Mögliche Wege meiner Master-Arbeit

In meiner Zwischenbesprechung mit Alain Yimbou am 28.3.2018 geht es um den aktuellen Stand meines Master-Projekts sowie um die mögliche praktische Umsetzung. Mein Thema, das den Arbeitstitel »evolution of a medium« trägt, zielt auf die kulturellen, technologischen und visuellen Veränderungen des World Wide Webs von Beginn an.

In meiner Zwischenbesprechung mit Alain Yimbou am 28.3.2018 geht es um den aktuellen Stand meines Master-Projekts sowie um die mögliche praktische Umsetzung. Mein Thema, das den Arbeitstitel »evolution of a medium« trägt, zielt auf die kulturellen, technologischen und visuellen Veränderungen des World Wide Webs von Beginn an.

Mögliche Inhalte

Kulturell sind für mich die Verformung der Gesellschaft, die Auflösung geographischer Grenzen, die Infosphäre, die Neuordnung von Raum und Zeit sowie das Web als Abbild der Kultur interessant. Technologisch könnte man das Web als jeweiligen Prototype der nächsten Entwicklung sehen. Zudem ist die Technologie als Motor und Lösung spannend für mich. Entwicklungen im Frontend, wie beispielsweise die Erstellung von Web-Layouts mit Tabellen, Floats, Flexbox oder CSS Grid gehören dabei fast schon in den visuellen Bereich.

Während kulturelle und technologische Aspekte vielmehr eine Nebenrolle spielen werden, steht vor allen Dingen der visuelle Part im Vordergrund. Nachdem das Web anfänglich mit seinen sehr gegenständlichen UI-Elementen eher eine Übersetzung der materiellen Welt war, evolviert es zunehmend zu einem eigenen Medium. Weiter halte ich den Verlauf von einer »No-Layout-Ära« hin zu sehr statischen Layouts und zurück zu fluiden Umsetzungen für sehr wichtig. Auch hier ist zu sehen, dass sich das Web zunächst sehr am Printbereich orientiert hat, um sich dann als eigenes Medium zu etablieren. Die Veränderung der grafischen Benutzeroberflächen, basierend auf kulturellen Lernprozessen und technologischem Fortschritt, ist ein weiterer essenzieller Bestandteil.

Theoretischer Teil

In meinem theoretischen Part möchte ich mich neben der historischen Entwicklung des World Wide Webs und grafischer Benutzeroberflächen mit Informationssystemen, medientheoretischen Inhalten sowie allgemeinen Konzepten des World Wide Webs auseinandersetzen. Dieser Bereich bietet zwar nur oberflächliche Einblicke, hilft mir jedoch zur Orientierung und zur Erfassung des Gesamtkontexts.
Im Bereich der Informationssysteme werde ich mich unter anderem mit Paul Outlet, Vannevar Bushs Memex, J.C.R. Licklider, Ted Nelson, Doug Engelbart und Bill Atkinsons HyperCard beschäftigten. Im medientheoretischen Teil möchte ich Einblicke in die Theorien von Marshall McLuhan, Vilem Flusser, Luciano Floridi, Byung-Chul Han oder Felix Stalder geben. Hier muss eine weitere Auswahl oder Erweiterung zeigen, welche Inhalte tatsächlich relevant für meine Arbeit sein werden. Im allgemeinen könnten Konzepte wie z. B. das von Linked Open Data bereichernd sein.

Praktische Ansätze

In welche exakte Richtung mein praktisches Projekt gehen könnte, ist momentan noch unklar. Für ein spannendes Detail halte ich die zeitliche Einordnung. In diesem Jahr wird das freie World Wide Web 25 Jahre alt und das erste Proposal jährt sich im kommenden Jahr zum 30. Mal. Ich kann mir sowohl eine Ausstellung im World Wide Web als auch im realen Raum vorstellen, wobei wir die ausschließliche Präsentation im Web während des Gesprächs ausgeschlossen haben. Um die digitalen Ergebnisse physisch greifbarer zu machen, macht es durchaus Sinn eine Exposition im realen Raum zu entwickeln. Wie die finale Umsetzung aussehen könnte, muss sich allerdings während meiner weiteren Arbeit herauskristallisieren.

Wie in meinem Beitrag »evolution of a medium« schon ausgeführt, kann ich mir vorstellen, eigene Räume zu bauen und Elemente des Webs, wie beispielsweise den berühmten Sternenhimmel oder MIDI-Sound, ins Analoge zu transportieren. Weiter wäre die Übersetzung von UI-Elementen mithilfe von 3D-Druck denkbar. Im vergangenen Beitrag beschreibe ich mögliche weitere Komponenten, welche ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen möchte.

Ausblick

Meine Arbeit könnte Fragen nach zukünftigen Veränderungen beinhalten. Sowie der Einsatz von Natural User Interfaces vieles in der Gestaltung verändert hat, gehe ich davon aus, dass Conversational User Interfaces, Voice Interfaces oder dergleichen massive Auswirkungen auf grafische Benutzeroberflächen haben werden. Auch das Konzept von Linked Open Data beziehungsweise die generelle – auch automatisierte – Darstellung von Informationen wird sicher noch viele, neue Herausforderungen für Gestalter mit sich bringen.
Vor allem die neueren Formen von Interfaces als auch die Verwendung von Technologien wie Eye-Tracking und Augmented oder Virtual Reality, könnten aus meiner Sicht die Auflösung aktueller Formen von grafischen Benutzeroberflächen mit sich bringen.

Inspirierende Projekte

Abschließend habe ich inspirierende Projekte zusammengefasst, welche ich innerhalb meiner Master-Dokumentation behandelt habe. Dazu gehört »Once Upon« von Olia Lialina und Dragan Espenschied, welche im Jahr 2011 soziale Netzwerke mit den technologischen Möglichkeiten von 1997 nachbauten. Weiter inspiriert mich von den beiden Netzkünstlern »One Terabyte of Kilobyte Age«, welches ein Archiv von geocities-Seiten darstellt, die kurz vor Schließung des Dienstes gesichert wurden. Bei beiden gefällt mir vor allen Dingen die visuelle Komponente, welche die visuelle Ästhetik der 90er Jahre widerspiegelt. »Grosse Fatigue« stellt für mich eine großartige, poetische Form dar, ein Thema zu behandeln. Eine beeindruckende Verbindung zwischen theoretischen Inhalten und visueller Darbietung sehe ich zudem in den Projekten »In Pieces« von Bryan James, »Pulse« von Markus Kison und »Laws of UX« von Jon Yablonski.

Für meine Abschlussarbeit möchte ich eine visuelle Form finden, welche die Inhalte direkt und ohne Umschweife kommuniziert und die Ästhetik des Webs gleichermaßen mit aufnimmt.

(Un-)Menschlickeit im digitalen Mittelalter

Der Film »Lo and Behold – Wovon träumt das Internet?« des Regisseurs Werner Herzog geht in seinen zehn Kapiteln der Geschichte des Internets und dessen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft nach. In Gesprächen werden beispielsweise »Die Herrlichkeit des Netzes«, »Die dunkle Seite«, »Internet auf dem Mars« oder die Zukunft des Netzes thematisiert. Gesprächspartner sind dabei Leonard Kleinrock, Elon Musk, Sebastian Thrun sowie viele weitere wichtige Protagonisten dessen tägliche Arbeit vom Internet bestimmt wird oder deren Leben durch das Netz massiv verändert wurde.

Der Film »Lo and Behold – Wovon träumt das Internet?« des Regisseurs Werner Herzog geht in seinen zehn Kapiteln der Geschichte des Internets und dessen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft nach. In Gesprächen werden beispielsweise »Die Herrlichkeit des Netzes«, »Die dunkle Seite«, »Internet auf dem Mars« oder die Zukunft des Netzes thematisiert. Gesprächspartner sind dabei Leonard Kleinrock, Elon Musk, Sebastian Thrun sowie viele weitere wichtige Protagonisten dessen tägliche Arbeit vom Internet bestimmt wird oder deren Leben durch das Netz massiv verändert wurde. Wie in meiner Dokumentation üblich, möchte ich keine Filmrezension schreiben, sondern lediglich die wichtigen Punkte herauspicken. Vor allem die Kapitel »Künstliche Intelligenz« und »Das Internet des Ichs« sind dabei spannend für mich.

In ersterem prophezeit Sebastian Thrun, dass wir an einen Punkt kommen werden, an dem fast alles von Maschinen übernommen werden kann und dass sie das meiste besser als wir Menschen können. Das liegt unter anderem daran, dass Maschinen sehr viel schneller lernen.1 Zudem erklärt er schon zuvor, dass die Fehler, die selbstfahrende Autos machen, sofort mit anderen – auch »ungeborenen« – Autos geteilt werden. Dadurch wird dieser Fehler niemals wiederholt, was ein enormer Vorteil gegenüber menschlichen Fahrern ist.2

Theologische Revolution

Solche grundlegenden Veränderungen, die durch das Internet und die Maschinen, die für uns denken, einhergehen, benötigen laut Computerwissenschaftler Danny Hillis eine Veränderung unserer Moral. Wir müssten über die Definition, was menschlich sein wirklich bedeutet, nachdenken und er sagt eine theologische Revolution voraus. Wir ergründen und entwickeln eine neue Gesellschaft sowie neue Ideen darüber, was richtig und falsch ist. Er sieht die momentane Zeit zudem als eine unglaublich kreative Zeit in der Menschheitsgeschichte – nicht nur technologisch, sondern auch moralisch und kulturell.3 Dieser Gedanke ist dem Luciano Floridis, der von einer neuen Informationsphilosophie spricht, sehr nahe. Auch er ist der Meinung, dass die Entwicklung einer neuen Philosophie notwendig ist, um dem rasanten Wandel, dem unsere Zeit unterliegt, gerecht zu werden.

Das digitale Mittelalter

Der Computerwissenschaftler sieht eine weitere Entwicklung, die den Gedanken Floridis sehr ähnlich ist. Während der Informationsphilosoph es als »Digitalen Gedächtnisverlust« formuliert (Die Hypergeschichte »), spricht Hillis vom »Digitalen Mittelalter«. Seinen Beobachtungen nach passieren heutzutage viele Dinge deren Hintergründe später nicht mehr nachvollziehbar sind. Während es noch handschriftliche Briefe der Gründerväter der USA gibt, wird heute vieles per E-Mail geklärt. Diese Unterhaltungen vorweg werden höchstwahrscheinlich also nicht mehr rekonstruierbar sein und verloren gehen.4 Während die Ausführung beider ziemlich unterschiedlich sind, entsprechen sie sich im Kern doch sehr. Im Grunde geht es bei beiden um eine nicht vorhandene oder verlorene Historie, welche es den Generationen nach uns sehr schwierig machen wird, die Hintergründe zu verstehen.

Das unsichtbare Internet

Während meines Researchs beschäftigt mich immer wieder das Verschwinden von Schnittstellen. Technologie wird zunehmend unsichtbar und rückt in den Hintergrund. Der Internetpionier Leonard Kleinrock erläutert im Film, dass ein Raum wissen müsste, wenn man da ist. Er spricht von Voice User Interfaces, so dass man mit der Technologie kommunizieren kann, welche wiederum mit Sprache, einem Hologram oder einem Display auf natürliche Weise antworten kann. Auch Gesten, Berührungen oder sogar das Miteinbeziehen des Geruchssinns hält er für möglich. Er vergleicht sie dabei mit der Elektrizität, welche einfach unsichtbar in unseren Wänden eingelassen ist. Zu dieser Unsichtbarkeit müsste sich das Internet jedoch noch entwickeln.5 Ähnlich sieht das der Sicherheitsanalytiker Sam Curry, welcher von Räumen spricht, in denen das Licht nach eigenen Vorlieben gedimmt oder die Musik angeschaltet wird, wenn man den Raum betritt.6 Vor allem der letzte Ansatz eines Smart Homes, ist heutzutage teilweise schon möglich. So können beispielsweise HUE-Lampen eingeschaltet werden, sobald sich das Smartphone mit dem W-LAN verbindet oder Lampen von z. B. Trilux je nach Tageslicht gesteuert werden.

Abschließend liefert mir der Film »Lo and Behold – Wovon träumt das Internet?« leider kaum neue Erkenntnisse oder Ansätze, welche ich für meine Master-Arbeit verwenden kann. Die interessanten Gedanken habe ich hier für mich zusammengefasst, jedoch habe ich vor allem im Hinblick darauf, dass Elon Musk oder Ted Nelson Teil des Films sind, mehr erwartet.

Quellen
  1. Vgl. Herzog, Werner: »Lo and Behold – Wovon träumt das Internet?«, 98 Minuten, Vereinigte Staaten 2016 [Deutschland 2017], TC: 01:23:30–01:24:22, VIII. Künstliche Intelligenz.
  2. Vgl. Ebd., TC: 00:34:56–00:36:18, II. Die Herrlichkeit des Netzes.
  3. Vgl. Ebd., TC: 01:24:23–01:25:08, VIII. Künstliche Intelligenz.
  4. Vgl. Ebd., TC: 01:29:46–01:30:20, IX. Das Internet des Ichs.
  5. Vgl. Ebd., TC: 01:26:17–01:27:20, IX. Das Internet des Ich.
  6. Vgl. Ebd., TC: 01:27:20–01:28:28, IX. Das Internet des Ich.

evolution of a medium

Mein Master-Projekt wird nun immer konkreter. Nach meiner bisherigen Recherche zur Entwicklung des World Wide Web, präzisiert sich meine Vorstellung, welche theoretische Auseinandersetzung und welche praktische Umsetzung Teil meiner Arbeit werden können.

Mein Master-Projekt wird nun immer konkreter. Nach meiner bisherigen Recherche zur Entwicklung des World Wide Web, präzisiert sich meine Vorstellung, welche theoretische Auseinandersetzung und welche praktische Umsetzung Teil meiner Arbeit werden können.

Die erste Fragestellung innerhalb meines Master-Studiums beinhaltet bereits erste Gedanken meines jetzigen Ansatzes. Nichtsdestotrotz habe ich sehr breit recherchiert, da mir auf meinem Weg unzählige spannende Themen begegnet sind, die mich stets in eine neue Richtung gelenkt haben. Ich hatte viele Ideen von zu plump bis zu komplex und habe enorm viel Kraft in die theoretische Arbeit gesteckt. Ich habe viel gelesen und recherchiert, viel geschrieben und verworfen.

Während meiner Master-Zeit hatte ich ab und an das Gefühl den Wagen fälschlicherweise von hinten aufzurollen. Habe mich aber aus Leidenschaft nicht davon abbringen lassen.
Ich habe mir kein Thema XY ausgesucht für das ich nun ein passendes Medium für die praktische Umsetzung suche, sondern ich beschäftige mich von Anfang an mit dem Medium selbst. So liebe ich beispielsweise Netzkunst, weil sie oft eine besondere Art hat mit dem Medium Web umzugehen und eine außergewöhnliche, visuelle Sprache spricht. Ich interessiere mich für die Auflösung virtueller und nicht-virtueller Grenzen, die Veränderung der Gesellschaft durch die virtuelle Welt und für die Theorien von beispielsweise Flusser und McLuhan. Ich bin überzeugt davon, dass sich Schnittstellen zunehmend auflösen und eine neue Art der Kommunikation entsteht. Ich bin begeistert von neuen Technologien und mich bewegen Projekte, die Theorie und Praxis lückenlos verschmelzen.

Letztendlich merke ich jedoch, dass meine Gedanken häufig um ähnliche Themen kreisen. Dazu gehören wiederkehrend die Anfänge und die Entwicklung des World Wide Web, die mich sowohl visuell, technologisch als auch kulturell interessieren. Das Medium selbst wurde lange wie eines behandelt, das ausschließlich die nicht-virtuelle Welt in die virtuelle überträgt. Webseiten waren »Schaufenster« des realen Lebens, Buttons waren zum Teil rote Knöpfe mit Schrift und Baustellenschilder zeigten, dass die Webseite noch in Bearbeitung ist. Das Verständnis für das Medium wächst zunehmend und wir wissen zwischenzeitlich, dass Webseiten so gut wie immer »under construction« sind. Zum einen kann aus meiner Sicht erst eine spezifische, visuelle Sprache für ein Medium entwickelt werden, sobald das Medium verstanden wird – sprich, dass das Web kein Buch ist. Auf der anderen Seite frage ich mich, ob nicht gerade dieser spielerische Umgang mit einem unbekannten Medium – wie er in den 90er Jahren stattfand – die unantastbarste und »originalste« Sprache von allen spricht.
In meiner bisherige Recherche zeigt sich, dass sich die visuelle Sprache immer weiter von der materiellen Welt entfernt und sich das Web zunehmend zu einem eigenen Medium entwickelt. Neben visueller und kultureller Veränderungen, halte ich hierfür auch die technologischen Entwicklungen für sehr wichtig. So nutzte man teils solange wie nötig die default styles für z.B. Buttons und ersetzt sie nach und nach mit Grafiken und letztendlich Code.

Der bisher stärkste Ansatz ist meiner Ansicht nach eine Ausstellung anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des freien Webs. Dabei kann ich mir zum einen eine interaktive Webausstellung vorstellen, aber auch eine nicht-virtuelle Exhibition mit gebauten Räumen voller Sternenhimmeltapeten und MIDI-Sound. Die Ausstellung könnte die Entwicklung des Web zeigen. Dabei wären aus meiner Sicht die visuellen Veränderungen im Vordergrund.
Ich möchte zum einen schon zum Teil gesammelte und katalogisierte UI-Elemente zusammenführen, um grafische Veränderungen deutlich zu zeigen. Die Elemente stammen dabei von verschiedenen Unternehmen, die auch in der Wayback Machine des Internet Archive zu finden sind: https://archive.org/web/. Ein erster Ansatz der Auswahlkriterien ist in meinem Beitrag »Evolution der Webästhetik« zu finden. Dabei steht noch offen, ob diese – dem Plan nach mehrere tausend – Elemente im Zentrum stehen oder einfach nur ein Pattern für die Ausstellung darstellen könnten. Zudem soll eine inhaltlich-kulturelle Komponente hinzukommen, die ich noch erarbeiten muss und eine poetische Ebene enthalten kann. Eine weitere Komponente könnte die Frage nach dem Danach sein, da ich mir unter anderem die Frage stelle, ob grafische Benutzeroberflächen durch neue Technologien wie z.B. Voice Interfaces ersetzt werden können.

An dieser Stelle wird mein Titel »Digitale Primaten« wieder mit der anfänglichen Bedeutung belegt. Nämlich, dass Menschen der Technologie noch immer hinterherhinken und wohl auch nicht mehr aufholen werden. Mein gewählter Arbeitstitel ist »digital primates – evolution of a medium« in englischer oder deutscher Form.

Tim Berners-Lee über das World Wide Web

Im Gespräch mit Barbara Bleisch spricht Tim Berners-Lee in Sternstunde Philosophie über seine Erfindung, das World Wide Web. Dabei kommen Themen wie beispielsweise Linked Open Data, die World Wide Web Foundation, die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine oder künstliche Intelligenz zur Sprache.

Im Gespräch mit Barbara Bleisch spricht Tim Berners-Lee in Sternstunde Philosophie über seine Erfindung, das World Wide Web. Dabei kommen Themen wie beispielsweise Linked Open Data, die World Wide Web Foundation, die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine oder künstliche Intelligenz zur Sprache.

Eine gewaltige kulturelle Veränderung sieht der Begründer darin, dass Gruppen und Kulturen im World Wide Web von der Leidenschaft der Menschen bestimmt werden.1 Um diese durchbrochenen Barrieren vollständig zu nutzen, müssen wir laut ihm lernen, die neu gewonnene Freiheit zu nutzen. Er bewirbt dabei sein Konzept von Linked Open Data, indem er auf die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern hinweist, die sich großen Herausforderungen wie die Bekämpfung von Krebs oder Alzheimer annehmen. Er sieht das Web als vernetzte Menschheit und wenn man in das Netz schaut, sieht man die Menschheit von ihrer guten sowie von ihrer schlechten Seite.2 Zudem ist er überzeugt davon, dass die Leute heutzutage »nicht mehr nur zum Spaß surfen, sondern es benutzen. Sie wissen, dass es riesig ist und kennen die Orte, die sie im Web mögen«3.

Die Erschließung des Planeten

Die Gründung der World Wide Web Foundation im Jahr 2008 basiert auf dem Wunsch, dass das Internet der Menschheit besser dienen soll. Ein wichtiges Ziel war die Verbreitung voranzubringen, da bei Aufnahme ihrer Arbeit erst 10, 15 % der Menschen Zugang zum Web hatten. Zur Zeit des Gesprächs (2015) waren immerhin schon 40 % versorgt,4 was ich noch immer als überraschend wenig empfinde. Er vermutet, dass in den kommenden 1–2 Jahre die 50 %-Marke überstiegen wird5 und durch eine kurze Recherche glaube ich, dass die Marke zurzeit geknackt werden dürfte.

Die Tatsache, dass nur etwa die Hälfte der Menschheit das World Wide Web nutzen kann, wirft bei mir unterschiedliche Gedanken auf. Zum einen wird es in seiner inhaltlichen Masse noch einmal enorm wachsen. Zudem bin ich gespannt, welche kulturelle Veränderungen vollzogen werden, wenn neben der entwickelten Welt andere Stimmen hörbar werden. Des Weiteren wird die Vernetzung mit der restlichen Welt sicherlich sehr viele neue Möglichkeiten eröffnen und einen enormen Fortschritt bedeuten.

