Mehr Substanz auf der Web-Bühne

Wie die Autoren von »Staatsfeind WikiLeaks« (Der unvollkommene Kreis ») stellt auch Andrew Keen in »Das digitale Debakel« fest, dass zwischenzeitlich kleine Gruppen die Macht über viele Menschen erlangen können.1 Während es bei WikiLeaks um Aufklärung und einer daraus resultierenden politischen Machtstellung geht, spricht Keen primär von finanzieller Macht oder unverhältnismäßiger Verteilung, die – aus meiner Sicht – durch z. B. Lobbyismus wieder in politische Macht mündet.
So beschäftigte beispielsweise WhatsApp vor dem 19-Milliarden-Dollar-Verkauf an Facebook lediglich um die 50 Mitarbeiter2 und dass Google mehr oder minder aus dem nichts in einer Garage entstanden ist, ist auch bekannt. Kleine gute Ideen werden riesig. Nur zum Vergleich: Die Daimler-AG erzielte 2014 einen Umsatz von ca. 130 Mrd. € – mit rund 280.000 Mitarbeitern.3 Wer in den gesellschaftlichen Köpfen eine größere Rolle spielt, soll jeder für sich entscheiden.
Für mich gibt es kaum etwas Langweiligeres als Zahlen oder generell Finanzen und als Laie vermische ich sicher Zahlen, die so nicht zueinander gehören. Ein Superpro wird sicher Gegenbeispiele finden und weder beruhigend noch beunruhigend ist, dass die mächtigsten Konzerne der Welt nicht Google, Facebook oder Apple heißen4. Dennoch gehört Google zu den ersten Unternehmen dieser »neuen Kategorie«, die laut Keen ihren »wirtschaftlichen Wert im Netz selbst« beherbergen.5

Nichts als Applaus für neue Ideen

Es wird in jedem Fall deutlich, dass das World Wide Web neue Möglichkeiten bietet, die dem einzelnen mit wenig Aufwand erlauben, eine gute Idee als Royal Flush auszuspielen. Der Kern der Sache ist für mich deshalb nicht die Frage, welches Unternehmen es durch das World Wide Web »geschafft« hat, sondern was diese durchaus noch junge Welt für die kommende Generation der Kommunikationsdesigner bereit hält. Mit Köpfen voller Ideen, einem ästhetischem Grundverständnis, Informationen zu vermitteln sowie dem nötigen Handwerkszeug scheint es die perfekte Ausgangslage zu sein.
Doch während unter vorgehaltener Hand versprochen wird, dass man mit einem guten Einfall so ziemlich jeden und alles erreichen kann, weiß man, dass aus den 15 Minuten Ruhm längst nur noch Millisekunden auf Pinterest-artigen Design-Blogs übrig geblieben sind – auf denen eine Idee nur noch der nächsten ähnelt.
In der Zukunft wird die Arbeit vielleicht mit Bitcoins belohnt, als Gegenwert regnet es heute selten Geld. Im Moment kann man die Web-Bühne häufig mit einem Applaus aus Likes, Retweets oder Pins verlassen. Wir verkaufen uns für billige Referenzen, verwechseln Likes mit ernst gemeinter Kritik und ich frage mich, wie ehrlich und vor allem wie wirklich das ganze Rumgeeier sein kann und zukünftig sein soll. Die alltägliche Arbeit mit realem Feedback und Kundenkontakt wirkt für mich substantieller als die Zur-Schau-Stellung im WWW. Sicher gibt es Plattformen, auf denen man sich schon jetzt ernsthaft bewegen kann und denen man sich aus meiner Sicht nicht grundsätzlich verschließen sollte. Doch eine Frage, die mich momentan beschäftigt ist, wie man zukünftig mehr Substanz und Vertrauen auf die große Web-Bühne bringen kann.

PS: Wenn wir schon mal bei vielen Zahlen waren, die nicht so ganz zusammen passen, dann noch was:
Berechne wieviel deine Daten im Internet wert sind: Financial Times-Rechner.

Quellen
  1. Vgl. Keen, Andrew: »Das digitale Debakel: Warum das Internet gescheitert ist – und wie wir es retten können«, München 2015, S. 20.
  2. Vgl. Bernau, Patrick: »19 Milliarden sind gar nicht so viel«, Stand: 20.2.2014, URL: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/netzwirtschaft/der-facebook-boersengang/whatsapp-uebernahme-19-milliarden-sind-gar-nicht-so-viel-12811384.html, abgerufen am 6.11.2015.
  3. Vgl. Unternehmensvorstellung Daimler AG, URL: http://www.daimler.com/unternehmen, abgerufen am 6.11.2015.
  4. Vgl. Fehling, Jonas: »Diese 35 Firmen kontrollieren die Welt«, Stand: 18.6.2014, URL: http://www.focus.de/finanzen/news/das-netzwerk-der-macht-diese-konzernen-kontrollieren-die-welt_id_3929949.html, abgerufen am 6.11.2015.
  5. Keen, Andrew: »Das digitale Debakel: Warum das Internet gescheitert ist – und wie wir es retten können«, München 2015, S.76.