HyperCard – Lokales Äquivalent zum Web

In der Episode »Hypercard Maker« von Computer Chronicles aus dem Jahr 1987 stellen Bill Atkinson und Dan Winkler das Hypertext-System HyperCard vor. Zusammen haben sie den Software-Baukasten innerhalb von Apple entwickelt, welcher 1987 veröffentlicht wurde. HyperCard ist eins der ersten funktionierenden Hypermedia-Systeme.

Das World Wide Web erinnert mich in einigen Eigenschaften stark an HyperCard, weshalb ich das System näher kennenlernen möchte.

HyperCard ist ein Informationssystem und besteht aus einzelnen Karten, welche Texte, Grafiken oder Buttons darstellen können. Die Buttons können dabei unter anderem zu weiteren Informationen führen, Anrufe tätigen oder Töne abspielen.1 Das wichtige ist laut Bill Atkinson, dass die Karten sowohl Informationen als auch Interaktionen beinhalten können.2

Die einzelnen Karten werden als »Stacks« gruppiert, die man über Floppy-Disks mit anderen teilen kann.3 Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, eigene zu kreieren.4 Die mitgelieferten Templates, »Art Ideas« oder z. B. Button-Librariers unterstützen den Nutzer dabei, eigene Karten und Stacks anzulegen.5

Die Informationen können thematisch organisiert und die Verbindungen zwischen den Karten völlig frei definiert werden.6 So kann man beispielsweise auch Grafiken miteinander verbinden, indem man Buttons auf bestimmte Teile der Grafik legt und zur nächsten Karte mit dem gleichen Inhalt verlinkt. Als Beispiel zeigt Bill Atkinson eine Karte mit einer Pferdekutsche, die bei einem Klick auf das Rad wiederum auf die nächste Karte, die ein Rad enthält, wechselt.7 Durch diese freie Organisation, lassen sich Informationen laut Atkinson sehr eng miteinander verbinden. Auch To-Do-Listen mit Terminen und der Verlinkung zu der dazugehörigen Adresse werden als Beispiel genannt.8

Wichtig ist laut Dan Winkler, dass man für die Arbeit mit HyperCard keine Programmierkenntnisse benötigt, außer man möchte die Buttons selbst modifizieren. Möglichkeiten wären hier z. B. visuelle oder auditive Effekte.9 Sonst ist der unerfahrene Nutzer aber auch in der Lage, Buttons über die Benutzeroberfläche einzubauen.10 Für die Programmierung von Buttons wird die Sprache Apple HyperTalk benutzt. Über eine Box, die an das Terminal erinnert, können in dieser Sprache beispielsweise Kalkulationen oder Kommandos abgefeuert werden.11

HyperCard erinnert mich wie anfangs schon erwähnt sehr an die Struktur des World Wide Webs. Zwar ist es kein offenes System, doch die freie Organisation der Informationen fällt mir primär auf. Wie Tim Berners-Lee Ansatz, alles mit allem zu verlinken, kann man auch in HyperCard – innerhalb des Systems – alles mit allem verlinken. Zudem erklärt Atkinson, dass es eine besondere Home Card gibt, die aus allen Stacks heraus auf die Home-Seite führt. Von dort navigiert man wieder um in die Inhalte, wie z. B. das Adress­buch.12
Das wäre zumindest begrifflich sehr nah an Webseiten, da es auch dort Startseiten gibt. Weiter könnte man es mit den nativen Browser-Startseiten, die bei einigen Browsern die favorisierten Seiten anzeigen, vergleichen. Durch die lokale Speicherung und Anzeige der persönlichen Stacks, erinnert es mich auch sehr stark an den Schreibtisch auf dem Rechner.
Durch Atkinsons Präsentation einer Karte mit Keyboard und klickbaren Tasten, welche Töne erzeugen,13 wird auch deutlich, dass schon ein stückweit an Mini-Anwendungen innerhalb der Karten/Webseiten gedacht wurde, welche im World Wide Web erst später mit JavaScript verwirklicht wurden.

Abschließend kann ich mir vorstellen, dass HyperCard durchaus etwas ähnliches wie das World Wide Web hätte werden können, wenn das System komplett geöffnet worden und die Karten über das Netz verfügbar gewesen wären.

Quellen
  1. Vgl. Public Broadcasting Service: »Computer Chronicles«, »Hypercard Maker«, URL: https://archive.org/details/CC501_hypercard, TC: 00:04:45–00:05:06, abgerufen am 13.4.2017.
  2. Vgl. Ebd., TC: 00:06:12–00:06:40.
  3. Vgl. Ebd., TC: 00:05:08–00:05:34.
  4. Vgl. Ebd., TC: 00:06:44–00:07:03.
  5. Vgl. Ebd., TC: 00:11:08–00:11:56.
  6. Vgl. Ebd., TC: 00:07:58–00:08:55.
  7. Vgl. Ebd.
  8. Vgl. Ebd., TC: 00:07:05–00:07:50.
  9. Vgl. Ebd., TC: 00:10:14–00:10:56.
  10. Vgl. Ebd., TC: 00:09:50–00:10:14.
  11. Vgl. Ebd., TC: 00:09:03–00:09:44.
  12. Vgl. Ebd., TC: 00:06:12–00:06:40.
  13. Vgl. Ebd., TC: 00:05:42–00:06:08.
  14. Abbildungen
    1. Titelbild: Macintosh Repository: »HyperCard 2.2«, URL: https://www.macintoshrepository.org/2328-hypercard-2-2, abgerufen am 13.4.2017.
    2. Eigener Screenshot; Public Broadcasting Service: »Computer Chronicles«, »Hypercard Maker«, URL: https://archive.org/details/CC501_hypercard, TC: 00:04:54, abgerufen am 13.4.2017.