Von der Künstlichen Intelligenz überholt

Tim Berners-Lee war schon immer darauf aus, Maschinen in sein System einzubinden. Er ist sich sicher, dass es sehr aufregend wird, wenn es ein gutes Datennetz gibt, welches Unmengen an Maschinen dazu bringen kann miteinander zu sprechen. Sie können dazulernen und verstehen wie die Welt funktioniert. Er ist überzeugt davon, dass wir ein Netz errichten müssen, in dem sich Mensch und Maschine die Aufgaben je nach Kompetenz teilen. Maschinen werden den schweren und die Menschen z. B. den kreativen Part übernehmen.6

Weiter sollten wir darauf gefasst sein, dass die künstliche Intelligenz so schlau wird wie wir Menschen. Früher konnte man sich nicht vorstellen, dass Computer Autos fahren oder Schach spielen. Beides ist nun der Fall und ähnlich ungläubig sind wir heutzutage, was die zukünftige Entwicklung der KI betrifft. Daher fordert er dazu auf, sich schon jetzt Gedanken zu machen, für den Zeitpunkt, wenn dieser Fall eintritt.7 Luciano Floridi sieht in dieser Turing-Revolution die 4. Revolution nach Kopernikus, Darwin und Freud. Er siedelt diese jedoch schon bei Turing an, da der Computer den Menschen schon längst z. B. in der logischen Informationsverarbeitung übersteigt.

Vorangegangene Entwicklungen

Als spannende vorherige Erfindungen nennt der Erfinder des Webs die Bulletin Boards, in die man sich mithilfe des Telefonhörers und einem Modem einwählen konnte. Außerdem erwähnt er Doug Engelbert und Vannevar Bush. Engelbert hatte das Internet nie namentlich erwähnt, sei aber durch die Idee Hypertext zu verwenden, Nachrichten zu versenden und Dinge zu verlinken, konzeptionell sehr nah dran. Bushs Idee der Memex erläutert Berners-Lee sehr praktisch. Memex wäre ein Tisch gewesen, an dem man Mikrofilme hätte lesen können. Am Ende wäre eine Verlinkung zum nächsten und durch einen Knopfdruck wäre ein ganzes mechanisches System in Bewegung gekommen und die Memex hätte einen vom einen zum nächsten Mikrofilm gebracht. Zudem hatte er die Idee Wissenschaftlern Zugang zum Human Record zu erleichtern. Das sind die Aufzeichnungen alldessen, was wir entdeckt haben. Zwar war seine Vision ohne tatsächliche Verwendung von elektronischen Computern, Berners-Lee ist sich aber sicher, dass er sich für die Forschung interessiert hätte.8

Utopische Räume

Einen sehr interessanten Ansatz lässt sich gegen Ende des Gesprächs finden. Auf die Frage, ob er seine Erfindung im Zusammenhang mit Problemen wie Datenschutz, Klimawandel, etc. sieht, hat er einen aus meiner Sicht sehr speziellen und guten Ansatz.
Er ist nicht der Meinung, dass das etwas mit utopischen Räumen zu tun hat. Solche Themen werden in einem wissenschaftlichen Umfeld diskutiert und in diesem Zusammenhang ist es wichtig, unsinnige Ideen von den guten zu trennen, um keine Zeit zu verlieren. Umso wichtiger ist es, dass Stimmen nach oben durchdringen, wenn tatsächlich ein Problem entdeckt wird. Er ist der Meinung, dass wir Systeme entwickeln, die nach Regeln funktionieren und keine utopischen Räume sind. Er ist sich sicher, dass man mit Hilfe von Auswahlsystemen diejenigen Menschen finden kann, welchen wir die richtigen Entscheidungen zutrauen und deren Stimmen wir vertrauen.9

Diese Überlegung finde ich insofern spannend, dass ich überzeugt davon bin, dass sich kompetentere Menschen finden lassen als diejenigen, die tatsächlich die Gesetze verabschieden. Nicht weil diese generell inkompetent sind, sondern weil sie sicher andere Schwerpunkte haben. John Perry Barlow bringt es so auf den Punkt, dass Menschen innerhalb der Regierung unter anderen Umständen geformt worden sind als die Leute, die die meiste Zeit virtuell verbringen. Wie soll jemand, der sich sonst für völlig andere Dinge einsetzt plötzlich entscheiden, ob irgendwelche Algorithmen so verwendet werden können, wie sie sind? Wie soll man ihnen Entscheidungen über das Land überlassen, wenn man vor der Entscheidung erst einmal die Technologie erklären muss? Hier wäre ein Zusammenschluss von wirklichen Experten, die sich tagtäglich unabhängig davon im World Wide Web bewegen, sehr sinnvoll.

Das und viele weitere Fragen tauchen regelmäßig auf, wenn ich mich mit der Arbeit und den Visionen von Tim Berners-Lee auseinandersetze. Erneut war dieses Gespräch sehr inspirierend, da es zum einen neue Gedankengänge öffnet und bei anderen Gedanken für Klarheit sorgt.

Quellen
  1. Vgl. Berners-Lee, Tim, Das Weltrettungsforum, dem nichts heilig ist.: »Tim Berners Lee – Der Erfinder des Internets (Sternstunde Philosophie)«, Stand: 30.8.2015, URL: https://www.youtube.com/watch?v=1uErJzcr3fU, TC: 00:15:41–00:16:21, abgerufen am 8.7.2017.
  2. Vgl. Ebd., TC: 00:16:56–00:18:22.
  3. Ebd., TC: 00:40:57–00:41:08.
  4. Vgl. Ebd., TC: 00:20:47–00:21:38.
  5. Vgl. Ebd.
  6. Vgl. Ebd., TC: 00:31:22–00:32:55.
  7. Vgl. Ebd., TC: 00:52:06–00:53:18.
  8. Vgl. Ebd., TC: 00:43:37–00:45:28.
  9. Vgl. Ebd., TC: 00:48:30–00:49:35.

»Moments of Happiness« – Einige Erkenntnisse

»Moments of Happiness« ist ein Nebenprojekt der »EPIC Agency«. Dabei werden sechs kleine Situationen gezaubert, die dem Nutzer Spaß machen und Momente des Glücks hervorbringen. Das Projekt führt mich zusätzlich zu weiteren Erkentnissen bezüglich der Weiterentwicklung des Mediums.

»Moments of Happiness« ist ein Nebenprojekt der »EPIC Agency«. Dabei werden sechs kleine Situationen gezaubert, die dem Nutzer Spaß machen und Momente des Glücks hervorbringen. Man könnte es zum Teil »Mini-Spielchen« nennen, da beispielsweise gefordert wird so schnell wie möglich zu klicken oder mit einer Katze mittels eines Wollballs zu spielen.

Ich nehme das Projekt mit in meiner Dokumentation auf, da es mich inspiriert mit Technologie und Grafik zu experimentieren. Zudem finde ich es wichtig zu sehen, dass inhaltliche Einfachheit – zumindest an mancher Stelle – auch hilfreich sein kann, um sich nicht zu sehr zu verstricken.

Die Umsetzung ist grafisch ansprechend und mir fällt zunehmend auf, wie sehr sich der – wenn man es so nennen mag – Webtrend mit großen Farbflächen und kleinen grafischen Elementen zu arbeiten durchsetzt. Minimalistische Gestaltung ist generell natürlich nichts Neues, aber immer häufiger treffe ich auf Projekte, wie z. B. auch »In Pieces«, die sich einem überschaubaren Thema widmen und es grafisch und technisch hervorragend umsetzen.

Moments of Happiness | EPIC Agency
05 – Click to jump, avoid the hedgehogs, grap the carrots.II

Die Weiterentwicklung des Webs

Neben der Tatsache, dass die Gestaltungsqualität im World Wide Web generell zunimmt, vermute ich zum einen, dass die immer einfachere Zugänglichkeit des Mediums ein Grund dafür sein könnte. Zum anderen denke ich, dass sich das allgemeine Verständnis des Mediums stark ändert. Während sich in den Anfängen des World Wide Web die analoge Denkweise sehr in der Gestaltung niedergeschlagen hat, versteht man es zunehmend, wie man den Gestaltungsraum mediumspezifisch nutzen kann. Zudem spekuliere ich, dass der künstlerisch freie Raum nach der Kommerzialisierung des Webs stark in den Hintergrund gedrängt wurde und sich nun wieder Platz schafft. Ähnlich wie es im Analogen gleichermaßen Platz für Imagebroschüren von Unternehmen und Bildbände von Illustratoren gibt, bietet auch der virtuelle Raum unbegrenzte Möglichkeiten für das parallele Bestehen. Meine letzte Vermutung ist die, dass sich Technik und Grafik immer mehr annähern. Auf Entwicklerseite entsteht ein Verständnis für die grafische Arbeit, sowie sich auf der Gestaltungsseite zunehmend ein Verständnis und Interesse für Technologie entwickelt.

Abbildungen
  1. Titelbild: Eigener Screenshot; EPIC Agency, »Moments of Happines«, URL: https://moments.epic.net/, abgerufen am 2.7.2017.
  2. Ebd.

Von der No-Layout-Ära zur wiedergewonnnen Fluidität des Webs

Vor kurzem bin ich auf den Dokumentarfilm »What Comes Next Is the Future« von Matt Griffin gestoßen. Der Film setzt sich mit der Geschichte des Webs auseinander und wird von den Menschen, die bedeutende Figuren des Webs sind, erzählt. Darunter unter anderem Tim Berners-Lee, Eric Meyer, Ethan Marcotte, Brandon Eich oder John Resig. Mit den aus Interviews gewonnen Antworten, schustert Griffin einen Film, der kapitelweise auf unterschiedliche Themen eingeht.

Auf lynda.com findet man größtenteils Tutorials aus Bereichen wie z. B. Design, Entwicklung, Fotografie oder Web. Vor kurzem bin ich auf den Dokumentarfilm »What Comes Next Is the Future« von Matt Griffin gestoßen. Der Film setzt sich mit der Geschichte des Webs auseinander und wird von den Menschen, die bedeutende Figuren des Webs sind, erzählt. Darunter unter anderem Tim Berners-Lee, Eric Meyer, Ethan Marcotte, Brandon Eich oder John Resig. Mit den aus Interviews gewonnen Antworten, schustert Griffin einen Film, der kapitelweise auf unterschiedliche Themen eingeht.

Bei meiner Recherche stoße ich auf unzählige Timelines über die Entstehung des Webs, auf originale Dokumente oder kleine Zusammenfassungen. Zudem gibt es natürlich tausende Treffer inhaltlicher Natur, die sich auf Teile des technologischen oder visuellen Aspekts konzentrieren. Insgesamt stellt mich meine Suche jedoch noch nicht zufrieden, da es nur wenige ansprechende Auseinandersetzungen mit dem Web als Medium selbst gibt. Das macht den Film von Griffin so interessant für mich. Zum einen, weil die Entwicklung von Menschen erzählt wird, die sie miterlebt und beeinflusst haben. Zum anderen werden zum Teil genau die Aspekte angesprochen, für die ich mich interessiere.

Ein wichtiger Gesichtspunkt, der das Web fundamental ausmacht, wird dabei direkt zu Beginn angesprochen. Das Web wurde letztendlich als offener Informationsraum konzipiert, in dem es für Jeden möglich sein soll, etwas zu publizieren. Das ist für Dave Rupert, Co-Gründer von Paravel, die schönste Sache am Web: Man kann jederzeit Dinge veröffentlichen, die man selbst nützlich findet und Andere können daraus wiederum neues kreieren.1 Brad Frost, welcher Atomic Design entwickelt hatte, liebt den freien Fluss der Ideen, Informationen und Gedanken und betont, dass das vor dem Web unmöglich war.2 Dieser unaufhaltsame, geistige Fluss war auch für John Perry Barlow (Cyberspace als neue Heimat des Geistes ») eine essenzielle Eigenschaft des Webs. Ähnlich wie Barlow sieht Lyza Danger Gardner, Co-Autorin von »Head First Mobile Web«, eine offene Welt. Sie spricht davon, dass das Web keine Wände besitzt und die Kosten, um daran teilzuhaben, eher gering sind.3 Jeffrey Feldmann, unter anderem Autor von »Designing Web Standards«, sieht dagegen die technischen Hürden weiter sinken. Jeder kann zumindest Twitter und Facebook nutzen und hat so die Möglichkeit sich frei zu äußern. Zudem reicht es bei mehr Interesse für einen Tumblr-Blog oder sogar eine WordPress-Seite. Er findet die Tatsache, dass man responsive Webseiten machen kann, ohne überhaupt zu wissen, was die Wörter bedeuten, sehr bemerkenswert und gut.4 Diesen Aspekt finde ich extrem wichtig, da dadurch garantiert wird, dass jeder an dieser Welt teilnehmen kann. Bei solchen Aussagen muss natürlich immer von den vielen Menschen abgesehen werden, welche noch keinen Internetzugang besitzen oder in Ländern leben, wo viele Inhalte gesperrt sind. Die Erschließung des ganzen Planeten wird sicher einer Hauptaufgabe der nächsten Jahre sein.

Chris Wilson, welcher unter anderem an der Entwicklung des ersten Massen-Browsers Mosaic beteiligt war, erinnert sich dagegen noch gut an die Erschließung des Webs in der westlichen Welt. Er spricht davon, dass »wir keine normalen Menschen waren, welche das Web nutzten«5. Zwar gab es das Internet schon vor dem Web, doch es war sehr schwierig, an Informationen zu kommen. Daher bestätigt er Tim Berners-Lee in seiner Idee, dass es wirklich einfach sein muss, Zugang zu erhalten.6 Berners-Lee sieht den Schlüssel zum Web darin, dass es ein virtuelles System geben muss, dass über allen bereits vorhandenen Systemen liegt. Dieses große Hypertext-Buch wird via Internet zugänglich.7

No-Layout-Ära

Zu Beginn des Webs waren die Inhalte eher strukturierte Informationen, als wirklich gestaltete Seiten. Jen Simmons nannte das die No-Layout-Ära und die Darstellung der Inhalte war je nach Browser unterschiedlich.8 Eric Meyer erzählt, dass sich »Seiten gestalten« eher wie ein Witz anhörte.9 Der Designer David Siegel war es schließlich, welcher mit seinem Buch »Creating Killer Web Sites« einen Weg fand, Webseiten mit Tabellen zu gestalten.10 Dass das Buch, das 1996 erschien, im selben Jahr das meistverkaufte Buch bei Amazon war11 spricht Bände. Daran lässt sich erkennen, dass der Wunsch nach Gestaltungsmöglichkeiten riesig war. Ein erster Vorschlag für Cascading Style Sheets (CSS) wurde zwar schon 1993 gemacht, doch erst im Dezember 1996 wurde das CSS Level 1 veröffentlicht.12 Im ersten Moment funktionierten die Tabellen als erstes Grid, doch wie John Allsopp erklärt, gab es das Gefühl, dass es einen besseren Weg geben muss solche Anforderungen zu erfüllen.13 Christopher Schmitt sieht in der Nutzung von CSS eine Goldrausch-Ära. Jeder arbeitete daran durch CSS-Floats bessere Layouts erstellen zu können, so dass man die Gestaltung durch Tabellen endlich hinter sich lassen kann.14 Nichtsdestotrotz waren die Tabellen ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur besseren Umsetzung. Eric Meyer sieht viele Dinge im CSS, welche darauf basieren, was Entwickler mit Tabellen-Layouts erstellt hatten.15

Flash als Prototype für CSS und JavaScript-Libraries

Viele Standards im Web basieren auf einer ähnlichen Herangehensweise, wie es mit der Übertragung von Tabellen auf CSS geschehen ist. Bedürfnisse werden experimentell mit vorhandenen Mitteln »irgendwie passend gemacht« bis aus ihnen langfristig neue Standards heranwachsen. Weitestgehend könnte man dabei von Prototypen sprechen, welche später in verbesserte, weniger komplexe Standards übertragen werden. Eine Aussage von Kelly Goto hat mich in Bezug auf Adobe Flash überrascht, selbst wenn sie absolut einleuchtend ist. Aus ihrer Sicht war die Arbeit mit Flash ein stückweit wie Prototyping. Flash gab vielen die Möglichkeit visuell für das Web zu denken. Als Werkzeug hat Flash den Prozess ermöglicht, dass kreative Personen Ideen ausdrücken konnten.16 Laut Aaron Gustafson gab Flash zudem die Möglichkeit mehr Kontrolle über die Gestaltung zu erhalten als mit CSS. Elemente konnten animiert und vereinnahmende Nutzererlebnisse geschaffen werden.17 Val Head sieht Flash auch als gute Chance herauszufinden, was das Web benötigt. Bei der Entwicklung einer neuen JavaScript-Library startete man somit zumindest nicht bei null.18
Eric Meyer sieht dagegen in Flash das komplette Gegenteil zum grundsätzlichen Aufbau des Webs. Der Ursprungsgedanke des Webs ist, dass die weite Verbreitung über der Konsistenz steht. Flash zu nutzen bedeutet jedoch, dass man alles oder nichts haben kann: Entweder man installiert Flash und hat ein konsistentes Nutzererlebnis oder man sieht im Gegenzug nichts.19

Letztendlich wurde die Ära Flash mit dem Erscheinen des iPhones 2007 eingeläutet. Das iPhone unterstützte kein Flash und Apple war überzeugt davon, dass alle Aufgaben mit HTML5 zu lösen sind. Das war ein entscheidender Einschnitt, da die Darstellung von Inhalten nun komplett zurück in die Hände der Browser bzw. des Codes gelegt wurde. Dieser Schritt vorwärts war gleichzeitig ein positiver Schritt rückwärts Richtung Web, das offen und zugänglich sein sollte.

Die Fluidität des Webs annehmen

Während das World Wide Web ursprünglich visuell sehr überschaubar war, wurde die Gestaltung zunehmend komplexer. Der Wunsch von Gestaltern mehr und mehr Einfluss auf die tatsächliche Darstellung zu nehmen wuchs und wirkte sich auch auf die Umsetzung aus. Tabellen und Frames wurden als Layout-Elemente verwendet, die Layouts selbst wurden immer statischer.

Ein entscheidender Beitrag von CSS ist der, dass Inhalt und Gestaltung getrennt werden. Dadurch kann der Fokus beim HTML-Dokument ausschließlich auf die inhaltliche Struktur gelegt werden. Mit CSS Zen Garden entstand im Mai 2003 ein Projekt, das das Ziel hatte zu zeigen, was alles einzig mit CSS möglich war. Das HTML-Dokument blieb dabei immer gleich und zugehöriges CSS konnte eingeschickt werden. Lyza Danger Gardner spricht von einem Art ersten universellen Gefühl dafür, was diese Trennung tatsächlich bedeuten kann.20 Kelly Goto bezeichnet das sogar als großen Moment, der alles im Web änderte und das Kreativitätslevel auf eine völlig neue Ebene anhob.21

Obwohl Tantek Çelik erklärt, dass CSS vorwärts-kompatibel für verschiedene Bildschirmgrößen angelegt war und Seiten somit auf verschiedenen Bildschirmen funktionierten,22 wurde diese Kompatibilität aus meiner Sicht durch fix angelegte Layouts zerstört. Nichts sollte dem Zufall überlassen werden und alles perfekt aussehen.
Mit dem Erscheinen des iPhones wurde das Web aus Kevin M. Hoffmans Sicht stark vermenschlicht. Es war immer dabei und man hatte nicht mehr das Gefühl online gehen zu müssen. Diesen Punkt empfand Tim Berners-Lee schon zu Beginn als sehr störend (Struktureller Aufbau des Webs und die Koexistenz von Mensch und Maschine »). Gleichzeitig wuchs das Bedürfnis nach mobiler Gestaltung deutlich und krempelte alles um. Während Jonathan Snook noch davon spricht, dass es ok war, dass man sich nur um zwei Auflösungen (1024 x 768 px und 320 x 240 px) kümmern musste,23 empfand es John Allsopp langfristig als eher unüberschaubare Aufgabe. Er fragt sich, wie weit es gehen soll und wann wir damit aufhören für jedes Endgerät einzelne Versionen zu entwickeln.24
Einen fundamentalen Fortschritt erreicht Ethan Marcotte, der 2010 den Begriff Responsive Design prägte. Ihm war die Wichtigkeit von flexiblen oder fluiden Layouts bewusst. Zudem musste der mediale Inhalt innerhalb dieser Layouts funktionieren. Mit den Mediaqueries aus CSS3 erreicht er, dass alles in allem responsiv funktioniert und ebnet damit den Weg für eine neue Dimension der Webgestaltung.
Auch Macrotte betont die Tatsache, dass das Web als flexibles Medium angelegt wurde und Designer und Entwickler das Extra an Komplexität in das Medium brachten. Er sieht es als wirklich flexibles, komplett anpassbares Medium, für das wir auch so gestalten sollten.25 Aus seiner Sicht, funktioniert die Industrie umso besser, je weniger wir versuchen die Darstellung zu kontrollieren.26 Jonathan Snook fügt hinzu, dass wir das Web umso einfacher verwalten können, wenn wir die Fluidität des Webs annehmen.27

Zugänglichkeit von Informationen

Die Entwicklung von Apps habe ich bisher – abgesehen vom Aufwand für die Bereitstellung auf verschiedenen Plattformen – als eher unproblematisch angesehen.
Durch Apps wird jedoch die Zugänglichkeit von Informationen stark eingeschränkt. Aus Sicht von Tim Berners-Lee treten die Leute damit in die Falle, dass sie denken eine App ist interaktiv und schneller. Doch bei Apps für beispielsweise Magazine ist es unheimlich wichtig, dass die Beiträge nicht ausschließlich in einem Programm landen, sondern offen im Web zugänglich sind. Ein essenzieller Bestandteil des Webs ist der, dass man Inhalte miteinander verknüpft. Einen Magazinbeitrag in einer App kann man dagegen ohne URL nicht einfach verlinken oder teilen.28
Çelik sieht zudem das Problem, dass jedes Programm evaluiert wird, bevor es – teilweise Tage später – zum Download bereitsteht. Man solle sich vorstellen, wenn man bei jeder Änderung einer Webseite tagelang warten muss, bis die Änderung akzeptiert wird. Den gleichen Standpunkt vertritt Lyza Danger Gardener. Nämlich das genau das das Web ausmacht: Wenn man etwas publizieren möchte, publiziert man das – ohne Autorisierung oder Bewertung des veröffentlichten Inhalts.29 Das würde nämlich wieder die Frage aufgreifen, wer dazu überhaupt legitimiert wäre, über die Veröffentlichung von Inhalten zu entscheiden (Verformung der Gesellschaft »).

