung zu Nachrichtenartikel und Newsgruppen im Internet her. So waren Inhalte aus dem Internet umgehend verfügbar.22
Merry Christmas
Tim Berners-Lee und Robert Cailliau hatten jeweils den Browser/Editor WorldWideWeb auf ihrem NeXT installiert, welche am Weihnachtstag 1990 über das Internet via info.cern.ch kommunizieren konnten.23
1991
Telefonbuch von CERN
Das Web ist noch nicht weit genug, um es als ultimatives Dokumentations-System zu verbreiten. Erstes kleines Ziel: Telefonbuch von CERN.24
Dokumentation auf info.cern.ch
Fortführung der Dokumentation auf info.cern.ch. Jede technische Entscheidung basiert auf der Idee, dass es ein Informationsraum sein sollte, der alle umfasst und einschließt.25 Sprich auch von jedem Computer und Betriebssystem zugänglich sein sollte.
Veröffentlichung WorldWideWeb
Im März 1991 wurde das Program WorldWideWeb innerhalb von CERN veröffentlicht. Jedoch nur limitiert an die Nutzer von NeXT Computern.26
Hypertext at CERN
Ausarbeitung »Hypertext at CERN«.27
Veröffentlichung
Im August veröffentlich Tim Berners-Lee drei Dinge: das WorldWideWeb für NeXT, einen line-mode Browser sowie den grundlegenden Server.28
comp.infosystems.www
Start von comp.infosystems.www als Newsgruppe zum Informationsaustausch.29
Telnet-Protokoll
Öffentlicher Telnet-Server auf info.cern.ch. Telnet ist ein Protokoll, wodurch ein Nutzer eine interaktive Kommandozeilen-Session öffnen konnte. Dadurch gelangten Menschen ins Web, welche keinen Browser installieren konnten.30
WorldWideWeb-Browser in C
Der Browser WorldWideWeb wurde erneut in der Sprache C geschrieben, um den Transport zu vereinfachen.31
Libwww
Libwww als Bibliothek – Veröffentlichung des webspezifischen Codes.32
Zwei Gateways
Installation von zwei Gateways zum Support-System VAX/VMS und WAIS.33
Mailing-Liste für technische Diskussionen
Start der Online-Mailing-Liste www-talk@info.cern.ch für technische Diksussionen.34
Hypertext 91’
Hypertext 91’ im Dezember. Das Projekt wird vorgestellt, findet jedoch kaum Zuspruch.35
1992
Erwise
Im April wird der Browser »Erwise« der Helsinki University of Technology für Unix mit dem Betriebssystem X-Windows veröffentlicht.36
ViolaWWW
Im Mai wird der Browser »ViolaWWW« von Pei Wei für Unix veröffentlicht.37
Samba
Entwicklung eines Webbrowser Samba für Macintosh von Tim Berner-Lees Kollegen.38
URL
Aus URI (universal resource document) wurde URL (uniform resource locator).39
MidasWWW
Tony Johnson entwickelt den Browser »MidasWWW« für X.40
1993
Es gab etwa 50 bekannte Server und die Browser Erwise, ViolaWWW und MidasWWW waren für X-Windows verfügbar, Samba für Mac.41
Diverse Browser
Dave Raggett entwickelt den Browser »Arena«.42
Die University of Kansas schreibt einen text-basierten Hypertext-Browser namens »Lynx«, der es als screen mode Browser erlaubt, durch das Dokument zu scrollen. Lynx 2.0 wurde als Web-Browser im März veröffentlicht43 und ist der älteste Browser, der noch immer in Betrieb ist.44
Marc Andreessen veröffentlicht im Februar den Browser »Mosaic« für X.45
Tom Bruce schreibt den Browser »Cello« für Microsofts Windows, welcher im März veröffentlicht wird. Erstmals konnten Windows-Nutzer das Web in verschiedenen Farben und Schriften sehen.46
Das freie World Wide Web
Am 30.4.1993 gab CERN das Web-Protokoll und den Code zur Nutzung frei.47 Dieser Tag wird heute als Geburtstag des freien World Wide Webs angesehen.
Veröffentlichung von Mosaic für UNIX, Windows und Mac im September.48
1994
Internet in a Box
Tim O’Reilly kündigt das Produkt »Internet in a Box« an, welches das World Wide Web in Privathaushalte bringen soll. Das Produkt wird jedoch überflüssig, da nun viele Internet-Service-Provider ihre Arbeit aufnahmen.49
Navipress
Navisoft Inc. veröffentlicht einen Browser namens »Navipress« für den PC und Mac.50
Netscape Navigator 1.0
Gründung des Unternehmens Mosaic Communications Corp. –, später Netscape –51, welches im Oktober desselben Jahres den Browser »Mozilla« auf den Markt bringt.52 Die kommerzielle Version wird im Dezember über das Internet herausgegeben und zu »Netscape Navigator« umbenannt. Der Browser ist mit Windows, X Window und Macintosh kompatibel.53
Woodstock of the Web
Erste internationale WWW-Konferenz – auch »Woodstock of the Web« genannt – im Mai.54 Hier entstand das Konzept von VRML (Virtual Reality Modellen Language).