Die Einzigartigkeit der Unbeschränktheit

Dass man etwas ohne »Pförtner« publizieren kann empfindet auch Alex Russell als sehr elementar. Ob es letztendlich jemanden interessiert oder nicht, ist erstmal irrelevant. Keine Möglichkeit zu haben sich zu äußern, wäre dagegen viel schlimmer. In dieser Unbeschränktheit sieht er die Einzigartigkeit des Webs. Er sieht das Web als das demokratischste System unserer Generation.30

Tim Berners-Lee spricht davon, dass es unser Web ist und fordert uns auf, dass wir alles dafür tun müssen, dass das Web weiterhin offen bleibt. Denn das ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit.31

Resümee

»What Comes Next Is the Future« von Matt Griffin ist aus meiner Sicht ein großartiger Zusammenschnitt der Web-Stimmen der letzten drei Jahrzehnte. Erst während des Films ist mir aufgefallen, was für ein Privileg es ist, dass noch so viele »originale« Stimmen zu hören sind. Das Web ist so selbstverständlich in unserem Alltag verankert, dass es nicht mehr wegzudenken ist. Gleichermaßen ist es noch so jung, dass Griffin den Begründer des Webs selbst, Tim Berners-Lee, interviewen konnte. Mit Brandon Eich als Entwickler von JavaScript oder Chris Wilson als Mitentwickler des Browsers Mosaic werden weitere Menschen gezeigt, welche das World Wide Web richtungsweisend beeinflusst haben. Das Schöne daran ist, dass der Film klar macht, dass wir nach wie vor in einer enormen Entwicklungsphase sind. Vor wenigen Jahren war der Ausdruck Responsive Webdesign noch nicht bekannt, erst seit kürzerer Zeit gibt es das CSS Grid, welches die Gestaltung weiter vereinfachen soll. Das Web entwickelt sich weiter und weiter und diese Evolution mitzuverfolgen ist großartig, da man nicht weiß, was der nächste Schritt sein wird. Wie viel wird sich noch einmal fundamental ändern? Wird es das Web in seiner Form weiter geben? In welche Richtung könnte es sich verändern?

Da ich die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sehr wichtig finde, um die jetzige Situation in ein Gesamtbild zu bringen und weitere Veränderungen abzusehen, möchte ich weiter in diese Richtung recherchieren. Unter anderem möchte ich mich mit dem Begriff »The next Web« auseinandersetzen. Zudem bin ich durch den Film auf Ethan Marcotte aufmerksam geworden dessen Aussagen mir in vielerlei Hinsicht zusagen. Auch mit ihm möchte ich mich weiter beschäftigen.

Nachtrag

Glücklicherweise habe ich das Video nachträglich öffentlich zugänglich bei Vimeo gefunden: What Comes Next Is The Future (2016) ».

Quellen
  1. Vgl. Griffin, Matt: »What Comes Next Is the Future«, »Why the Web«, USA 2016, URL: https://www.lynda.com/Web-Development-tutorials/What-Comes-Next-Future-Creating-Web/647684-2.html, TC: 00:01:03–00:01:24, abgerufen am 16.6.2017.
  2. Vgl. Ebd., TC: 00:01:57–00:02:12.
  3. Vgl. Ebd., TC: 00:01:44–00:01:57.
  4. Vgl. Ebd., TC: 00:02:12–00:02:42.
  5. Ebd., TC: 00:00:00–00:00:34, »The web arrives«.
  6. Vgl. Ebd.
  7. Vgl. Ebd., TC: 00:00:38–00:01:27.
  8. Vgl. Ebd., TC: 00:00:00–00:00:16, »Killer websites«.
  9. Vgl. Ebd., TC: 00:02:40–00:02:45.
  10. Vgl. Ebd., TC: 00:00:38–00:01:03.
  11. Vgl. Ebd., TC: 00:01:35–00:01:46.
  12. Vgl. »Cascading Style Sheets« in: »Wikipedia, the free encyclopedia«, Stand: 8.5.2017, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Cascading_Style_Sheets, abgerufen am 16. Juni 2017.
  13. Vgl. Griffin, Matt: »What Comes Next Is the Future«, »Cascading styles«, URL: https://www.lynda.com/Web-Development-tutorials/What-Comes-Next-Future-Creating-Web/647684-2.html, TC: 00:00:00–00:00:15, abgerufen am 16.6.2017.
  14. Vgl. Ebd., TC: 00:00:26–00:00:48.
  15. Vgl. Ebd., TC: 00:01:27–00:01:44.
  16. Vgl. Ebd., TC: 00:01:03–00:01:23, »There can be only one Flash«.
  17. Vgl. Ebd., TC: 00:00:10–00:00:21.
  18. Vgl. Ebd., TC: 00:03:15–00:03:48, »JavaScript spreads«.
  19. Vgl. Ebd., TC: 00:02:08–00:02:45, »There can be only one Flash«.
  20. Vgl. Ebd., TC: 00:02:43–00:02:53, »Web standards«.
  21. Vgl. Ebd., TC: 00:03:19–00:03:39.
  22. Vgl. Ebd., TC: 00:04:39–00:05:00.
  23. Vgl. Ebd., TC: 00:01:28–00:01:52, »Many devices, one approach«.
  24. Vgl. Ebd., TC: 00:02:40–00:02:57.
  25. Vgl. Ebd., TC: 00:00:00–00:00:33, »Flexible by default«.
  26. Vgl. Ebd., TC: 00:01:23–00:02:10.
  27. Vgl. Ebd., TC: 00:01:01–00:01:22.
  28. Vgl. Ebd., TC: 00:00:53–00:01:08 und TC: 00:02:45–00:03:20, »Connecting and distributing«.
  29. Vgl. Ebd., TC: 00:04:35–00:05:02.
  30. Vgl. Ebd., TC: 00:02:44–00:03:23, »The next web«.
  31. Vgl. Ebd., TC: 00:00:02–00:00:13, »Growing standards«.

Meinungsfreiheit, Algorithmen und Fake News

Anlässlich zum 28. Jahrestag des World Wide Webs erscheint ein Brief von Tim Berners-Lee auf der Webseite der Web Foundation mit dem ich mich kurz auseinandergesetzt habe. In den vergangenen 12 Monaten beobachtet er drei kritische Trends, welche es anzupacken gilt, damit sich Web als Werkzeug für die gesamte Menschheit entfalten kann.

Neben dem Verlust über die Kontrolle unserer Daten, sieht er die Möglichkeit falsche Informationen im Netz zu verbreiten und die Undurchschaubarkeit und das Unverständnis über politische Werbung im Web als kritische Punkte.

Anlässlich des 28. Jahrestags des World Wide Webs erscheint ein Brief von Tim Berners-Lee auf der Webseite der World Wide Web Foundation, mit dem ich mich kurz auseinandergesetzt habe.

Seine ursprüngliche Vorstellung, dass das World Wide Web eine offene Plattform ist, die es jedem ermöglicht von überall Informationen auszutauschen oder über geografische und kulturelle Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten, hat sich seiner Auffassung nach in vielerlei Hinsicht verwirklicht. In den vergangenen 12 Monaten beobachtet er jedoch drei kritische Trends, welche es anzupacken gilt, damit sich das Web als Werkzeug für die gesamte Menschheit entfalten kann.1

Neben dem Verlust über die Kontrolle unserer Daten, sieht er die Möglichkeit falsche Informationen im Netz zu verbreiten und die Undurchschaubarkeit und das Unverständnis über politische Werbung im Web als kritische Punkte.

Die Herausgabe unserer Daten gegen kostenlosen Content ist bereits ein viel diskutiertes Thema. Der Begründer des Webs sieht die Problematik zum einen darin, dass die Daten in Nirgendwo verschwinden und für uns unsichtbar sind. Zum anderen hätten wir Vorteile, wenn wir selbst darüber entscheiden könnten, wann und mit wem sie geteilt werden.2
Als weiteren Kritikpunkt sieht er, dass Regierungen Unternehmen nötigen, um jeden unserer Schritte verfolgen zu können und entwickeln Gesetze, die unser Recht auf Privatsphäre verletzen.3
In meinem Beitrag »Cyberspace als neue Heimat des Geistes« bezweifele ich bereits John Perry Barlows Vorstellung, dass wir unsere Meinung frei äußern können ohne in Schweigen oder Konformität gezwungen zu werden. In einigen Ländern ist die freie Meinungsäußerung nach wie vor sehr gefährlich und selbst in einem vermeintlich liberalen Land wie Deutschland gibt es gehäuft Diskussionen über Meinungsfreiheit und Zensur im Netz. Die nicht vorhandene Konformität sehe ich vor allem durch den entstehenden gesellschaftlichen Druck, wenn Inhalte weit gestreut werden können.
Berners-Lee empfindet vor allem die Tatsache, dass Bürger beobachtet werden als sehr abschreckend auf die freie Meinungsäußerung. Das verhindert, dass das Internet als freier Raum genutzt wird, um wichtige sensible Gesundheitsprobleme, Sexualität oder Religion zu erkunden.4 Dass das World Wide Web nicht frei als Informationsquelle genutzt werden kann bzw. nur mit der Sorge im Hinterkopf, dass jeder Schritt gespeichert wird, verletzt den Ursprungsgedanken des Webs, welches als freier Informationsraum konzipiert wurde.

Der zweite Punkt, den Tim Berners-Lee anspricht, steht aus meiner Sicht dem dritten Punkt sehr nah.
Basierend auf immer besseren Algorithmen werden uns auf Social-Media-Seiten und Suchmaschinen Seiten angezeigt, die uns höchstwahrscheinlich gefallen werden. Pro Klick verdienen die Unternehmen Geld und generell können sich dadurch auch Fake News wie ein Lauffeuer verbreiten. Durch den Einsatz von Data Science oder Bots kann dieses System perfektioniert und mit schlechten Absichten ausgenutzt werden.5
Während ich Nachrichten im Social Media außen vor lasse, möchte ich auf die Schwierigkeit eingehen, welche sich aus meiner Sicht bei Suchmaschinen ergibt. Unabhängig davon welche Suchmaschine man nutzt – primär wird Google wohl die Maschine der Wahl sein –, steckt ein gewinnorientiertes Unternehmen dahinter. Dass die Alphabet Inc. mit ihren Angeboten Geld verdienen möchte, sehe ich generell als nicht allzu problematisch an und daher kann man die Schaltung von Anzeigen bei Google oder die Bevorzugung einzelner Webseiten nicht ankreiden. Nichtsdestotrotz sehe ich das Unternehmen nicht nur in Bezug auf die Speicherung von Daten als kritisch an. Auch die Ausbreitung ihrer Angebote in sämtliche Lebensbereiche finde ich bedenklich, da dadurch sehr viele verschiedene Daten an einer Stelle gespeichert werden und ein ganzheitliches Bild der Menschen abzeichnet. Doch das Hauptproblem liegt nicht darin, dass Alphabet Geld verdienen möchte und das mit einer stetigen Verbesserung ihrer Algorithmen und Angebote auch schafft. Das Problem liegt meiner Ansicht nach in der aktuellen Alternativlosigkeit. Keine Karte zeigt besser den Stau und Alternativrouten an, als Google Maps und wer bietet umsonst eine Suchmaschine an, die bestrebt ist immer bessere Ergebnisse zu liefern? Welche Alternative gäbe es, alle Webinhalte in einer Suchmaschine zu durchforsten, ohne dass irgendjemand am Ende der Leitung Profit daraus schlägt? Sei es finanzieller Natur oder ein staatliches Interesse. Ich spreche mich nicht dafür aus, dass das Alphabet-Universum weiter wachsen soll, indem man sich zurücklehnt und das Ganze akzeptiert. Sämtliche Versuche meinerseits andere Suchmaschinen, Karten oder Kalender zu nutzen scheiterten jedoch mangels guter Alternativen.

Der letzte kritische Trend, den Berners-Lee in seinem Brief aufgreift, setzt sich mit der politischen Werbung im World Wide Web auseinander. Allein bei den US-Wahlen 2016 sind 50.000 verschiedene Anzeigen auf Facebook aufgetaucht. Berners-Lee nennt den Fakt, dass die meisten Menschen Informationen von nur wenigen Plattformen nutzen und die politischen Kampagnen auf Grundlage der persönlichen Daten individualisiert werden können. Neben tatsächlicher Information können auch Fake News so einfach verbreitet werden, dass unterschiedliche Personen jeweils unterschiedliche Aussagen vorfinden.6
Die Verbreitung von Fake News war rundum die US-Wahl ein brisantes Thema und Trump selbst nennt bis dahin als seriös geltende Medienunternehmen Fake Media. Meinem Empfinden nach nutzen Amerikaner soziale Netzwerke noch exzessiver als wir es in Deutschland tun, was die Netzwerke für das Verbreiten von Fake News absolut beliebt macht. Und wenn man den ganzen Tag von Fake News liest, wer weiß schon, was am Schluss wirklich Fake News sind? Wenn ich von zehn unterschiedlichen – bis dahin unbekannten – Nachrichtenunternehmen jeweils dieselbe Nachricht angezeigt bekomme: Glaube ich es irgendwann oder bin ich tatsächlich resistent? Was erstmal wie ein schlechter Witz klingt, kann aus der Ferne aber leider nicht wirklich nachvollzogen oder bewertet werden.

Tim Berners-Lee sieht die Probleme als sehr komplex an und weiß, dass die Lösung nicht einfach sein wird. Erste Ansätze sieht er darin mit den Web-Unternehmen zusammenzuarbeiten, damit ein faires Maß an Datenkontrolle entstehen kann. Zudem sieht er den Kampf gegen die Überwachungsgesetze der Regierung als sehr wichtig. Weiter muss gegen Fehlinformationen vorgegangen werden, in dem »Pförtner« wie Google und Facebook ermutigt werden, sich weiter für die Bekämpfung des Problems einzusetzen, um die Bildung zentraler Organe, die darüber entscheiden was wahr und was falsch ist zu vermeiden. Die Transparenz der Algorithmen ist außerdem essenziell, um zu verstehen wie wichtige Entscheidungen, die unser Leben beeinflussen, gemacht werden.7

Alles in allem sehe ich die kritische Entwicklung ähnlich und das spiegelt auch die Themen wider, über die häufig in den Medien berichtet wird. Beruhigend ist, dass durch den Brief zumindest das Gefühl entsteht, dass dort Leute an einer wichtigen Stelle sitzen, die sich um die Lösung solcher Probleme bemühen. Als einzelner ist das ohne Boykott nur schwierig und nach sämtlichen Datenskandalen hält der Aufschrei ohnehin nur für kurze Zeit an. Bis zum nächsten.

Quellen
  1. Vgl. Berners-Lee, Tim, World Wide Web Foundation: »Three challenges for the web, according to its inventor«, Stand: 12.3.2017, URL: https://webfoundation.org/2017/03/web-turns-28-letter/, Absatz 1, abgerufen am 28.4.2017.
  2. Vgl. Ebd., Absatz 3.
  3. Vgl. Ebd.
  4. Vgl. Ebd., Absatz 4.
  5. Vgl. Ebd., Absatz 3.
  6. Vgl. Ebd., Absatz 5.
  7. Vgl. Ebd., Absatz 6.

Die Master-Arbeit: Fokussierung

Zu Beginn meines Master-Studiums habe ich mich unter anderem mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern sich das Web auf gestalterischer und kultureller Ebene verändert hat. Nachdem ich nun lange Zeit breit recherchiert und mich auch mit völlig anderen Bereichen auseinandergesetzt habe, möchte ich mich nun wieder fokussieren und mein Thema eingrenzen.

Zu Beginn meines Master-Studiums habe ich mich unter anderem mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern sich das Web auf gestalterischer und kultureller Ebene verändert hat. Nachdem ich nun lange Zeit breit recherchiert und mich auch mit völlig anderen Bereichen auseinandergesetzt habe, möchte ich mich nun wieder fokussieren und mein Thema eingrenzen.

Vor kurzem habe ich begonnen mich inhaltlich und grafisch näher mit der Entwicklung des Webs von Beginn an auseinanderzusetzen (Evolution der Webästhetik »). Diesen Weg möchte ich weitergehen und einen visuellen Weg finden, meine Ergebnisse zu präsentieren. Dabei kann ich mir zum einen eine Ausstellung, zum anderen eine interaktive Ausstellung oder Weberzählung vorstellen.

Ein erster praktischer Ansatz ist die Sammlung diverser UI-Elemente, welche ich katalogisiert darstellen möchte. Ich stelle mir vor, dass so die Entwicklung visuell greifbarer wird. Zudem habe ich bereits erste Gestaltungsmuster erkannt, welche den kulturellen Weg sowie das veränderte, allgemeine Verständnis des Webs deutlich zeigen. Weitere Gedanken und Ideen – sowohl in Bezug auf Theorie als auch Praxis – möchte ich noch reifen lassen und für mich selbst prüfen.

Im Galopp zur nächsten Information

Auf Basis der »Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace« möchte ich einen weiteren Einblick über John Perry Barlow erhalten. Dabei bin ich auf den Podcast TWiT.tv von Leo Laporte aus dem Jahr 2010 gestoßen. Gemeinsam mit Tom Merritt spricht er in »TWiT Live Specials 43: Live With John Perry Barlow« mit dem Bürgerrechtler und Songtexter John Perry Barlow über die »Electronic Frontier Foundation«, die Freiheit im Internet sowie die Unabhängigkeitserklärung selbst. Leider wird letzteres eher angeschnitten als wirklich besprochen, so dass ich aus dem Podcast keinen wirklichen Benefit für meine Arbeit ziehen kann. Nichtsdestotrotz äußert Barlow interessante Gedanken, welche ich kurz dokumentieren möchte.

Nach der Behandlung der »Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace« möchte ich einen weiteren Einblick über John Perry Barlow erhalten. Dabei bin ich auf den Podcast TWiT.tv von Leo Laporte aus dem Jahr 2010 gestoßen. Gemeinsam mit Tom Merritt spricht er in »TWiT Live Specials 43: Live With John Perry Barlow« mit dem Bürgerrechtler und Songtexter John Perry Barlow über die Electronic Frontier Foundation, die Freiheit im Internet sowie die Unabhängigkeitserklärung selbst. Leider wird letzteres eher angeschnitten als wirklich besprochen, so dass ich aus dem Podcast keinen wirklichen Benefit für meine Arbeit ziehen kann. Nichtsdestotrotz äußert Barlow interessante Gedanken, welche ich kurz dokumentieren möchte.

In Bezug auf die Unabhängigkeitserklärung und Regierung verfestigt er seine Meinung, dass man zu einem großen Schöpfer der Umgebung wird, in der man selbst geformt wird. Seinem Empfinden nach, sind die meisten innerhalb der Regierung unter anderen Umständen geformt worden als die Leute, die die meiste Zeit virtuell verbringen.1

Weiter merkt er an, dass es durch z. B. Wikipedia möglich geworden ist, dass man für die meisten Dinge, für die es eine Wahrheit gibt, auch eine Wahrheit kennen kann. Nach ihm ist die Voraussetzung, wie wir Wahrheit und Realität verstehen, Dinge einer maximalen Wahrnehmung auszusetzen und dann einen gemeinsamen Konsens zu finden. Speziell bei Wikipedia muss er daher keinen Zweifel daran haben, dass eine Antwort nicht stimmt. Was er nicht berücksichtigt hatte ist, dass viele Leute die Wahrheit nicht kennen wollen oder sogar glücklich sind vorsätzlich falsche Informationen zu streuen, weil es ihnen hilft.2
Zudem ist er überzeugt davon, dass wir besser darin werden, schlechte und gute Informationen unterscheiden zu können. Momentan (2010) sieht er uns noch als kulturelles Äquivalent eines 13 1/2-jährigen.3

Twitter hält er nicht für ein nützliches, revolutionäres Tool, da eine Revolution eine Ausdauer von Absichten, Verbindungen und konzeptioneller Integrität benötigt. Das setzt voraus, dass man eine große Aufmerksamkeitsspanne hat, welche es in Twitter so nicht gibt.4 Das Internet spielte laut ihm dennoch eine fundamentale Rolle dabei, dass Obama gewählt wurde. Seine Administration hätte es aber nicht auf eine nützliche Art und Weise genutzt, weil noch keiner weiß, wie das geht. Wir wären noch am Beginn und müssen das alles noch herausfinden.5 Aus heutiger Sicht kann man sich spätestens seit der Wahl Trumps sicher sein, dass hier schon einiges hinzugelernt wurde.

Dennoch glaubt er an eine Umgebung, in der jeder etwas sagen möchte, auch etwas sagen kann. Und jeder, der zuhören möchte, auch zuhören kann. Darin hat sich seine Vision vom Internet in den letzten 25 Jahren nicht geändert und die Leute können selbst aussortieren, was sie hören wollen und was nicht.6

Gegen Ende des Gesprächs erzählt Barlow von seiner Mutter, welche damit startete, dass die schnellste Möglichkeit an Informationen zu kommen die war, ein Pferd im Galopp zu reiten. Es endete damit, dass sie die ganze Zeit E-Mails schrieb. Daran kann man die tiefgreifende Transformation in der Informationstechnologie erkennen und wenn sie nun Geschichten erzählte, war die Technologie unsichtbar. Da es um das Gespräch ging und nicht um das Telefon.7

Abschließend ist es schade, dass kaum weitere Gedanken im Bezug auf die Unabhängigkeitserklärung zu hören waren. Nichtsdestoweniger war es ein spannender Podcast, da ich Barlow zum ersten Mal sprechen sehen habe und es großartig ist, was für weise Aussagen er mit seiner jahrelangen Erfahrung und dem vielen Wissen über das Web trifft.

Quellen
  1. Vgl. Barlow, John Perry, TWiT Netcast Network: »TWiT Live Specials 43: Live With John Perry Barlow«, Stand: 21.10.2010, URL: https://www.youtube.com/watch?v=c2U-6tHE3Wg, TC: 00:05:40–00:06:06, abgerufen am 17.4.2017.
  2. Vgl. Ebd., TC: 00:07:55–00:09:00.
  3. Vgl. Ebd., TC: 00:13:05–00:13:22.
  4. Vgl. Ebd., TC: 00:14:18–00:14:50.
  5. Vgl. Ebd., TC: 00:18:22–00:18:40.
  6. Vgl. Ebd., TC: 00:41:30–00:41:55.
  7. Vgl. Ebd., TC: 00:42:40–00:43:20.

Cyberspace als neue Heimat des Geistes

Am 8.2.1996 veröffentlicht John Perry Barlow die »Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace« (A Declaration of the Independence of Cyberspace) als Reaktion auf den »Telecomunications Act of 1996« in den USA. Seine ideelle Vorstellung stellt noch heute eine utopische Welt dar, welche nichtsdestotrotz wünschenswert wäre.

Am 8.2.1996 veröffentlicht John Perry Barlow die »Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace« (A Declaration of the Independence of Cyberspace ») als Reaktion auf den »Telecomunications Act of 1996« in den USA.

Unabhängig davon, dass dieses Gesetz in seinen Inhalten massiv kritisiert wurde, geht es Barlow meinem Verständnis nach generell um die Nichteinmischung des Staats in den »Cyberspace«. Diese Nichteinmischung bzw. unrechtmäßige Kontrolle spielte in meinem Beitrag »Die Verformung der Gesellschaft« eine Rolle, weshalb die Unabhängigkeitserklärung interessant für meine inhaltliche Recherche ist.

Cyberspace als neue Heimat des Geistes

In seiner Erklärung richtet er sich gezielt an die Regierungen der industriellen Welt und grenzt sich gleichzeitig von ihnen ab. Er kommt aus dem Cyberspace, der neuen Heimat des Geistes.1 Er betont, dass es dort keine gewählte Regierung gibt und fordert, dass der globale soziale Raum frei bleiben muss. Die Regierung habe nicht das moralische Recht, die Menschen in diesem Raum zu beherrschen.2

Regierung unerwünscht

Weiter klärt er, dass die Regierung weder »uns« noch »unsere« Welt im Cyberspace kennt und dieser nicht innerhalb ihrer Grenzen liegt.3 Diesen Punkt halte ich für sehr wichtig, da ich es für sehr fragwürdig halte, einen Bereich kontrollieren und beherrschen zu wollen, den man nicht kennt und dessen Beschaffenheit sich grundsätzlich von der bekannten Welt unterscheidet.4 Doch, auch wenn das Web im Jahr 1996 vielen fremd war und auch noch heute in seiner kompletten Daseinsform undurchsichtig und unüberschaubar ist, verstehe ich das grundsätzliche Interesse der Regierung keinen rechtsfreien Raum entstehen zu lassen. Vor allem heutzutage, wenn sich die Welt im Web mit der außerhalb verbindet und zu einer Welt verschmilzt.
Hier spricht mich der Ansatz Barlows an, dass es sich grundsätzlich nicht um einen rechtsfreien Bereich handeln soll. Doch die Frage wie sich das World Wide Web in seinen Regeln und Gesetzen selbst und durch die Menschen in ihm regulieren soll, halte ich für sehr schwierig. Immerhin ist das Problem bis heute nicht gänzlich gelöst.

Barlow stellt klar, dass es sich beim Web nicht um ein öffentliches Bauprojekt handelt, sondern dass es durch kollektives Handeln wächst.5
Diese »autonom« entstandene Welt, ist nur durch Aktivitäten der Cyberspace-Bewohner gewachsen.
Die Regierung hat »weder an großartigen und sich häufenden Gesprächen teilgenommen, noch den Reichtum der Marktplätze im Web aufgebaut. Sie kennt weder die Kultur, Ethik oder ungeschriebene Codes, die diese Gesellschaft bereits ordnet«6.
Er wirft der Regierung vor, dass sie dem Cyberspace nicht vorhandene Probleme nachsagt, um legitimiert handeln zu können. Aus seiner Sicht gibt es viele Probleme jedoch nicht und er weist erneut darauf hin, dass sie selbst richten werden und ein eigener Gesellschaftsvertrag entstehen wird.7

Die Gedanken sind frei

Er beschreibt den Cyberspace als Raum, der aus »Transaktionen, Beziehungen und Gedanken besteht, die wie eine stehende Welle im Netz unserer Kommunikation angeordnet sind«8. Er solle von jedem betreten werden können, »ohne Privilegien oder Vorurteile durch Rasse, wirtschaftliche Macht, militärische Stärke oder Geburtsort«9. Es soll ein Raum entstehen, in dem jeder seine »Überzeugungen ausdrücken kann, ohne Angst davor zu haben, in Schweigen oder Konformität gezwungen zu werden«10.
Diese beiden Absätze finde ich in zweierlei Hinsicht fragwürdig und schwierig. Der Geburtsort ist sehr wohl ausschlaggebend, da das World Wide Web bis heute noch nicht flächendeckend verbreitet ist. Die nötige Infrastruktur fehlt vielerorts, so dass die dort lebenden Menschen nicht an dieser offenen Welt teilnehmen können.
Zum anderen wird der Teil der Gesellschaft, der offenen Zugang besitzt, sehr wohl in eine Konformität gedrängt. Soziale Netzwerke waren zu Zeiten Barlows noch nicht in der heutigen Form vorhanden, doch im Grundgedanken sicher schon als Vorstellung präsent. Auch damals gab es schon Newsgruppen, in denen ein Austausch möglich war.
Zwar kann die eigene Meinung aus technischer Sicht veröffentlicht werden. Aus sozialer Sicht besteht jedoch der Druck gesellschaftstaugliches zu äußern und seine persönliche Selbstvermarktung voranzutreiben. Auf der Suche nach Likes wird eventuell nur das gepostet, was die meisten Daumen verspricht und alles fragwürdige besser nicht geschrieben. Extreme Meinungen werden in kleinen und großen Shitstorms abgestraft. Das kann natürlich nicht pauschal behauptet werden, mein Eindruck ist aber, dass weitestgehend sehr gut überlegt wird, was geschrieben und welches Bild gepostet wird. Auch ohne World Wide Web wird man nicht überall und jedem seine Meinung aufdrücken, doch durch den vergrößerten Rezipientenradius im Web, können eigene Aussagen sehr weitreichende Auswirkungen haben. Luciano Floridi (Erkenntnisse und Eindrücke: Luciano Floridis Buch »Die 4. Revolution« ») geht noch einen Schritt weiter und spricht davon, dass unser soziales Selbst durch Soziale Medien geformt wird und unsere Identität beeinflusst.

Bit – Bit – Bit

John Perry Barlow hebt in seiner Erklärung weiter hervor, dass die rechtlichen Begriffe für Eigentum, Ausdruck, Identität, Bewegung und Kontext nicht für den Cyberspace gelten, da sie auf Materie basieren.11 Auch die Identität hat keinen Körper, weshalb keine physische Ordnung möglich ist. Die Ordnung, die bestenfalls im World Wide Web entsteht, basiert auf der Goldenen Regel.12
Er wirft der Regierung vor mit dem »Telecommunications Reform Act« die eigene Verfassung zurückzuweisen und die Träume von Jefferson, Washington und Co. zu beleidigen.13 Die Regierung hätte Angst vor den eigenen Kindern, die als Ureinwohner in dieser Welt leben, in denen sie selbst immer Einwanderer bleiben werden. In dieser Welt ist alles gleichgeschaltet: Empfindungen, Ausdrucksformen, alles ist ein nahtloses Ganzes, das aus der globalen Konversation von Bits besteht. Metaphorisch drückt er so aus, dass sie die Luft, die sie erstickt nicht von der Luft trennen können, auf der dessen Flügel schlagen.14 Er hält einigen Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und die USA, vor, den Virus der Freiheit bekämpfen zu wollen, ist sich aber sicher, dass das in einer Welt voller Bits nicht funktionieren wird.15

Unerschöpflicher Rohstoff

Für einen sehr wichtigen Punkt halte ich, dass er sich dagegen erhebt, dass Ideen gleichermaßen wie andere Industrieprodukte wie z. B. Roheisen gehandelt werden. Aus seiner Sicht könne im Cyberspace all das, was der menschliche Geist erschaffen hat, kostenlos und unbegrenzt reproduziert und ohne Kosten verteilt werden. Dafür würde es keine Fabriken mehr benötigen.16
Das halte ich dahingehend für sehr wichtig, dass heutzutage auf Basis einer guten Idee ganze Leben verändert werden können. Zwar waren auch schon vor dem World Wide Web Erfindertum und Ideenreichtum ungemein wichtig. Doch heute hat jeder mit Zugang zum Web die Möglichkeit, seine Ideen weit zu verbreiten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Rohstoffen ist der Geist zudem unerschöpflich.

Diese Unerschöpflichkeit und Grenzenlosigkeit sieht Barlow im Cyberspace. Unabhängig davon, dass die materiellen Körper regiert werden, möchte er die Souveränität des Geistes aufrechterhalten. Der Geist, der sich frei macht von der physischen Welt und sich über den ganzen Planeten verbreitet, so dass die Gedanken nicht eingefangen werden können.17 Er wünscht sich einen Raum, welcher humaner und fairer ist, als die Welt, welche die Regierungen vorher geschaffen haben.18

Grenzenlose Utopie

Die »Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace« halte ich für einen sehr wichtigen Abschnitt innerhalb meiner Recherche. Sie zeigt sehr deutlich, welche Euphorie über das World Wide Web im Jahr 1996 vorherrschte und wie groß der Wunsch danach war, eine geistige Plattform zu haben, welche alle physischen Grenzen durchbricht. Ein Raum, der sich unaufhaltsam verbreitet und jedem die Möglichkeit geben soll, sich frei zu entfalten. Ein neues Medium, in dem bestenfalls alle Menschen gleichgeschaltet und verbunden sind. Frei von staatlicher Kontrolle als ideelles Paralleluniversum.
Aus heutiger Sicht treffen die Vorstellungen nur zum Teil zu und schränken sich wiederum durch technische Möglichkeiten ein. Zwar ist es technisch möglich Ideen zu verbreiten, gleichzeitig gibt es Mittel, Inhalte zu zensieren. Das fängt bei großen Staaten an, die komplette Plattformen wie Facebook sperren und geht im kleinen weiter, wenn einzelne Inhalte blockiert werden. Noch immer findet man bei Staaten, die die Kontrolle nach wie vor übernehmen wollen, unzählige Fragezeichen in Bezug auf diverse Themen. Selbst in Deutschland, wo man grundsätzlich sehr liberal lebt, stellt sich nach Hass-Tiraden im Netz die Frage nach Meinungsfreiheit und Zensur.

Noch immer hängt das World Wide Web zu sehr an nationalen Grenzen, welche den tatsächlichen geistigen Fluss aufhalten. Meiner Empfindung nach entsteht genau hier das Hauptproblem: Während das World Wide Web sämtliche Schranken durchbricht, sind die nationalen Grenzen nach wie vor in Stein gemeißelt. Unabhängig davon, ob es nun um Steuern oder geltende AGBs geht – die Zuständigkeiten sind unklar, die Grauzonen werden genutzt und Angebote werden in den Markt gespült, um anschließend zäh und langwierig bekämpft zu werden. Daher ist meine Theorie, dass solche Probleme erst bekämpft werden können, wenn das World Wide Web sein Pendant in der realen Welt findet: Ein grenzenloser Planet mit Gesetzen, die überall gleichermaßen gelten – mit Menschen, deren Meinung überall gleichermaßen akzeptiert wird. Eine Welt außerhalb des Cyperspace, die der ideellen Vorstellung von John Perry Barlow gleichkommen mag. Eine grenzenlose Utopie über dessen Kontrolle dann noch immer gestritten werden würde.

Quellen
  1. Vgl. Barlow, John Perry: »A Declaration of the Independence of Cyberspace«, Stand: 8.2.1996, URL: https://www.eff.org/cyberspace-independence, Absatz 1, abgerufen am 13.4.2017.
  2. Vgl. Ebd., Absatz 2.
  3. Vgl. Ebd., Absatz 3.
  4. Vgl. Ebd.
  5. Vgl. Ebd.
  6. Ebd., Absatz 4.
  7. Vgl. Ebd., Absatz 5.
  8. Ebd., Absatz 6.
  9. Ebd., Absatz 7.
  10. Ebd., Absatz 8.
  11. Vgl. Ebd., Absatz 9.
  12. Vgl. Ebd., Absatz 10.
  13. Vgl. Ebd., Absatz 11.
  14. Vgl. Ebd., Absatz 12.
  15. Vgl. Ebd., Absatz 13.
  16. Vgl. Ebd., Absatz 14.
  17. Vgl. Ebd., Absatz 15.
  18. Vgl. Ebd., Absatz 16.
Abbildungen
  1. Titelbild: ESO/IDA/Danish 1.5 m/Gendler, R.; Ovaldsen, J-E.; Thöne, C.; Feron, C.: »Carina Nebula«, Stand: 3.12.2009, via Wikimedia Commons, abgerufen am 13.4.2017, Lizenz: CC BY-SA 4.0.

Verfassung für das digitale Zeitalter

Anlässlich des 800. Geburtstags der Magna Carta, haben 3.000 Jugendliche aus der ganzen Welt Klauseln erarbeitet, welche aus ihrer Sicht für eine Verfassung des digitalen Zeitalters wichtig sind. The British Library stellt die zehn wichtigsten Bedingungen vor, welche bei einer Abstimmung durch über 30.000 Stimmen aus letztendlich 500 Klauseln gewählt wurde.

Anlässlich des 800. Geburtstags der Magna Carta, haben 3.000 Jugendliche aus der ganzen Welt Klauseln erarbeitet, welche aus ihrer Sicht für eine Verfassung des digitalen Zeitalters wichtig sind. Wie ich in meinem vorherigen Beitrag »Digitale Magna Carta« angekündigt habe, wollte ich mich auf die Suche nach den Ergebnisse machen und sie für meine Arbeit dokumentieren.

The British Library stellt die zehn wichtigsten Bedingungen vor, welche bei einer Abstimmung durch über 30.000 Stimmen aus letztendlich 500 Klauseln gewählt wurde.1

Web We Want

Web We Want ist ein globaler Zusammenschluss aus Einzelpersonen und Gruppen, die sich für die Erhaltung des offenen Webs einsetzen dessen Feinde unter anderem Zensur und Überwachung sind. Mit dem Hintergrund des Zusammenschlusses wird die digitale Verfassung – gefolgt von den Klauseln – mit »The Web We Want Will …« eingeleitet.

Die zehn wichtigsten Klauseln

  1. Unternehmen dürfen das Web nicht kontrollieren und Regierungen nicht unser Recht auf Informationen beschränken.
  2. Es muss Redefreiheit vorherrschen.
  3. Das Web muss in allen Ländern frei von staatlichen Zensoren sein.
  4. Es darf keine Form von staatlicher Zensur zugelassen werden.
  5. Jeder, der sich Zugriff auf das Web wünscht, soll es auch nutzen können.
  6. Es muss frei von Zensur und Massenüberwachung sein.
  7. Der gleichberechtigte Zugang zu Wissen, Informationen und aktuellen News aus der Welt muss gesichert sein.
  8. Die Freiheit zu Sprechen muss gewährleistet sein.
  9. Es darf nicht durch die Regierung zensiert werden.
  10. Persönliche Informationen und Vorlieben, sollten nicht für Geld verkauft werden dürfen. Falls das doch geschieht, muss es das Unternehmen/die Website transparent kommunizieren.

Resümee

Leider tauchen Bedingungen mehrfach auf, was sicher daran liegt, dass aus 500 Einsendungen gewählt wurde. Da 3.000 Jugendliche Vorschläge eingesendet haben, müsste bereits eine Vorauswahl getroffen worden sein. Ich hätte es vorgezogen, dass hier noch präziser ausgewählt worden wäre. Somit hätte vermieden werden können, dass ganze vier Regeln von Zensur handeln, während dadurch sicher andere wichtige Inhalte verloren gingen. Vorausgesetzt, dass die doppelten Inhalte durch andere ersetzt werden, hört sich die digitale Verfassung für mich aber zunächst vernünftig an.

Quellen
  1. Vgl. The British Library: »Magna Carta for the digital age 2015«, URL: https://www.bl.uk/my-digital-rights/magna-carta-2015/, abgerufen am 4.4.2017.

Digitale Magna Carta

Durch meine bisherige Recherche bin ich auf den Artikel »An online Magna Carta: Berners-Lee calls for bill of rights for web« im The Guardian aufmerksam geworden.
Eine Online Magna Carta hält Tim Berners-Lees für notwendig, um die Unabhängigkeit des Mediums sowie der Nutzer weltweit zu schützen und zu verfestigen. Die digitale Verfassung könnte dabei von den Menschen selbst erarbeitet werden.

Durch meine bisherige Recherche bin ich auf den Artikel »An online Magna Carta: Berners-Lee calls for bill of rights for web« im The Guardian aufmerksam geworden.
Eine digitale Verfassung hält Tim Berners-Lees für notwendig, um die Unabhängigkeit des Mediums sowie der Nutzer weltweit zu schützen und zu verfestigen.1 Die digitale Verfassung könnte dabei von den Menschen selbst erarbeitet werden.2

Im begleitenden Video, weist er nachdrücklich darauf hin, dass wir nun nach 25 Jahren World Wide Web über das nächste viertel Jahrhundert nachdenken müssen. Dafür müssen wir unter anderem dafür Sorgen, dass sich die Grundsätze auf dem das Web basiert, etablieren. Darunter fallen Themen wie das Web als offenes Medium oder die Privatsphäre. Für die Demokratie ist außerdem die Frage wichtig, wie man seine Stimme erheben und seine Werte vor der Regierung vertreten kann, wenn man keinen Internetzugang hat.3

Berners-Lee ist weiter der Auffassung, dass wir keine offene Regierung, keine gute Demokratie, kein gutes Gesundheitssystem, keine vernetzten Gemeinschaften und keine kulturelle Vielfalt haben können, bevor wir kein offenes Web besitzen, bei dem wir uns keine Sorgen mehr darüber machen müssen, was an der Hintertür passiert.4 Anwälte und Politiker müssten das Programmieren verstehen, um tatsächlich zu verstehen, was mit Computern alles gemacht werden kann.5

Zudem ist er überzeugt davon, dass der Vorschlag für die Web-Verfassung auch die Auswirkungen von Urheberrechtsgesetzen und kulturell-gesellschaftlichen Themen rund um die Ethik der Technologie untersuchen sollte.6

In meinem Beitrag »Die Verformung der Gesellschaft« habe ich mich schon ansatzweise mit der Problematik auseinandergesetzt, dass das grenzenlose Web den nationalen Grenzen und Gesetzen gegenübersteht. Eine globale Verfassung könnte das Problem lösen. Bisher konnte ich mir jedoch nicht vorstellen, wie diese utopische Vorstellung aussehen könnte.
Laut Berners-Lee sei das wichtigste, dass die Leute für das Web kämpfen und begreifen, was für einen Schaden es hätte, wenn das Web zerstückelt werden würde. Nationale Gesetze bräuchten wir zwar nach wie vor, jedoch dürfen wir das Netz nicht in nationale Silos zerteilen.7
Dieser Ansatz hilft mir dabei, eine Vorstellung davon zu bekommen, wie das Problem lösbar wäre. Ich kann mir eine digitale Verfassung vorstellen, die ähnlich wie das Web selbst, als breites Netz über den nach wie vor vorherrschenden nationalen Gesetzen liegt.