W3C
Gründung des W3C.55
1995
Hardware mit Browser
Im April kündigt Compaq an, seine PCs mit dem Navigator auszustatten. Damit wird erstmals ein Browser direkt mit der Hardware ausgeliefert.56
Java
Im Mai wird die Programmiersprache Java eingeführt. Die Sprache vereinfacht es in vielerlei Hinsicht Inhalte veröffentlichen. So wird von nun an beispielsweise weniger Arbeitsspeicher beim Endnutzer benötigt, um Inhalte anzusehen. Sie können nämlich direkt im Webbrowser angezeigt werden.57
AOLpress
AOL kauft das Unternehmen Navisoft, welches Navipress entwickelt hatte. Das Produkt heißt von nun an AOLpress.58
Internet Explorer
Der Internet Explorer wird im August zusammen mit Windows 95 veröffentlicht.59
1996
Browser kommen und gehen
Netscapes Navigator 2.0 kommt auf den Markt.60
AOLpress stirbt, während AOL nun den Internet Explorer nutzt.61
PICS
PICS (Platform for Internet Content Selection) wird im März als mögliches Filter-Werkzeug für Webinhalte veröffentlicht.62
Amaya
Das W3C entwickelt ab 1996 den experimentellen Browser »Amaya«.63
1997
RDF
Ab 1997 erste Konzeption von RDF (Resource Description Framework) mit dem letztendlichen Ziel maschinenlesbare Daten für das semantische Web zu erhalten.64
1998
Open Source Policy
Netscape veröffentlicht im Januar den kompletten Quellcode seines Browsers.65
XML
XML (Extensible Markup Language) wird im Februar vom W3C veröffentlicht, um SGML abzulösen. XML ist die Basis von Sprachen wie HTML.66
DOM
DOM (Document Object Model) wird als Standard des W3C eingeführt.67
Quellen
- Vgl. Berners-Lee, Tim; Fischetti, Mark (Hg.): »Weaving the Web – The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web«, New York 2000, S. 1.
- Vgl. Ebd., S. 10.
- Vgl. Ebd., S. 11.
- Vgl. Ebd., S. 12.
- Vgl. Ebd., S. 13.
- Vgl. Ebd., S. 15.
- Vgl. Ebd., S. 14.
- Vgl. Ebd., S. 15.
- Vgl. Ebd., S. 17.
- Vgl. Ebd., S. 17.
- Vgl. Ebd., S. 19.
- Vgl. Ebd., S. 21.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd., S. 22.
- Vgl. Ebd., S. 23.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd., S. 26.
- Vgl. Ebd., S. 27.
- Vgl. Ebd., S. 29.
- Vgl. Ebd., S. 41.
- Vgl. Ebd., S. 39.
- Vgl. Ebd., S. 30.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd., S. 32.
- Vgl. Ebd., S. 33.
- Vgl. Ebd., S. 45.
- Vgl. Ebd., S. 46.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd., S. 47.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd., S. 48.
- Vgl. Ebd., S. 50.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd., S. 56.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd., S. 58.
- Vgl. Ebd., S. 62.
- Vgl. Ebd., S. 64.
- Vgl. Ebd., S. 67.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd., S. 68.
- Vgl. »Lynx (web browser)« in: »Wikipedia, the free encyclopedia«, Stand: 26.2.2017, URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Lynx_(web_browser), abgerufen am 20.3.2017.
- Vgl. Berners-Lee, Tim; Fischetti, Mark (Hg.): »Weaving the Web – The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web«, New York 2000, S. 69.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd., S. 74.
- Vgl. Ebd., S. 76 f.
- Vgl. Ebd., S. 80.
- Vgl. Ebd., S. 81.
- Vgl. Ebd., S. 82.
- Vgl. Ebd., S. 96.
- Vgl. Ebd., S. 97.
- Vgl. Ebd., S. 85.
- Vgl. Ebd., S. 93.
- Vgl. Ebd., S. 103.
- Vgl. Ebd., S. 104.
- Vgl. Ebd., S. 105.
- Vgl. Ebd., S. 108.
- Vgl. Ebd., S. 112.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd., S. 113.
- Vgl. Ebd., S. 119.
- Vgl. Ebd., S. 181.
- Vgl. Ebd., S. 118 f.
- Vgl. Ebd., S. 119.
- Vgl. Ebd., S. 168.
Abbildungen
- CERN, O‘Luanaigh, Cian: »World Wide Web born at CERN 25 years ago«, Stand: 8.4.2014, URL: https://home.cern/about/updates/2014/03/world-wide-web-born-cern-25-years-ago, abgerufen am 20.3.2017.