Über eine weitere Suche, hab ich bereits erste Ergebnisse gefunden. Anlässlich zum 800. Geburtstag der Magna Carta, haben junge Menschen im Jahr 2015 bereits gemeinsam eine digitale Magna Carta erarbeitet. Die Öffentlichkeit konnte über die Regeln abstimmen, welche ich in einem weiteren Beitrag bearbeiten werde.

Quellen
  1. Vgl. Kiss, Jemima: »An online Magna Carta: Berners-Lee calls for bill of rights for web«, Stand: 12.3.2014, URL: https://www.theguardian.com/technology/2014/mar/12/online-magna-carta-berners-lee-web, Absatz 3, abgerufen am 27.3.2017.
  2. Vgl. Ebd., Absatz 4.
  3. Vgl. Ebd., Begleitendes Video, TC: 00:0044–00:01:14.
  4. Vgl. Ebd., Absatz 5.
  5. Vgl. Ebd., Absatz 13.
  6. Vgl. Ebd., Absatz 9.
  7. Vgl. Ebd., Absatz 18.

Die Verformung der Gesellschaft

In einem weiteren Beitrag über das Buch »Weaving the Web: The Original Design and Ultimate Destiny of the World« von Tim Berners möchte ich mich mit der gesellschaftlichen Bedeutung des World Wide Webs befassen. Dabei geht es mir momentan nicht darum, einen Einblick in sämtliche Einzelheiten zu geben, sondern grobe Eckpfeiler für meine weitere Recherche zu definieren. Die Recherche bezieht sich dabei vor allem auf die Jahre zwischen den Anfängen und der geplatzten Dotcom-Blase im Jahr 2000.

In einem weiteren Beitrag über das Buch »Weaving the Web: The Original Design and Ultimate Destiny of the World« von Tim Berners-Lee möchte ich mich mit der gesellschaftlichen Bedeutung des World Wide Webs befassen. Dabei geht es mir momentan nicht darum, einen Einblick in sämtliche Einzelheiten zu geben, sondern grobe Eckpfeiler für meine weitere Recherche zu definieren. Die Recherche bezieht sich dabei vor allem auf die Jahre zwischen den Anfängen und der geplatzten Dotcom-Blase im Jahr 2000.

Die Veröffentlichung des WorldWideWeb

Das »WorldWideWeb«-Programm (Browser) wurde im März 1991 erstmals innerhalb CERNs veröffentlicht, wobei nur Personen mit NeXT Computern Zugang hatten.1 Ursprünglich war das Web nicht für den privaten Gebrauch oder für Einzelunternehmen entwickelt. Während es zunächst für ein besseres Informationsmanagement innerhalb CERNs nützlich sein sollte, machten später auch Universitäten, Forscher und große Unternehmen davon Gebrauch.2
Meinem Eindruck nach waren die Anfänge ein regelrechter Kampf darum, die Wichtigkeit des WWW zu vermitteln. Ob schriftliche Ausarbeitungen oder die Präsentation auf einer Konferenz namens Hypertext im Dezember 1991: Durchweg schien sich die Begeisterung in Grenzen zu halten. Zum einen vermute ich, dass das Verständnis für diese Art von Informationsraum noch nicht weit genug ausgeprägt war – auch heute würde es uns schwerfallen, uns auf dem Papier ein Medium vorzustellen, das die nächsten Jahrzehnte maßgeblich verändern und umkrempeln könnte. Vor allem, wenn noch weitere nicht ausgereifte Systeme miteinander konkurrieren. Zum anderen war die Nutzung noch immer sehr beschränkt. Erst im August 1991 veröffentlicht Berners-Lee das WorldWideWeb für NeXT, einen Line-Mode Browser sowie den elementaren Server außerhalb von CERN.3 Selbst die Nutzung dieser Angebote war längst nicht intuitiv und einfach.

Erschwerter Zugang

Das Web verbreitet sich begrenzt in der Hypertext Community, doch obwohl es durch einen Telnet-Zugang grundsätzlich für Millionen von Menschen zugänglich gewesen wäre, hapert es an – aus heutiger Sicht – kleinen Problemen: Es war einfacher sich ab Oktober 1991 über das Telnet-Protokoll in die Kommandozeile eines anderen Computers innerhalb CERNs einzuwählen, als selbst einen Browser zu installieren. Nur langsam verbreitet sich das Web weiter und wird von Menschen rund um den Globus wahrgenommen. Das wichtigste war laut Berners-Lee, dass die Menschen, die das Web sahen und die unbegrenzten Möglichkeiten verstanden, damit begannen Server aufzusetzen und Informationen zu publizieren. Netterweise bekam er zu Beginn noch Nachrichten, wenn ein neuer Server aufgesetzt wurde.4

Cleverness schlägt Vermögen

Eine dringende Notwendigkeit war die Entwicklung eines tauglichen, systemübergreifenden Browsers, der nicht nur das Lesen von Informationen, sondern auch das Editieren zulässt. Ansätze lieferten 1992 die Browser Erwise (April), ViolaWWW (Mai) oder später Samba (Dezember). Letztendlich war kein Browser wirklich vollkommen oder systemunabhängig. Das führte zum Problem, dass den Menschen das Werkzeug fehlte, um wirklich gut zusammenarbeiten zu können. Das Web wurde zunehmend zu einem Medium, welches das Publizieren eher zulässt als eine vernünftige Zusammenarbeit. Das ironische, was Berners-Lee darin sah, war die Tatsache, dass unzählige Intranets entstanden. Solche zusammenzuschließen war jedoch der ursprüngliche Antrieb, welches das Bedürfnis nach einem ganzheitlichen Netz überhaupt entstehen ließ.5 Erst mit der Erscheinung von Browsern, wurden in immer kürzeren Abständen neue Server aufgesetzt. Ein Server über Rom während der Renaissance beeindruckt den Begründer dabei besonders. In Form eines virtuellen Museums inspiriert es viele weitere Webseiten – auch solch’ beeindruckende Veröffentlichungen begünstigten den Aufstieg des Webs.6

Nachdem im Februar 1993 die erste Version des Browsers Mosaic verfügbar war, gründete der Mitentwickler Marc Andreessen zusammen mit Jim Clark Mosaic Communications Corp. (später Netscape).7 Zunächst wird im Oktober 1994 der Browser Mozilla veröffentlicht8 und am 15.12.1994 die kommerzielle Version, die zwischenzeitlich zu Navigator 1.0 umbenannt wurde.

Das Besondere an der Veröffentlichung: Netscape veröffentlicht den Browser frei verfügbar über das Internet anstatt ihn einzutüten und zu verschicken. Zudem sind zwei weitere Ansätze wichtig: Zum einen ist die Veröffentlichung einer Beta-Version – an der hunderte Nutzer unentgeltlich weiterarbeiten und Verbesserungsvorschläge senden können – bis dahin nicht alltäglich. Zum anderen ist das Vermarktungs-Modell neu, etwas frei im Web anzubieten und erst nachträglich, durch z. B. andere Produkte oder Werbung auf der Startseite, Geld zu verdienen. Innerhalb weniger Monate nutzten die meisten Menschen im Web diesen Browser.9 Damit schlägt er zunächst den Internet Explorer, der erst später im August 1995 zusammen mit Windows 95 veröffentlicht wurde.10

Das Web kommt im Privaten an

Immer mehr Menschen nutzen das World Wide Web und schon zu Beginn des Jahres 1994 zeichnete sich ab, dass es zunehmend wahrgenommen wird. Allein von März bis Dezember 1993 stiegen die Webverbindungen innerhalb des Internets von 0,1 auf 2,5 %.11 Auch die Zugriffe auf info.cern.ch verzehnfachten sich in den ersten Jahren. Waren es im Sommer 1991 noch 100 pro Tag, betrug die Zahl der Aufrufe schon 10.000 im Sommer 1993.12 Im Jahr 1994 übersteigt zudem die Zahl der kommerziellen Nutzer die der wissenschaftlichen Nutzer, bei einer gesamten Zahl von rund drei Millionen Internet-Rechnern.13

Umso wichtiger war es nun, das WWW so einfach wie möglich zugänglich zu machen. Tim O’Reilly entwickelte dabei das Produkt »Internet in a Box«, welches den privaten Nutzer dabei unterstützen sollte, zu Hause Zugang zu erhalten. Es wurde jedoch überflüssig, da nun viele Internet-Service-Provider mit auf den Zug sprangen und den Eintritt als Komplettpaket ermöglichten. Dass Software und Service nun kommerzialisiert angeboten wurden, war ein bedeutender Schritt, da viele Menschen kein Interesse an der Nutzung haben würden, wenn sie nicht sicher sein konnten, dass alles Nötige von einem Unternehmen inklusive Support angeboten wird.14

Scheitern nicht ausgeschlossen

Trotz der wachsenden Zahl der Nutzer gab es schon 1993 erste Anzeichen dafür, dass das Web sich in einzelne Fraktionen aufteilt: In kommerzielle und akademische, freie und kostenpflichtige. Das würde Tim Berners-Lee ursprünglichem Ansatz widersprechen, ein universell zugängliches Hypertext-Medium für den Informationsaustausch zu sein.15 Auch 1994 hätte das Web laut ihm noch immer verschwinden oder von einem anderen System ersetzt werden können, noch immer hätte es zersplittert oder sein Wesen so sehr verändern können, dass es nicht mehr als universelles Medium existiert.16 Ein wichtiger Schritt war hier, dass Tim Berners-Lee das Web nicht sich selbst überlassen und beispielsweise mit monetärem Vorteil jeden Job seiner Wahl angenommen hat. Sondern sich weiter für seine Vision eingesetzt hat. Das W3C zu gründen und aus ihm heraus – gänzlich konzentriert auf die Sache – zu agieren, war hier ein wichtiger Schritt.17 Das Web selbst füllte sich zunehmend mit den verschiedensten Menschen, Organisationen und Unternehmen und das Konsortium würde gleichermaßen gemischt aufgestellt sein. Es sollte das »Web des Lebens« aufrechterhalten.

Money, Money, Money!

Ein weiterer entscheidender Einschnitt war der Börsengang von Netscape im August 1995. Nach nur einem Tag an der Börse war das Unternehmen 4,4 Milliarden Dollar wert und Ende 1996 verzeichnete das Unternehmen Einnahmen von 346 Millionen Dollar. Auf einen Schlag war die Botschaft klar: Das Web ist ein bedeutender Markt geworden, auf dem sich viel Geld verdienen lässt.18

Häufig wurde Tim Berners-Lee mit der Frage konfrontiert, ob ihn das sauer machen würde, dass man nun für einige Web-Angebote Geld zahlen müsste. Für ihn war die Community, die für freie Software sorge zwar fundamental und er sieht sie als Basis der Kreativität. Doch gleichermaßen sah er die partielle Kommerzialisierung als wichtigen Meilenstein für den Erfolg des Webs, ohne die das ganze Konzept nicht aufgegangen wäre. Um ein universelles Medium zu werden, musste es jede Informationen und Verlinkung zulassen. Das bedeutet, dass man kommerzielle Angebote nicht einfach ausschließen durfte.19 Zudem sieht er die Universalität auf jeder Ebene, die auch in der realen Welt existiert. Es musste auf verschiedenen Wegen mit verschiedenen Gruppen verschiedener Größen an verschiedenen Orten des täglichen Lebens funktionieren. Ob zu Hause, im Büro, Schulen, Kirchen, Ländern, Kulturen, etc. Informationen müssten jede soziale Grenze durchbrechen können.20 Dementsprechend war auch die Sorge, dass der bislang von Akademikern als offen und frei verstandene Informationsraum, von Spam-Mails und Werbung überflutet wird zwar verständlich, aber unbegründet.21

Ein Brösel des Kuchens

Während im Jahr 1996 bereits die erste Botschaft des »großen Geldes« versandt wurde, wurden die meisten Dinge noch immer von purer Aufregung und Euphorie angetrieben. Erst 1998 wurde das Web zum Schauplatz des großen Geschäfts und rückte auch in das Interesse der Regierung. Es wuchs der Wunsch das Web zu kontrollieren und jeder mischte sich ein, wo er nur konnte. Gegen Microsoft lief ein Kartellverfahren, der Wert der Internetfirmen stieg und es gab den sogenannten »Kampf der Portale« von Mammut-Webseiten wie Yahoo!, Dienstleister wie AOL oder Anbietern von Inhalten wie Disney.22 Jeder wollte das größte Stück des Kuchens abhaben. Vor allem die steigenden Marktwerte, der starke Expansionsdrang von Unternehmen und überhöhte Gewinnerwartungen führten letztlich 2000 zum Zerplatzen der großen Internetblase. Erwartungen wurden nicht erfüllt, Unternehmen waren nicht profitabel genug oder gingen bereits in Insolvenz. Während viele Kleinanleger und überschaubare Unternehmen zu viel Verluste einstrichen, steckten Teile der »New Economy« diesen Absturz jedoch weg und erreichten ganz neue Aufmerksamkeit. Dazu gehören beispielsweise amazon, eBay oder Google.

Kampf der Moral

Während die Unternehmen, um ihren Platz im Web kämpften, stemmten sich verschiedenste Gruppen – sei es mit religiösen Hintergrund oder z. B. Elterninitiativen – gegen verwerfliche oder schädliche Inhalte im Web.23
Es gab zwar verschiedene Ansätze das Problem zu lösen, doch zum einen stellte sich die Frage nach der Legitimität von Zensur.24 Zum anderen hätte eine Filterung von beispielsweisen pornographischen Inhalten teilweise auch dazu geführt, dass ungewollt andere Inhalte wie z. B. Informationen über Sexualerziehung oder Brustkrebs verbannt worden wären. Ohnehin sind Betrug und Kinder-Pornographie auch im realen Leben strafbar25 – dementsprechend müssten Gesetze nach Handlungen beschrieben werden, nicht in Bezug auf eine einzelne Technologie.26

Verformte Gesellschaft

Natürlich musste sich das Konsortium durchaus über die Auswirkungen auf die Gesellschaft, welche durch das Web geformt wird, Gedanken machen.27 So schreibt Berners-Lee, dass wir alle sicherstellen müssen, dass die Gesellschaft, die wir mit dem Web aufbauen, die von uns beabsichtigte ist. Weiter, dass sie in vielen ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen zurückbleiben kann, wenn sich die Technologie zu schnell entwickelt.28 Letztendlich war es aber Aufgabe der Technologie bzw. des Mediums, technische Mechanismen anzubieten und nicht sozialpolitisch zu agieren. Technologie muss losgelöst davon sein, die Welt beherrschen zu wollen.29 Das betrifft unter dem Strich viele weitere Bereiche wie z. B. die Meinungsfreiheit, Privatsphäre oder geistiges Eigentum.30

Um die Gesellschaft zu schützen, sollten wir zudem vorsichtig sein, Dinge zu tun, nur weil sie möglich sind. Die Tatsache, dass es sehr kostengünstig machbar wäre, über politische Fragen im Web abzustimmen, bedeutet nicht, dass wir zwingend von einer repräsentativen zur direkten Demokratie wechseln müssen.31

Ferner hält Berners-Lee es für wichtig, dass das Web Parallelität zulässt. Das menschliche Gehirn übertrifft den Computer in seiner Parallelverarbeitung und auch die Gesellschaft löst die Probleme parallel. Jeder sollte daher in der Lage sein, Arbeiten zu veröffentlichen und zu kontrollieren, wer Zugang zu dieser erhält. Es sollte dabei keine Struktur oder Beschränkungen geben, die irgendeine Form von Idee ausschließt.32
Weiter können viele soziale Prozesse besser maschinell durchgeführt werden: Die Computer sind stets verfügbar, ohne Vorurteile und ohnehin würde keiner diese Systeme verwalten wollen.33

Abschließend ist es aus heutiger Sicht keine Überraschung, dass die Gesellschaft massiv vom World Wide Web verformt wurde. Unternehmen und Nationen wurden zuvor durch geographische Grenzen gebildet und das Web hat uns aus dem zwei-dimensionalen Raum katapultiert.34 Entfernungen sind nichtig geworden und die gesellschaftlichen Probleme sind zum Teil sicher andere geworden.
Doch obwohl wir nun von fast drei Jahrzehnten World Wide Web sprechen, scheinen viele Probleme, die Tim Berners-Lee schon 1999 beschreibt, nach wie vor zu bestehen. Noch immer herrschen riesige Diskussion über Datenschutz und Privatsphäre, noch immer landen unzählige illegale Inhalte im World Wide Web und noch immer – oder durch die Masse gerade jetzt – ist es unmöglich Inhalte zu »kuratieren«. Die weiteren Fragen, die daraus entstehen sind die, wer überhaupt das Recht hätte Inhalte zu zensieren oder wie Rechte generell durchzusetzen sind. Nimmt man Facebook als bekanntes Beispiel, wird einem bewusst, wie schwierig die Lage zu sein scheint. Grundrechte wie das »Briefgeheimnis« werden völlig missachtet und in vielen weiteren Punkten handelt Facebook entgegen dem deutschen Gesetz. Zum einen ist es ein massives Problem, dass das Web international ist, während es nichtsdestotrotz geographische Grenzen mit Gesetzen für diesen begrenzten Raum gibt. Zum anderen ist fraglich, wie solche limitierten Gesetze durchsetzbar wären. Als extremste Form könnte Facebook in Deutschland nicht verfügbar sein bis sich die Plattform an die Gesetze hält und die Rechte der Bürger anerkennt. Doch der Aufschrei wäre groß und ein Argument wäre, dass man immerhin selbst entscheiden kann, ob man Rechte abtritt – was wir immerhin tagtäglich tun. Noch immer scheint es so, als könnte man die Probleme, die im World Wide Web auftauchen, nicht in den Griff kriegen. Zudem ist es aus meiner Sicht so gut wie ausgeschlossen sämtliche Straftaten zu verhindern und auszuschließen. Immerhin ist das Web nicht mehr nur ein Spiegel der Gesellschaft, sondern ein Werkzeug, das wir nicht nur nutzen, sondern durch dass sich unser komplettes Leben verändert hat. Ein Werkzeug, das längst nicht nur ein Medium ist, in das wir bewusst eintauchen, sondern ein täglicher Begleiter. Das uns ständig umgibt und dessen Grenzen zur »realen« Welt verschwinden. Ein großer Kosmos informationeller Entitäten, dessen gesamtes Dasein grundsätzlich überdacht werden müsste.

Auf dieser Basis entstand mein ursprünglicher Titel »Digitale Primaten«. Zwar gehören auch Menschen zu den Primaten, aber im allgemeinen Sprachgebrauch klingt Primaten etwas rückständig. Aus meiner Sicht hinken wir noch immer der Technologie hinterher und sollte sie sich weiter so schnell entwickeln – was ich vermute – wird der Abstand größer und größer. Daher gilt es, so schnell wie möglich Lösungen zu finden, um das Zusammenleben zwischen Mensch und Maschine anzunähern und mit so wenig Hürden wie möglich zu gestalten.

Quellen
  1. Vgl. Berners-Lee, Tim; Fischetti, Mark (Hg.): »Weaving the Web – The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web«, New York 2000, S. 4.
  2. Vgl. Ebd., S. 45.
  3. Vgl. Ebd., S. 46.
  4. Vgl. Ebd., S. 48.
  5. Vgl. Ebd., S. 56 f.
  6. Vgl. Ebd., S. 59.
  7. Vgl. Ebd., S. 82.
  8. Vgl. Ebd., S. 95.
  9. Vgl. Ebd., S. 99.
  10. Vgl. Ebd., S. 108.
  11. Vgl. Ebd., S. 80.
  12. Vgl. Ebd., S. 75.
  13. Vgl. »Chronologie des Internets« in: »Wikipedia, Die freie Enzyklopädie«, Stand: 3.3.2017, URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Chronologie_des_Internets&oldid=173334077, abgerufen am 9.3.2017.
  14. Vgl. Berners-Lee, Tim; Fischetti, Mark (Hg.): »Weaving the Web – The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web«, New York 2000, S. 80 f.
  15. Vgl. Ebd., S. 76.
  16. Vgl. Ebd., S. 83.
  17. Vgl. Ebd., S. 84 f.
  18. Vgl. Ebd., S. 106.
  19. Vgl. Ebd., S. 107.
  20. Vgl. Ebd., S. 164.
  21. Vgl. Ebd., S. 107.
  22. Vgl. Ebd., S. 124.
  23. Vgl. Ebd., S. 124.
  24. Vgl. Ebd., S. 113.
  25. Vgl. Ebd., S. 135 f.
  26. Vgl. Ebd., S. 131.
  27. Vgl. Ebd., S. 110.
  28. Vgl. Ebd., S. 123.
  29. Vgl. Ebd., S. 137.
  30. Vgl. Ebd., S. 124.
  31. Vgl. Ebd., S. 174.
  32. Vgl. Ebd., S. 203.
  33. Vgl. Ebd., S. 172.
  34. Vgl. Ebd., S. 200.
Abbildungen
  1. Titelbild: Foto von Geni: »Photo of the NeXTcube used as the first web server. The label reads ›This machine is a server. DO NOT POWER IT DOWN!!‹. On display at the science museum london.«, Stand: 13.1.2015, via Wikimedia Commons, abgerufen am 13.3.2017, Lizenz: CC BY-SA 4.0 oder GFDL.

Struktureller Aufbau des Webs und die Koexistenz von Mensch und Maschine

Nach meiner ersten Auseinandersetzung mit Tim Berners-Lees Buch, möchte ich im folgenden weiteren Gedanken nachgehen. Dabei geht es unter anderem um den Aufbau des Webs, welchen ich vor allem strukturell näher betrachten möchte. Zudem finde ich den Ansatz eines universellen Informationsraums, in dem Mensch und Maschine harmonisch koexistieren sehr faszinierend.

Nach meiner ersten Auseinandersetzung mit Tim Berners-Lees Buch (Die Vision eines Visionärs »), möchte ich im folgenden weiteren Gedanken nachgehen. Dabei geht es unter anderem um den Aufbau des Webs, welchen ich vor allem strukturell näher betrachten möchte. Zudem finde ich den Ansatz eines universellen Informationsraums, in dem Mensch und Maschine harmonisch koexistieren sehr faszinierend.

Hypertext als non-lineare Grundlage

Während das Internet grundsätzlich nur das infrastrukturelle Fundament für das World Wide Web bildet, basiert die Kernidee des World Wide Webs auf Hypertext. Laut Berners-Lee war seine Aufgabe lediglich beides zu »verheiraten«.1 Nachdem es zuvor schon ähnliche Konzepte gab, wurde der Begriff Hypertext im Jahr 1965 von Ted Nelson geprägt. Zum einen schrieb Ted Nelson von »Literarischen Maschinen«: Von Computern, die dem Menschen ermöglichen sollen, Informationen niederzuschreiben und zu publizieren.2 Zum anderen ist an dieser Stelle wichtig zu wissen, dass es sich bei Hypertext um einen dynamischen Text handelt, dessen einzelne Bestandteile durch Querverweise vernetzt sind. Dieser enzyklopädische Ansatz ist fundamental für die Entwicklung des World Wide Webs und sein non-lineares Format.

Auf Grundlage dieser Struktur, entwickelt Tim Berners-Lee den Vorläufer des World Wide Webs »Enquire«, das auf Knoten (Nodes) basiert, die – der Reihe nach – miteinander verlinkt sind. Er vergleicht das Software-Projekt mit dem menschlichen Gehirn, welches gleichermaßen netzartig funktioniert und zufällige Assoziationen zulässt.3 Dabei sind die Verbindungsmöglichkeiten unbegrenzt und zuvor nicht berücksichtigte Verbindungen können sichtbar werden.4 Diese Unbeschränktheit ist eine Voraussetzung dafür, dass das Web als universelle Resource dienen kann.5

Hyperspace

Laut Tim Berners-Lee ist das Web kein physisches »Ding«, sondern ein Raum in dem Informationen existieren können.6 An späterer Stelle nennt er diese Hypertext-Umgebung »Hyperspace«.7 Es war essenziell, dass Berners-Lee etwas schafft, das keine komplette Umstrukturierung der vorherigen Arbeit sowie Umformatierung sämtlicher Daten verlangt. Ihm war wichtig ein System zu kreieren, welches für jeden akzeptabel ist und mit so wenig wie möglich Regeln bzw. Beschränkungen auskommt.8 Denn nur dann, wenn Menschen selbst in der Lage sind Informationen einzuspeisen und Informationen zu verbinden,9 kann dieser universelle Informationsraum entstehen. Und nur was in diesem Informationsraum besteht, ist von informationellem Wert. Das »World Wide Web Consortium« selbst handelt dabei nach der Maxime, dass alles, was nicht in diesem Hyperspace – im Web – vorhanden ist, nicht exitierst.10

Das erinnert mich zum einen an Luciano Floridis Blick auf die Infosphäre (Zwischen Realität und Fiktion »), welche jedoch auch Menschen als informationelle Wesen mit in diese Sphäre aufnimmt. Zum anderen an Felix Stalders Betrachtung des raumzeitlichen Horizonts (Neuer Raum – neue Zeit: Neu denken »). Stalder beschreibt dabei, dass alles, was nicht »hier« ist, unerreichbar und alles, was nicht »jetzt« ist, verschwunden ist.
Zudem sehe ich in Bezug auf die netzartige Struktur einen Zusammenhang zu Marshall McLuhan, welcher von der Auflösung von Raum und Zeit spricht, sowie die Veränderung unserer westlich geprägten, sequentiellen Denkweise voraussagt (Das globale Dorf – Raum, Zeit und Dynamik »). Hier sehe ich vor allem das World Wide Web als einschneidendes Medium, welches als non-lineares Format unsere Gewohnheiten grundsätzlich verändert. Hier fände ich spannend, inwiefern nachfolgende Generationen non-linear geprägt werden. Meine Generation (Jahrgang 1986) ist noch sehr sequentiell aufgewachsen und in das Medium Web reingewachsen. Zudem halte ich unsere aktuelle Lebenswelt noch immer für sehr linear ausgelegt.

Human-Computer-Interaction und die Verschmelzung zu einem großen Informatiosnraum

Um das World Wide Web nicht nur als Medium zu sehen, in das man »einsteigen« kann, ist die Zugänglichkeit enorm wichtig. Für Berners-Lee war der Zugang noch sehr umständlich und so hatte er schon damals Ideen, welche für uns heute eine Selbstverständlichkeit sind. Mehrere Minuten warten bis der Computer hochgefahren ist, um sich dann über die Telefonleitung ins Netz einzuwählen, nahm einfach viel zu viel Zeit in Anspruch. Er träumte davon, dass Computerbildschirme immer erreichbar sind, wenn man sie benötigt und hatte die Idee von sofortiger und ständiger Verfügbarkeit.11 Er hat bereits damals die Vorstellung, dass der Computer ein ständiger Begleiter und gutes Werkzeug darstellt, um aufkommende Ideen sofort festzuhalten und sie nicht zu verlieren.12 Zwar gibt es noch immer Leute, die weder Smartphone noch Daten-Flat besitzen, doch im Großen und Ganzen ist genau dieser Fall eingetreten. Das Smartphone ist als kleiner Pocket-Computer ständiger Begleiter vieler, die an den meisten Orten auch durchgehend online sind. Das ist auch die Onlife-Erfahrung von der Floridi spricht (Von Loops und der Hyper-Realität »): Die Unterscheidung von on- und offline wird es zukünftig kaum noch geben.

Eine weitere Selbstverständlichkeit ist, dass Technologie heute zunehmend transparenter wird. Das sieht Berners-Lee als Voraussetzung für den intuitiven Umgang mit ihr. Er denkt diese Transparenz jedoch noch weiter: Computer und Netzwerke sollten seiner Ansicht nach völlig aus dem Weg gehen, da es letztendlich unwichtig ist, wo Information gespeichert wird. Die Daten und die Werkzeuge, um auf sie zuzugreifen sollten unabhängig voneinander sein – er nennt das das Konzept der Ortsunabhängigkeit. Ob Hypertext oder lokaler Ordner – beides sind für ihn gleichermaßen Informationen. Er ist auch der Meinung, dass Dateinamen verschwinden müssen und jede Datei eine andere Art von URL erhalten sollte.
Weiter kann er sich vorstellen, dass URLs komplett verschwinden und man nur noch Hyperlinks sieht.13

Diesen Ansatz halte ich für spannend sowie in seiner Argumentation richtig. Eine Vorstellung davon wie das aussehen könnte, habe ich jedoch nicht. Hierfür müsste sich die komplette Ordnerstruktur auflösen, an der wir in unserer analogen Denkweise festhalten. Grundsätzlich wäre dieser Ansatz genau der richtige, um Daten nicht selbst vorzusortieren, sondern diese Arbeit den »Verbindungen« und einer anderen Art der Kategorisierung zu überlassen. Jedoch stelle ich mir die Sortierung insofern schwierig vor, dass beispielsweise bei der grafischen Arbeit auf lokale Daten zugegriffen werden muss. Zum einen werden dabei nicht alle möglichen Suchergebnisse über dieses Thema oder den Kunden benötigt, zum anderen ist hier eine zeitliche Abfolge in der Dateistruktur sehr wichtig. Zudem kann ich mir vorstellen, dass sich die grafische Nutzeroberfläche, die sehr intuitiv angelegt ist, dadurch grundlegend ändert.

Der Begründer des World Wide Webs sah das Web selbst noch nicht als universellen Informationsraum an. Daten sind auf verschiedenste Art und Weise getrennt voneinander gespeichert und oft nicht in Beziehung gesetzt. Hier kommt das semantische Web ins Spiel, welches auch als Web 3.0 bezeichnet wird. Dabei geht es darum, maschinenlesbare Formate zu nutzen, um den Algorithmen zu ermöglichen, nicht nur stichwortartige, sondern auch kontextuale Zusammenhänge erschließen zu können. Als grundlegenden Baustein nennt er RDF, das Resource Description Framework, das auf XML basiert und logische Aussagen über Dinge trifft. Er nennt das Beispiel, dass durch logische Schlussfolgerungen maschinell erkannt werden kann, dass »Mittlere Tagestemperatur« dasselbe wie »Tagesdurchschnittstemperatur« bedeutet. Das Marktforschungsunternehmen Gartner vermutet in einer Präsentation aus dem Jahr 2007, dass 2017 die meisten Webseiten mit einer Form von semantischem Hypertext ausgestattet sind.14 Inwieweit das semantische Web tatsächlich da ist, kann ich momentan aber weder beurteilen noch sicher herausfinden.

Das semantische Web wird uns dabei helfen, die unzähligen Informationen aus dem World Wide Web zu filtern – ohne maschinelle Hilfe wäre das für uns Menschen zwischenzeitlich unmöglich. Tim Berners-Lee ist davon überzeugt, dass der Computer uns bei der Lösung großer analytischer Probleme helfen wird und hält es für wichtig, dass das Web den Menschen dabei unterstützt, sowohl intuitiv als auch analytisch zu sein. Unsere Gesellschaft benötigt beide Funktionen.15
Zudem ist er sich sicher, dass die Menschheit durch die Zusammenarbeit mit Maschinen nur profitieren kann. Er nennt das World Wide Web als Ort, wo Mensch und Maschine in einer idealen, kraftvollen Mischung koexistieren werden.16
Diese Ansicht teil auch Michael Dertouzos in seinem Vorwort. Er glaubt entgegen vieler Menschen, die davon überzeugt sind, dass Technologie uns entmenschlicht, dass sie ein untrennbares Kind der Menschheit ist. Mensch und Maschine müssen für echten Fortschritt Hand in Hand gehen, ohne dass einer als Diener des anderen handelt.17
Mit dieser Thematik habe ich mich bereits in »Die 4. Revolution« befasst und auch ich bin überzeugt davon, dass wir mit der richtigen Nutzung der jeweils stärkeren Potenztiale eine völlig neue Entwicklungsstufe erreichen und eine wunderbare Koexistenz von Mensch und Maschine führen können.

Quellen
  1. Vgl. Berners-Lee, Tim; Fischetti, Mark (Hg.): »Weaving the Web – The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web«, New York 2000, S. 6.
  2. Vgl. Ebd., S. 5.
  3. Vgl. Ebd., S. 10.
  4. Vgl. Ebd., S. 3.
  5. Vgl. Ebd., S. 99.
  6. Vgl. Ebd., S. 36.
  7. Vgl. Ebd., S. 206.
  8. Vgl. Ebd., S. 15.
  9. Vgl. Ebd., S. 201.
  10. Vgl. Ebd., S. 163.
  11. Vgl. Ebd., S. 158 f.
  12. Vgl. Ebd., S. 159 f.
  13. Vgl. Ebd.
  14. Vgl. Gartner Report: »Finding and Exploiting Value in Semantic Web Technologies on the Web« 2007, in: Herman, Ivan: »What is being done today?«, Stand: 14.12.2009, URL: https://www.w3.org/2009/Talks/1214-Darmstadt-IH/Applications.pdf, S. 3, abgerufen am 18.2.2017.
  15. Vgl. Berners-Lee, Tim; Fischetti, Mark (Hg.): »Weaving the Web – The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web«, New York 2000, S. 201.
  16. Vgl. Ebd., S. 158.
  17. Vgl. Ebd., S. IX.

Vision eines Visionärs

Zur Recherche über die Entwicklung des World Wide Webs dient mir »Weaving the Web – The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web« von Tim Berners-Lee, dem Begründer höchstpersönlich. Der Name Tim Berners-Lee ist fest mit dem World Wide Web verwoben, doch wie viel Anteil er tatsächlich an der Entwicklung dieses Mediums besitzt, wird mir erst jetzt bewusst. Er ist nicht der gewürdigte Mann, der am Ende einer langen Kette von Prozessen steht. Er ist der Mann, der mit einer großartigen und weltveränderten Vision am Anfang, in der Mitte und am Ende dieser Kette Platz nimmt.

Zur Recherche über die Entwicklung des World Wide Webs dient mir »Weaving the Web – The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web« von Tim Berners-Lee – dem Begründer höchstpersönlich. Der Name Tim Berners-Lee ist fest mit dem World Wide Web verwoben, doch wie viel Anteil er tatsächlich an der Entwicklung dieses Mediums besitzt, wird mir erst jetzt bewusst. Er ist nicht der gewürdigte Mann, der am Ende einer langen Kette von Prozessen steht. Er ist der Mann, der mit einer großartigen und weltveränderten Vision am Anfang, in der Mitte und am Ende dieser Kette Platz nimmt.
In seinem Idealbild eines universellen, »einzigen, globalen Informationsraums«1 ist alles potenziell mit allem verbunden.2 Er liebte die Vorstellung davon, dass »ein Stück Information wirklich nur dadurch definiert wird, womit und wie es verbunden ist«3. Aus seiner Sicht können dadurch völlig neue Relationen entstehen und Dinge zusammenkommen, die zuvor keine sichtbare Gemeinsamkeit hatten.4 Laut des Vorworts von Michael Dertouzos, dachte Tim Berners-Lee das Web als Medium, das in diesem gigantischen Informationsnetz menschliches Wissen und menschlichen Verstand kodifizieren würde.5

Generell begeistert ihn daran nicht nur die Idee, dass unzählige Informationen für jeden zugänglich sind, sondern auch, dass jeder daran teilhaben und sich selbst einbringen kann. Diese Begeisterung teilt er mit Ted Nelson, der schon zuvor von einer utopischen Gesellschaft geträumt hatte, in der alle Informationen von Leuten geteilt werden können, die sich auf Augenhöhe begegnen.6 Das Internet, das es längst vor dem World Wide Web gab, lässt zwar den Austausch von Daten zu. Für einen Laien sind die Hürden jedoch zu groß, um sich wirklich daran beteiligen zu können.7 Daher ist es für Berners-Lee eine Grundvorraussetzung, dass das Erstellen von Inhalten und Verlinkungen nicht nur machbar, sondern so einfach wie möglich ist. Zusätzlich setzt er voraus, dass das System komplett dezentralisiert aufgebaut sein muss, so dass ein Nutzer mit dem nötigen Equipment sofort und ohne Zugangserlaubnis »mitmachen« kann.8 Diese Dezentralisierung des Systems bedeutet für ihn zeitgleich, dass keine hierarchischen Strukturen vorherrschen dürfen und es niemanden gibt – weder eine Person noch eine Gruppe –, der das World Wide Web unter seine Kontrolle bringt.9

Ursprünglich dachte Berners-Lee an ein Web, dass das »reale«, nicht-virtuelle Leben widerspiegelt. Eine ungeahnte Folge ist die, dass Menschen durch das Web völlig neue Aktivitäten gefunden hatten. Sie fingen an zu schreiben oder zu malen, obwohl sie das zuvor nicht getan haben. Dadurch, dass sich das Web zum primären Raum für viele Aktivitäten etabliert hat, rät er dazu vorsichtig zu sein, um weiter eine gerechte und faire Gesellschaft zu ermöglichen.10

In seinem Buch zitiert der Begründer des Webs zudem eine Rede des südafrikanischen Vizepräsidenten, da er selbst seine Mission nicht besser in Worte fassen hätte können. Thabo Mbeki ruft dazu auf, die neue Technologie dafür zu nutzen sich selbst zu ermächtigen, sich über die Wahrheit der eigenen ökonomischen, politischen und kulturellen Situation zu informieren und sich selbst eine Stimme zu geben, die die ganze Welt hören kann.11

Diese Worte beschreiben wunderbar, wie dieses neue Medium als Werkzeug eines jeden genutzt werden kann. Zudem bin ich Tim Berners-Lee nicht einfach nur dankbar für ein Medium, das unser aller Leben bestimmt. Ich bin begeistert, wie er Schritt für Schritt das World Wide Web nach seiner Vorstellung gebaut hat. Ein Visionär, dessen damaliges finales »Werk« nicht nur das Endergebnis einer langen Evolution ist, sondern von Beginn an als Vision in seinem Kopf umherschwirrte.

Quellen
  1. Berners-Lee, Tim; Fischetti, Mark (Hg.): »Weaving the Web – The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web«, New York 2000, S. 4.
  2. Vgl. Ebd., S. 1.
  3. Ebd., S. 13.
  4. Vgl. Ebd., S. 37.
  5. Vgl. Ebd., S. VIII.
  6. Vgl. Ebd., S. 5.
  7. Vgl. Ebd., S. 18.
  8. Vgl. Ebd., S. 16.
  9. Vgl. Ebd., S. 80.
  10. Vgl. Ebd., S. 165.
  11. Vgl. Ebd., S. 102.

Evolution der Webästhetik

Nach wie vor interessiere ich mich sehr für die Webästhetik der 90er Jahre – den Anfängen des World Wide Webs. Daher möchte ich mich mit der Ästhetik der einzelnen Jahre auseinandersetzen. In Frage kommen dabei zum einen Webseiten, die heutzutage populär sind, sowie Plattformen, die früh gegründet wurden und dadurch immerhin teilweise verwertbares Material liefern. Bei meiner Arbeit ist mir dabei nicht nur die Ästhetik der 90er Jahre wichtig, sondern wie sie sich – z.B. technisch und kulturell bedingt – verändert hat.

Nach wie vor interessiere ich mich sehr für die Webästhetik der 90er Jahre – den Anfängen des World Wide Webs. Daher möchte ich mich mit der Ästhetik der einzelnen Jahre auseinandersetzen. In Frage kommen dabei zum einen Webseiten, die heutzutage populär sind, sowie Plattformen, die früh gegründet wurden und dadurch immerhin teilweise verwertbares Material liefern. So wurde Facebook beispielsweise erst im Jahr 2004 gegründet, ist jedoch aus der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken.

Wie bei meiner begonnen »Web-Analyse« bildet die Grundlage die Wayback Machine von archive.org ». Durch erste Recherchen vermute ich, dass sich nicht allzuviel Material von vor 1995 finden lässt. Im gleichen Zuge möchte ich mich meine eigenen Webseiten von geocities ausfindig machen. Hier hoffe ich auf das Projekt »One Terabyte of Kilobyte Age«.

Bei meiner Arbeit ist mir dabei nicht nur die Ästhetik der 90er Jahre wichtig, sondern wie sie sich – z. B. technisch und kulturell bedingt – verändert hat. Als ersten Schritt möchte ich eine Sammlung sämtlicher UI-Elemente erstellen, um auf dieser Grundlage weiter zu forschen.

Die Kölner Büdchenmap

Als Büdchenhauptstadt hat Köln die kleinen »Du-kannst-hier-alles-Kaufen«-Lädchen in unzähligen Variationen. Sie dienen als Treffpunkt im Veedel und sind fester Bestandteil der Kölner Kultur. Die Büdchenmap soll sie alle zeigen, inklusive dem 100-Meter-Distanz-Regel-Entregler.

Ich bin online, also bin ich. Sehr häufig ist mir bei der Selbstbeobachtung aufgefallen, dass ich mich in meinem Alltag – wie sicher sehr viele Menschen – sehr auf Google verlasse. Ich google das nächste vietnamesische Restaurant, eine Buchhandlung oder suche nach einem Schreibwarenhandel. Wenn ich nicht gerade neu in einer Stadt bin, sind es vor allem die kleinen Lädchen, nach denen ich suche. Wo H&M, MediaMarkt und Co. ist weiß man meist sehr schnell. So traurig es ist: Finde ich etwas nicht bei Google, so gibt es das für mich nicht – außer ich entdecke es durch Zufall oder auf Empfehlung. Selbst, wenn man in Köln im Normalfall kein Büdchen googeln muss, weil man an jeder Ecke ohnehin eins findet, war das der ausschlaggebende Gedanke einer Projektidee: Die Kölner Büdchenmap.

Dabei ist für mich nicht nur die Verortung interessant, sondern auch der visuelle Charme. Die Büdchenmap soll alle Büdchen in Köln auf einer Karte vereinen und jeweils mit einem Foto abbilden. Als Büdchenhauptstadt hat Köln die kleinen »Du-kannst-hier-alles-Kaufen«-Lädchen in unzähligen Variationen. Einzelne Gebäude, in Häuserketten eingegliedert an Hauptstraßen, versteckt im Erdgeschoss von Hochhäusern oder U-Bahnhöfen. Sie sind traditionell, chic, hip, verratzt, geordnet oder chaotisch. Manche von ihnen stehen leer, eine Eiskarte als letztes Zeichen, dass dort mal Leben war.

Bei meiner Recherche bin ich auf »Am Büdche« von Stefan Matthiessen gestoßen. Das Fotoprojekt zeigt Büdchen auf einer Karte, visuell jedoch anders als ich es mir vorstelle. Sie sind nur als Marker gesetzt, während ich mir eine einzige Karte mit allen Informationen vorstelle. Ein möglicher Zusatz könnte das Einzeichnen von Distanzen sein. In Köln wird gemunkelt, dass eine Stadtverordnung besagt, dass man nur mit einer Mindestdistanz von 100 Metern zu Einrichtungen wie z. B. Schulen öffentlich trinken darf. Im Hinblick darauf könnte die eingezeichnete Distanz die erlaubten Trinkflächen anzeigen.

Karte des Projekts »Am Büdche«I
Karte des Projekts »Am Büdche«I

Stefan Matthiessen beschreibt das »Büdche« weiter als Lebensmittelpunkt im Veedel.1 Diesen Gedanken hatte ich auch dahin gehend, dass das Büdchen einen analogen Treffpunkt darstellt, den man trotz aller digitaler Transformation nicht in der digitalen Welt nachbilden kann. Eine besondere Atmosphäre und ein spezieller Charme mit einer bunten Mischung Menschen.

In den nächsten Wochen werde ich mich entscheiden, ob das mein Masterprojekt werden könnte. Auf der einen Seite halte ich die Idee nämlich für großartig, auf der anderen Seite könnte sie aber auch zu plump sein. Manchmal sind es jedoch die einfachen Dinge.

Quellen
  1. Vgl. Matthiessen, Stefan: »Am Büdche«, Über das Projekt, URL: http://www.ambuedche.de/projekt-am-buedche/, abgerufen am 29.12.2016.
Abbildungen
  1. Eigener Screenshot; Matthiessen, Stefan: »Am Büdche«, Karte, URL: http://www.ambuedche.de/projekt-am-buedche/, abgerufen am 29.12.2016.

Ursprung der Codes: Die gesprochene Sprache

Die westliche Kultur befindet sich im großen Umbruch, ausgelöst durch die Fortschritte der Technologie. Veränderte Koden, verändern unsere Art zu denken grundlegend. Wie sieht die Zukunft aus?

In meinen vorherigen Beiträgen »Das globale Dorf – Raum, Zeit und Dynamik« sowie »Von der Kultur, die statisch wurde« setzte ich mich bereits mit der Tatsache auseinander, dass die Linearität das Denken in unserem Kulturkreis maßgeblich beeinflusst hat. Meine abschließende Erkenntnis war die, dass sich diese Linearität aufzulösen scheint und unsere Lebenswelt weniger festgezurrt und dynamischer wird.
Sicher wird die Zukunft unserer Kultur durchweg von Algorithmen bestimmt, die sehr wohl eindeutig sind. Jedoch wird das Denken des Menschen sehr viel flexibler sein und grundlegend verändert werden.

Vilém Flusser bringt in Bezug darauf beispielsweise vor, dass wir »nicht mehr Daten zu lernen haben, sondern das zweckmäßige Speichern, Abberufen und Variieren von Daten. Nicht mehr das Repertoire, sondern die Struktur von Systemen. Dieses Prozessieren von Daten, das bisher von der Notwendigkeit der Datenerwerbung gebremst war, heißt ›Kreativität‹, und es ist daher mit einer wahren Explosion der menschlichen Kreativität zu rechnen«1.

Dieser Ansatz Flussers ist vor 30 Jahren schätzungsweise revolutionär, heute im Jahr 2017 sind wir schon mitten im Umbruch. Die Denkweise in unserem Kulturkreis wird bereits auf das Verstehen von Strukturen getrimmt, während wir wissen, dass wir beispielsweise nichts mehr zwingend auswendig lernen müssen. Alles ist abrufbar, die Suchmaschine Google ist nur ein beispielhaftes Werkzeug hierfür. Man muss nicht mehr die Information selbst kennen, es genügt zu wissen, wie wir sie abrufen können. Diesen Ansatz habe ich bereits in diversen Beiträgen verfolgt und halte ihn nach wie vor für eine der grundlegendsten Veränderung unserer Zeit. Dieser Fortschritt der Technologie, unterstützt weiter die Aussage Flussers, dass jede Revolution technisch ist.2 Nicht irgendeine Ideologie, sondern die Technik veränderte unsere Lebenswelt und unser Denken in den letzten Jahrzehnten entscheidend.

Eine weitere maßgebliche Veränderung wird laut Flusser durch die Veränderung der Koden ausgelöst: »Die Veränderung wäre tiefgreifend, weil unser Denken, Fühlen, Wünschen und Handeln, ja sogar unser Wahrnehmen und Vorstellen, in hohem Grad von der Struktur jenes Codes geformt werden, in welchem wir die Welt und uns selbst erfahren. Wir sind ›westliche Menschen‹, weil unsere ›forma mentis‹ von der Linearität des alphanumerischen Codes ausgebildet wurde. Sollten unsere Kinder und Enkel die Welt und sich selbst mittels anders strukturierter Codes (etwa mittels technischer Bilder wie Fotos, Filme und Fernsehen, und mittels Digitalisation) erfahren, dann wären sie anders in der Welt als wir es sind, und als es unsere Vorfahren waren«3. Dieser Aussage möchte ich ein weiteres Zitat zur Auseinandersetzung hinzufügen: »Nun verfügen wir, seit Urzeiten, über einen Code, nämlich über die gesprochene Sprache, welcher diese Aufgabe leistet«4.

Koden dienen grundsätzlich der Kommunikation, aus meiner Sicht unabhängig davon, ob zwischen Menschen oder Menschen und Maschinen. In »Conversational User Interfaces« und »Natural User Interfaces – Die unsichtbaren Schnittstellen« sehe ich daher Ansätze, die seine Denkweise nicht nur bestätigen, sondern weit darüber hinaus gehen. Zudem werden Voice User Interfaces (VUI) immer populärer. Mit VUIs erhalten wir meiner Ansicht nach nicht nur eine zusätzliche Art der Mensch-Maschine-Kommunikation, sondern wir kommen zurück zum ursprünglichen Code – der gesprochenen Sprache.
Insgesamt drängt sich mir hier die Frage auf, wie zukünftige User Interfaces aussehen könnten, wenn sie denn überhaupt noch »aussehen«. Amazons Alexa oder Apples Siri sind nur zwei Beispiele für ein sprachgesteuertes Gerät bzw. sprachgesteuerten Assistenten. Während Siri auch visuell reagiert, existiert Alexa ausschließlich auf der auditiven Ebene. Unter dem Strich können Alexa und Siri alle Fragen gestellt werden.
Mein Problem damit ist momentan noch das, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie eine Welt basierend auf Audio Interfaces aussehen könnte. Nach meinem Verständnis müsste man zumindest wissen, welche Informationen vorhanden sind, um die entsprechende Antwort zu erhalten. Ein reines Stöbern oder zufälliges auf Informationen stoßen wären damit ausgeschlossen. Daher stellt sich die nächste Frage, inwiefern Audio Interfaces tatsächlich andere Interfaces ersetzen und ob sie nur als zusätzliche Variante dienen könnten.

Quellen
  1. Röller, Nils; Wagnermaier, Silvia (Alle Hg.): »absolute Vilém Flusser«, Freiburg 2003, S. 171.
  2. Vgl. Ebd., S. 157.
  3. Ebd., S. 71.
  4. Ebd., S. 74.
Abbildungen
  1. Titelbild: Lecourt, Pierre: »Amazon Echo«, abgerufen am 7.11.2016, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0.

Gegen das Absolute

Inwieweit wird es in Zukunft noch das Absolute geben? Ist alles relativ und im stetigen Wandel? Bleibt alles ein langer Prozess?

»absolute Vielem Flusser«, herausgegeben von Nils Roller und Silvia Wagnermaier, enthält neben Essays von Villem Flusser unter anderem ein Gespräch zwischen dem Medienphilosophen und Florian Rötzer aus dem Jahr 1991. Ein Zitat Flussers halte ich dabei für besonders interessant: »Mir gefällt das Wort ›virtuell‹ gar nicht, weil es unter anderem viele Macho-Konnotationen hat. Da es keine nicht-virtuelle Realität gibt, da Realität nur ein Grenzbegriff ist, dem wir uns nähern und den wir nie erreichen können, kann ich von alternativen Weisen des Erreichen von Realität sprechen.«1

Diesen Gedanken finde ich insofern spannend, da häufig der Unterschied zwischen nicht-virtueller und virtueller Realität gemacht wird. In meinem Beitrag »Erkenntnisse und Eindrücke: Luciano Floridis Buch ›Die 4. Revolution‹« beschäftigte ich mich bereits in Bezugnahme auf Luciano Floridi mit der Unterscheidung dieser zwei Zustände. Floridi, dessen Buch jedoch grob 35 Jahre später erschien und somit eine ganz anderen Perspektive besitzt, spricht davon wie innerhalb der Infosphäre Virtuelles und Nicht-Virtuelles verschwimmen.2 Unter anderem deshalb, da die vermeintliche Wirklichkeit auch von Menschenhand geschaffen ist.3

Diese Ansicht Floridis konnte ich voll und ganz nachvollziehen. Nun erscheint mir Flussers Aussage jedoch zunehmend schlüssiger. Zwar hatte Flusser damals sicher nicht die leiseste Ahnung, was das World Wide Web und die Technologie im generellen noch mit sich bringen werden. Doch entspricht diese Ansicht viel mehr der heutigen Lebenswelt, die noch weniger als früher in schwarz und weiß aufzuteilen ist. Weiter fordert er im gleichen Gespräch, dass wir immer relative Begriffe haben und uns abgewöhnen müssen, mit absoluten Begriffen zu arbeiten.4
Dem Absoluten widerspricht auch Dr. Markus Gabriel, der in seinem Buch »Warum es die Welt nicht gibt« klar macht, dass es nicht die eine Welt gibt und sie in Sinnfelder einteilt.

Unabhängig vom World Wide Web, ist es heutzutage nicht nur möglich, sondern auch anerkannt, dass jeder Menschen seinen eigenen Lebens­entwurf verwirklicht. Jeder Mensch hat dabei seine eigenen Sinnfelder, Realitäten und Wahrnehmungen, welche er ohne Umschweife jederzeit wieder ändern oder parallel leben kann. Bei Facebook ist es nun möglich aus über 50 Geschlechtern zu wählen, was bedeutet, dass in unserer Gesellschaft selbst physische Eigenschaften relativ geworden sind. Des Weiteren richtet sich die komplette Industrie danach, den individuellen Bedürfnissen, Lebensentwürfen und Wirklichkeiten gerecht zu werden. Es gibt im Grunde nichts, was man nicht haben oder tun kann.

Es ist noch immer utopisch zu denken, dass absolut jeder alles machen und ausleben kann. Doch spielen frühere, feste Strukturen, sei es in der Familie oder bei den Themen Bildung und Beruf, eine immer kleinere Rolle. Die Strukturen werden aufgebrochen, die Welt wird relativ und das »Virtuelle« gehört genauso zu unserer Realität wie das, was wir im allgemeinen Gebrauch als Nicht-Virtuell ansehen. So gehören algorithmische Maschinen in die gleiche Lebenswelt wie die Natur an sich.

In einem weiteren Gedanken, stellt sich mir die Frage, ob es das Absolute auch im Hinblick auf Designprodukte überhaupt noch geben wird oder alles ein stetiger Prozess bleibt. Zwar sind analoge Flyer nach wie vor fertige Produkte, doch neben sich ohnehin stetig verändernden digitalen Produkten, werden schon viele analoge Produkte mit dem Nicht-Absoluten ausgestattet. Bücher enthalten Links oder Augmented Reality-Inhalte. Manche sind sogar so konzipiert, dass sie stets erweiterbar sind. Aus meiner Sicht sind das nur Hybridmedien, die irgendwann den nächsten Schritt machen werden. Dorthin, wo nichts mehr absolut und in Stein gemeißelt ist. Dieser Ansatz, dass nichts absolut und alles in Bewegung ist, wird mich sicher noch weiter in meiner Masterarbeit begleiten.

Quellen
  1. Rötzer, Florian: »Gespräch mit Florian Rötzer, München 1991« in: Röller, Nils; Wagnermaier, Silvia (Alle Hg.): »absolute Vilém Flusser«, Freiburg 2003, S. 11 f.
  2. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 9.
  3. Vgl. Ebd., S. 329.
  4. Vgl. Rötzer, Florian: »Gespräch mit Florian Rötzer, München 1991« in: Röller, Nils; Wagnermaier, Silvia (Alle Hg.), »absolute Vilém Flusser«, Freiburg 2003, S. 13.

Formsuche

Nach der Entscheidung, dass mein Master-Projekt möglicherweise eine Medieninstallation werden könnte, lote ich zur Zeit aus, welche Parameter mir bei der Form wichtig sind.

Nach der Entscheidung, dass mein Master-Projekt möglicherweise eine Medieninstallation werden könnte, lote ich zurzeit aus, welche Parameter mir bei der Form wichtig sind. Sehr spannend finde ich Installationen, bei der eine Transformation von virtuellen Inhalten in mechanische Objekte stattfindet. Bestenfalls basieren die Projekte zusätzlich auf theoretischen Inhalten. Vor kurzem habe ich beispielsweise das Projekt »Pulse« von Markus Kison vorgestellt, welches in einem Objekt, die Gefühlswelt von WordPress-Blogs widerspiegelt. Die Arbeit, welche aus meiner Sicht eine hervorragende Kombination aus Technik, digitaler und mechanischer Welt, theoretischer Basis, gesellschaftlicher Komponente und – durch die Offenlegung der Technik – toller Ästhetik ist, inspiriert mich ungemein.

In den nächsten Schritten möchte ich weitere Installationen kennenlernen und auch ihre technische Entwicklung durchleuchten. So kann ich nicht nur einen eigenen Ansatz entwickeln, sondern bestenfalls auch eine grobe Idee bezüglich der technischen Realisierung erhalten.

Neuer Raum – neue Zeit: Neu denken

Das Digitale definiert räumliche und zeitliche Gegebenheiten nicht nur neu, sondern stellt sie gänzlich auf den Kopf. Eine einfache Übertragung von Nicht-Virtuellem ins Virtuelle erfüllt dabei nicht alle Ansprüche. Die Virtuelle Welt muss neu erdacht werden.

In meinem Beitrag »Das globale Dorf – Raum, Zeit und Dynamik« ging es im Zusammenhang mit Marshall McLuhan bereits um die Auflösung von Raum und Zeit. Dort gehe ich schon im Detail auf seine Ausführungen ein.

Nach wie vor fällt es mir schwer, die im orientalischen und asiatischen Raum vorherrschende Denkweise nachzuvollziehen. Während ich als abendländischer und sequentiell denkender Mensch, Information strukturell einordne, führt die Prägung durch die rechte Gehirnhälfte dazu, dass dort Geschehnisse und Prozesse in gleichzeitige Beziehung gesetzt werden.

Zwar war mir durch McLuhan damals schon klar, dass Information unabhängig von Raum und Zeit transportiert werden kann und sich dadurch beide auflösen. Das Buch »Kultur der Digitalität« von Felix Stalder lässt mich jedoch erst jetzt verstehen, inwiefern sich die abendländische Denkweise an die asiatische anpassen wird und was die Auflösung von Zeit und Raum bedeuten kann.

Wörtlich schreibt Felix Stadler folgendes: »Der raumzeitliche Horizont der digitalen Kommunikation ist eine globale, das heißt ortlose Dauergegenwart. Die technische Vision der digitalen Kommunikation ist immer das Hier und Jetzt. Bei verzögerungsloser Informationsübertragung ist alles, was nicht ›hier‹ ist, unerreichbar und alles, was nicht ›jetzt‹ ist, verschwunden«1. Des Weiteren beschreibt er, dass versucht wird eine »endlose globale Gegenwart« herzustellen.2

Diesen Absatz finde ich in zweierlei Hinsicht sehr spannend. Zum einen macht es mir wie bereits erwähnt verständlicher, was die Auflösung von Zeit und Raum bedeuten kann: Zeitliche und räumliche Grenzen werden binnen Millisekunden überwunden, was unserer gewohnten Welt und Physis widerspricht. Zwar bewegen wir uns immer schneller fort, doch die Vision des Beamens, spricht einer ähnlich schnellen Überwindung von Zeit und Raum innerhalb von Millisekunden, bleibt bisher nur eine große Sci-Fi-Utopie.
Zum anderen besteht das Internet aus dem Hier und Jetzt. Neben Stalders genannten Punkten bedeutet das: Vergangene Inhalte spiegeln zwar bedingt eine zeitliche Abfolge wider, aber durch den digitalen Gedächtnisverlust – mit dem ich mich näher in »Die Hypergeschichte« auseinandersetze – bedeutet das nicht zwingend, dass das Internet eine geschichtliche Abfolge anzeigt. Im Gegenteil: Durch Datenverlust (sei es durch Löschung oder Nichtüberführung in neue Technologien), Überspeicherung und Veränderung tritt ein Zustand der Geschichtslosigkeit sowie eine immer währende Gegenwart ein. Im Gegensatz zu meiner damaligen Vermutung bin ich nun überzeugt davon, dass nachfolgende Generationen durchaus eine gewisse geschichtliche Abfolge nachvollziehen können. Damit große Ereignisse und allgemeine Errungenschaften einfach so verloren gehen, müsste sehr viel passieren. Für viel problematischer halte ich es jedoch zwischenzeitlich für Inhalte, die nicht von allgemeiner Wichtigkeit sind. Unabhängig von Content-Art, sei es Firmen-Website, Portfolio oder soziales Netzwerk sehe ich riesige Verluste, wenn diese gelöscht werden. Für uns ist es heute eine einfache Überarbeitung der Website, da man die alte nicht mehr für zeitgemäß oder schön hält. Für die Zukunft bedeutet das ein fehlendes Teil Geschichte. Wenn man bedenkt, dass für die heutige historische Forschung jede Banalität wie z. B. Essbesteck von großer Bedeutung ist, um frühere Zustände zu rekonstruieren, ist dieser Gedanke nicht zu unterschätzen und meiner Meinung nach sogar extrem wichtig.

Abschließend möchte ich noch auf die Bibliothek Europeana zu sprechen kommen, die mir bereits bekannt war und von Stalder kurz angerissen wird. Er führt aus, dass in dem Archiv Schätzungen zu Folge vierzig Millionen Objekte vorhanden sind und insgesamt in den »europäischen Archiven und Museen mehr als 220 Millionen natur- und 260 kulturgeschichtliche Objekte«3 lagern. Zum einen hält er es für problematisch, dass es »schwer festzustellen ist, ob ein bestimmtes Werk, eine entscheidende Referenz fehlen, wenn an seiner oder ihrer Stelle eine Fülle anderer gefunden wird«4. Zum anderen merkt er an, dass sich einzelne Objekte aus ihrer übergeordneten Narration lösen, die das Museum oder Archiv hergestellt haben. Dadurch werden sie zum einen bedeutungsoffener und zudem besteht der einzige Zusammenhang zwischen Suchanfrage und die durch Suchalgorithmen gefundenen Ergebnisse.5
Ersteres hinterfragt die Vollständigkeit. Wird es gelingen alle Objekte digital zugänglich zu machen? Meine persönliche Meinung: Ja. Aus meiner Sicht ist es nur eine Frage der Zeit. Für Probleme, die es in diesem Zusammenhang gibt, z. B. rechtliche Hürden, wird es langfristig eine Lösung geben. Zudem sollte es ein Anliegen aller sein, kulturelle Objekte für alle zugänglich sowie konservierbar zu machen.
Dass sich die Objekte aus ihrer Narration lösen, halte ich für ein viel größeres Problem. Sicherlich kann man einzelne, nicht-virtuelle Gegebenheiten ins Digitale bringen, doch eine komplette Übertragung halte ich für fast unmöglich. So kann man beispielsweise bestimmten Werke auch im Digitalen ihren Platz in bestimmten Sammlungen geben, bei der Übertragung von Orten bin ich jedoch sehr kritisch. Ob ein Werk im Guggenheim-Museum in Bilbao oder im Pariser Louvre steht, macht manchmal durchaus einen Unterschied. Das einfach nur zu wissen, reicht aus meiner Sicht nicht aus. Daher wird es an dieser äußerst Stelle wichtig werden, nicht nur eine einfache Digitalisierung zu vollziehen, sondern eine tatsächliche Transformation. Die Orte Museum und Archiv müssen komplett neu gedacht werden.

Insgesamt hat mich Stalders Buch nicht begeistert, da es mir trotz vorgestellter Struktur teilweise als lose Sammlung sämtlicher digitaler Themen vorkam. Dennoch konnte ich zum einen Antworten auf Fragen finden und zum anderen hat es mich in vielerlei Hinsicht zu neuen Fragen inspiriert. Allein dafür hat sich das Buch zur Recherche definitiv gelohnt.

Quellen
  1. Stalder, Felix: »Kultur der Digitalität«, Berlin 2016, S. 147.
  2. Vgl. Ebd.
  3. Ebd., S. 107.
  4. Ebd., S. 112.
  5. Vgl. Ebd., Berlin 2016, S. 115.

Schöne simulierte Welt

Dass wir Menschen in einer Computersimulation leben, ist kein neuer Gedanke. Durchforscht man das Internet, findet man jahrealte Artikel, die sich mit diesem Themen beschäftigen und es können sogar schon winzig kleine Stücke simuliert werden. Aus diesem Grund war einer meiner Gedanken, diesen Ansatz für mein Master-Projekt zu übernehmen.

Dass wir Menschen in einer Computersimulation leben, ist kein neuer Gedanke. Durchforscht man das Internet, findet man jahrealte Artikel, die sich mit diesem Thema beschäftigen und es können sogar schon winzig kleine Stücke simuliert werden. Aus diesem Grund war einer meiner Gedanken, diesen Ansatz für mein Master-Projekt zu übernehmen. Bisher ist dabei nur eine lose Ideensammlung entstanden, wie diese Welt aussehen könnte.

Der Steigbügel im Ohr – der kleinste Knochen des Menschen – wäre das Herzstück der Simulation. Er ist die Quelle aller Impulse und der Mensch wird unbemerkt über ihn gesteuert. Da die DNA des Affen zu fast 100 % der des Menschen ähnelt sind wir damit – als nicht allzu hoch entwickelte Primaten– einfach nur Affen mit Chips. Als Belohnung für unser Durchhaltevermögen im Spiel des Lebens gibt es Goodies und neu freigespielte Level: So z. B. Aufklärung, Freiheit oder auch einfach nur Facebook und Skype. Systeme wie Facebook oder WordPress-Blogs, generell das World Wide Web, sind interne Spielboards über die sich die Spieler austauschen können. Diese Systeme wurden – verbunden mit einem Riesenhype – nachträglich implementiert. Neben Goodies kann man des weiteren im Level steigen, in der die Spielewelt immer komplexer wird. Man erhält mehr Informationen, ist mehr Gefahren ausgesetzt und das Spiel wird schneller. Die Schwierigkeitskurve steigt. Nach einem GameOver startet man an einer anderen Stelle neu, innerhalb des Spiels wird es in manchen Teilen Wiedergeburt genannt. Durch Fehler im Gesamtsystem kommen die Einwohner der Simulation auf die Spur und werden durch eine Ausschüttung lustiger Gadgets abgelenkt bis das System repariert wird. Ausartende Vergnügen und lustige Memes auf ihren Boards reichen dabei bisher aus. Absurderweise sorgen sich die Teilnehmer über Dinge wie den Datenschutz, obwohl sie selbst aus Programmcode bestehen, den Wissenschaftler geschrieben haben und ihnen somit nicht gehört.

Diese ersten Ideen sind noch nicht ausgereift, bieten mir jedoch eine Grundlage für weitere Recherchen und Überlegungen. Zusätzlich möchte ich mich mit den Theorien des Parallel- und Blockuniversums sowie des Multiversums beschäftigen.

»Pulse« von Markus Kison

Durch Markus Kisons Arbeit »Touched Echo« habe ich eine weitere Arbeit namens »Pulse« entdeckt. Die theoretische Grundlage bildet dabei die Emotionstheorie von Robert Plutchik aus dem Jahr 1980, welcher acht grundlegende menschlichen Emotionen beschreibt.

Durch Markus Kisons Arbeit »Touched Echo« habe ich eine weitere Arbeit namens »Pulse« entdeckt. Die theoretische Grundlage bildet dabei die Emotionstheorie von Robert Plutchik aus dem Jahr 1980, welcher acht grundlegende menschlichen Emotionen beschreibt. Dazu gehören Freude, Vertrauen, Angst, Überraschung, Trauer, Ekel, Wut und Erwartung. Mit dieser theoretischen Ausgangslage entwickelt er ein flexibles Objekt, das in 24 Bereiche aufgeteilt ist und welches auf Daten privater WordPress-Blogs zugreift und reagiert. Wenn ein Tag oder Synonym der Emotion im Netz erwähnt wird, ändert sich dementsprechend das Objekt und ist somit eine Echtzeit-Visualisierung der virtuellen Emotionswelt.

Pulse von Markus Kison
Das in 24 Bereiche aufgeteilte, flexible ObjektII

Selbst wenn ich die technische Umsetzung noch nicht durchschaut habe, halte ich das Projekt für eine beeindruckende Transferleistung, die ihren Anfang in der Theorie genommen hat. Das hilft mir vor allem bezüglich meines Masterthemas, da man an dieser Arbeit gut erkennen kann, dass die Theorie einen maßgeblichen Anteil an ihr besitzt und nicht nur als theoretische Ausschmückung innerhalb der Dokumentation dient. Zwar ist das ein bereits beschriebener Weg, den wir bestenfalls innerhalb des Masterstudios gehen sollten, dennoch fällt es mir schwer die Theorie nicht nur als Beiwerk zu sehen. Nicht weil ich die Theorie nicht schätze, sondern gerade weil ich theoretische Hintergründe sehr schätze. Die Vorstellungen davon ist meist nur sehr unkonkret und deshalb hilft mir die Arbeit sehr im Hinblick auf die Praxis.

Abbildungen
  1. Titelbild: Kison, Markus: »Pulse overall view«, abgerufen am 23.7.2016, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0.
  2. Kison, Markus: »pulse«, abgerufen am 23.7.2016, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0.

Ästhetische Veränderung des World Wide Web als Werkzeug der Erzählung durch Technologie

Zu Beginn meiner Masterarbeit war einer meiner Ansätze, die Veränderung des Webs seit Beginn an zu untersuchen. Wichtig war mir dabei die Untersuchung der Symbiose zwischen dem WWW und der Gesellschaft. Ein neuer Ansatz beschreibt die Überlegung, inwiefern sich das World Wide Web als Werkzeug der Erzählung durch technologische Entwicklungen ästhetisch verändert.

Zu Beginn meiner Master-Arbeit war einer meiner Ansätze, die Veränderung des Webs seit Beginn an zu untersuchen. Wichtig war mir dabei die Untersuchung der Symbiose zwischen dem WWW und der Gesellschaft. Während ich mich in den letzten Monaten auf andere Fragestellungen und Ansätze fokussiert habe, rückt diese Überlegung zurück ins Zentrum, da ich regelmäßig feststelle, dass ich dieses Thema unheimlich spannend finde.
In meiner anfänglichen Fragestellung (Erste Fragestellung meiner Master-Arbeit ») ging es darum, inwiefern sich die Gestaltung im World Wide Web und die Veränderung der Gesellschaft durch das World Wide Web gegenseitig beeinflussen. So führt beispielsweise eine veränderte Nutzung, ausgelöst sowohl durch das WWW als auch durch neue Technologien, wiederum zu neuen Gestaltungsansätzen im Web. Neue, intuitivere Gestaltungsansätze beispielsweise treiben wiederum die engere Verschmelzung zwischen Mensch und Technik an, indem grafische und technologische Hürden abgebaut werden.

Die ästhetische Veränderung des Webs

Die beschriebene Überlegung ist sehr weit gefasst, so dass es aus meiner Sicht unmöglich ist, sämtliche gesellschaftliche und technologische Veränderungen der letzten 25 Jahre in ein konkretes Projekt zu überführen. Aus diesem Grund begrenze ich mich zunächst auf den technologischen Aspekt. Diese Eingrenzung schließt zwar zum einen gesellschaftliche Themen nicht komplett aus und ist zum anderen noch immer sehr allgemein gefasst. Jedoch bin ich überzeugt, dass eine schrittweise Eingrenzung und erneute, überlegte Ausweitung meines Themenkomplexes, zum Ziel führen wird.

Ich konzentriere mich dabei auf die ästhetische Veränderung des World Wide Webs als Werkzeug der Erzählung durch technologische Entwicklungen. Nach wie vor, interessiert mich dabei ein Teil der Netzkunst im Web. Aus meiner Sicht werden durch die vermeintlich nichtkommerziellen Projekte häufig die Möglichkeiten und Grenzen von Ästhetik und Technologie radikaler ausgelotet. Zum einen besitzen sie eine sehr eigene, spannende Ästhetik zum anderen eine sehr besondere Anmutung. Das kann natürlich auch bei kommerziellen der Fall sein, jedoch halte ich es für unwahrscheinlich, dass beispielsweise ein Kreditinstitut eine Webseite zur Eigenwerbung präsentiert, die sämtliche Grenzen der konventionellen Gestaltung überschreitet.
Im Weiteren möchte ich mich mit den angesprochenen Punkten auseinandersetzen, um dann weitere Eingrenzungen oder Ausweitungen vorzunehmen, sowie eine Richtung innerhalb meiner Master-Arbeit festzulegen.

the surface: Resümee

Das Projekt »the surface«, das Teil der Ausstellung »Planet B – 100 Ideen für eine neue Welt« im NRW-Forum sein konnte, wurde von den Besuchern gut angenommen. Es löste wie erhofft Diskussionen aus und wurde als radikalstes Konzept der Ausstellung wahrgenommen.

Das Projekt »the surface«, das Teil der Ausstellung »Planet B – 100 Ideen für eine neue Welt« im NRW-Forum sein konnte, wurde von den Besuchern gut angenommen. Es löste wie erhofft Diskussionen aus und wurde als radikalstes Konzept der Ausstellung wahrgenommen.

Schon von Weitem konnte der monotone Sound wahrgenommen werden, der die gedrückte Stimmung der geloopten Videos unterstrich. Diese Atmosphäre passte hervorragend zu unserem dystopischen Ansatz und insgesamt funktionierte das Ausstellungskonzept weitaus besser als ursprünglich angedacht. Die Entscheidungen mit Sound und mehreren Bildschirmen – anstelle nur eines Bildschirms – zu arbeiten, waren dabei die wichtigsten.

Abschließend sind wir sehr zufrieden mit dem Ergebnis und denken darüber nach »the surface« noch einmal in einem anderen Kontext auszustellen. Interessant wäre dabei die Wirkung des Projekts, wenn es abgelöst vom Gesamtkontext zugänglich ist. Sprich ohne das Wissen, dass »eine Idee für eine neue Welt« gesucht wurde, sowie ohne weitere Projekte in unmittelbarer Nähe, die die weltferne Stimmung sicherlich stark unterstützt haben.

the surface: Die ersten fertigen Produkte

Nur noch vier Tage bis Ausstellungsbeginn. Der Architektenplan ist im Druck und der Kubus, der noch weiter bearbeitet werden muss, gegossen. Die Filme werden bald fertig sein und Bryan sucht nach einer Lösung, das LED auf Sound reagieren zu lassen.

Der Architektenplan für »the surface« ist zwischenzeitlich im Druck und der Würfel soweit gegossen. Er muss morgen noch mit einer Steinsäge und Schleifpapier weiter bearbeitet werden und wir hoffen, dass das Plexiglas gut mit dem Würfel verklebt werden kann. Bryan arbeitet währenddessen an einer Möglichkeit, das LED-Licht auf Umgebungs-Sound reagieren zu lassen. Thao organisiert die Ausstellung und koordiniert alles, damit wir am Samstag den Transport und Aufbau gut über die Bühne bekommen und es ab Sonntag losgehen kann.

Kubus »the surface«
Ein gegossener Teil des Kubus (Foto: Katharina Kleinert)

Das erste Video ist nun auch finalisiert und neben dem Export des reinen Algorithmus wird von meiner Seite noch ein Film, in dem verschiedene Naturkatastrophen zusammengeschnitten werden, fertig gestellt. Bryan arbeitet weiter an Videos, die zeigen wie »the surface« die Erdoberfläche überzieht, sowie an fiktiven Berechnungen, wie sich die Welt zukünftig verändert. Besonders gut gefallen mir dabei die Angaben, inwieweit z. B. die Erdkrümmung korrigiert oder der Erdkern gereinigt wurde. Zusätzlich wird er noch eine Slideshow erstellen, die alle Grafiken zeigt.


Passwort: surface

Das Video habe ich an Hand meines Storyboards umgesetzt, die animierten 3D-Grafiken innerhalb des Films hat Jonas erstellt.

Inzwischen ist klar, dass anstelle eines angedachten Videos ein ganzes Sammelsurium von Videos entsteht. Damit bekommt der Video-Part zum einen mehr Gewicht. Zum anderen denke ich, dass es in der Ausstellung mächtiger wirkt, wenn mehrere Bildschirme mit vielen Videos bespielt werden, anstelle von einem auf einem Bildschirm, wie anfänglich geplant.

Wenn es stimmt, sollten bald die Architektenpläne eintreffen, die wir dann noch von Hand falten müssen. Sonst kann es bald losgehen!

Planet B: Start der Umsetzung

Heute haben wir uns zum ersten Mal für die Umsetzung von »the surface« getroffen. Der Arbeitstitel bleibt dabei der richtige Titel mit dem wir nun ausstellen wollen. Wir haben nun noch eine Woche Zeit unsere Ideen weiter zu konkretisieren und umzusetzen.

Heute haben wir uns zum ersten Mal für die Umsetzung von »the surface« getroffen. Der Arbeitstitel bleibt dabei der richtige Titel mit dem wir ausstellen wollen. Wir haben noch eine Woche Zeit, unsere Ideen weiter zu konkretisieren und umzusetzen.

Das Objekt: Der Kubus

Der Kubus ist der Mittelpunkt der Ausstellung, da er alles beinhaltet, was auf Planet B die Grundbedürfnisse der Menschheit abdeckt. Wie zuvor angesprochen sollte er eine nahezu perfekte Oberfläche haben, um eine auratische Ausstrahlung zu erzeugen. Zu Beginn waren mehrere LEDs angedacht, die die einzelnen Bedürfnisse und deren Ladestatus anzeigen sollten. Zwischenzeitlich haben wir uns dazu entschieden, dass wir nur eine LED-Farbe verwenden, die einen kompletten Teil des Würfels einnimmt, anstelle kleiner Schlitze.
Für den Kubus sind Katherina Kleinert und Ümmü Ünal verantwortlich, die bis heute schon ein 3D-Modell angefertigt haben.


»the surface« | 3D-Modell
»the surface« | 3D-Modell von Katherina Kleinert und Ümmü Ünal

Als Material wird für den Stein schwarze Fugenmasse verwendet, für den blauen Zwischenpart Plexiglas, hinter das anschließend ein blaues LED-Licht geschalten wird.
Kathe und Ümmü haben heute die Gussform hergestellt, um den Würfel nach dem Wochenende gießen zu können. Des Weiteren haben sie mit der Fugenmasse experimentiert, um die richtige Konsistenz für das Objekt zu finden.

Corporate Design und Grafiken

Wir entscheiden uns, kein vollständiges Corporate Design zu entwickeln. Es wird lediglich einzelne Elemente geben, die wiederkehrend auftauchen. Dazu gehört zum Beispiel weißer Text auf schwarzer Fläche und die Grundfarbe Blau (0, 0, 255), während sonst alles schwarz-weiß erscheinen wird. Die Bildwelt wird ein Sammelsurium aus veränderten Tabellen und Grafiken bilden, die mit blauen Elementen angereichert werden. Darum kümmern sich Bryan Mischling, Jonas Möllenbeck, Thao Tran und Ines Wingenbach.

Printmedien

Nachdem wir anfänglich mit mehreren Printmedien geplant hatten, gestalten wir nun nur eine Ausstellungsinformation, die in Form eines Architektenplans gedruckt wird. Darauf erscheint unser Ausstellungstext sowie eine Auswahl der erstellten Tabellen und Grafiken. Den Plan setzen Jonas, Thao und Ines um.

Text

Der Text erklärt das Projekt »the surface«, erwähnt jedoch nicht, dass es eine von uns erschaffene Dystopie darstellt. In der Ausstellung möchten wir die Vorstellung, es könnte sich um eine ernst zu nehmende Technologie handeln, aufrechterhalten. Dadurch erhoffen wir uns, dass eine Diskussion über die Dystopie selbst und nicht über deren Umsetzung entfacht wird. Den vorläufigen Text hat Felix Vorbeck geschrieben, während Ines ihn weiter entwickelt und finalisiert hat.

Film

Für den Film, der auf einem Bildschirm neben dem Kubus im NRW-Forum abgespielt werden soll, habe ich bis heute ein erstes animiertes Storyboard entwickelt. Das Storyboard ist noch nicht grafisch ausgearbeitet, sondern stellt den grundsätzlichen Verlauf dar. Des Weiteren werden wahrscheinlich einige Elemente, wie z. B. die Person neben dem Code gestrichen. Den Film werde ich umsetzen, während Jonas die animierten 3D-Modelle bauen wird. Durch das Storyboard ist die Idee entstanden, den Algorithmus auf einem 2. Bildschirm zu zeigen.


Passwort: storyboard

Des Weiteren wird Bryan animierte 3D-Sequenzen erstellen, die zeigen, wie sich »the surface« auf der Erde und dessen Gelände ausbreiten wird. Aus diesem Grund haben wir heute gemeinschaftlich entschieden, dass es nicht nur 1–2 Bildschirme geben wird, sondern bestenfalls eine Videowand aus 3–4 Bildschirmen, auf denen die Videos zufällig wiedergegeben werden.

Das wird schon

Wir haben noch eine Woche, um das Projekt umzusetzen und es ist noch viel zu tun: Gestalten, entwerfen, entwickeln, gießen, drucken, schneiden, kleben, organisieren, besorgen. Aber nachdem wir vor einer Woche nicht einmal sicher waren, ob das noch klappt, wissen wir nun: Das wird schon!

Generation mitten im Wandel

Im Rahmen meiner Recherche habe ich bereits wichtige Erkenntnisse des Buchs »The digital turn – Design in the Era of Interactive Technologies« festgehalten. Zwei weitere Essenzen finde ich im Essay »The end of the word as we know it» von Lustlab, sowie »Digital Culture: From open design to creating your own future« von Susanne Stauch.

Im Rahmen meiner Recherche habe ich bereits wichtige Erkenntnisse des Buchs »The digital turn – Design in the Era of Interactive Technologies« festgehalten (Empathische Interaktion »).

Zwei weitere Essenzen finde ich im Essay »The end of the word as we know it« von Lustlab, sowie »Digital Culture: From open design to creating your own future« von Susanne Stauch.

Unsere Fähigkeiten gehen durch den digitalen Wandel nicht verloren

Lustlab spricht über den aktuellen Wandel, dem vor allem auf Papier geschriebene Bücher zu Lasten fällt. Doch selbst, wenn diese nicht mehr da sein werden, wird noch immer »die Fähigkeit Geschichten aufzuzeichnen, mit geschriebener Sprache zu kommunizieren und Geschichten zu erzählen überleben«. Des Weiteren verändert sich zwar unsere Art zu lesen, doch noch »nie zuvor haben wir mehr gelesen und geschrieben als jetzt.« Zwar ist der Weg kürzer und informeller, doch pro Sekunde werden Millionen von E-Mails, Textnachrichten, Facebook-Updated oder Tweets geschrieben.1
Diese Essenz ist nicht revolutionär, doch halte ich sie für eine spannende Perspektive, die man meist nicht einnimmt. Häufig macht sich eher das schlechte Gewissen breit, nicht ausreichend (Bücher) zu lesen. Des Weiteren spricht Lustlab davon, dass unsere Erwartungen an den Wandel und die Technologie sehr zwiespältig sind: Zum einen möchten wir, dass uns Aufgaben abgenommen werden und vieles automatisiert wird, andererseits fordern wir die Fähigkeit der Individualisierung.2

Mitten im Wandel

Diese Massen-Individualisierung nimmt auch Stauch in ihrem Essay auf. Diesen Punkt erwähne ich vor allem deshalb, weil sich eine Generation und ein Zeitgeist häufig erst rückblickend sehen und verstehen lässt. Zwar kennen wir alle die Bewegungen der letzten Jahre, doch scheint das Ausmaß dieses Wandels erst aufgezählt und niedergeschrieben an Gewicht zu gewinnen.
Sie spricht davon, dass sich die kreative Avantgarde, die junge Generation, kritisch auflehnt und eine Haltung des Anti-Establishment einnimmt. Wie sie recyclebares Design entwickelt, Objekte reparieren möchte anstelle sie wegzuschmeißen. DIY und alte Handwerkskunst werden wieder beliebt, Open-Source-Projekte, Co-Working und File Sharing sind weit verbreitet. Es gibt urbane Guerilla-Aktionen, Flashmobs und vieles mehr, was uns als Designer dazu zwingt, Dinge zu überdenken, uns selbst neu zu positionieren und das wahre Potential des offenen und kritischen Denkens in unsere Arbeitsmethoden einfließen zu lassen.3
Des Weiteren spricht sie sinngemäß davon, dass die Aufgabe des Designers viel weiter geht als die des reinen »Aufhübschens«: Neben Themen wie Nachhaltigkeit (Umweltverträglichkeit, Lebenszyklen oder Materialität), reflektieren wir die Usability und Nutzerfreundlichkeit interaktiver Produkte und sollten neben dem technischen Verständnis bestenfalls noch Kenntnisse über Psychologie oder Soziologie mitbringen.4 Zwar bestand die Arbeit des Designers noch nie aus reinem Aufhübschen, doch die Themenfelder scheinen aus meiner Sicht zu wachsen und komplexer zu werden.

Stauch versucht damit die aktuelle Lage zu reflektieren, in der wir im »globalen Dorf« in einer Zeit des Teilens und der Gemeinschaft leben, selbst wenn es sich häufig nicht so anfühlt. Es ist ein Wandel im Gang und die Themengebiete der Designarbeit sind sehr komplex und unheimlich spannend. Es stehen jede Menge Möglichkeiten offen und es ist viel Platz und Bedarf für Innovationen, um diesen Wandel sowohl zu bewerkstelligen als auch weiterzutreiben.

Quellen
  1. Vgl. Lustlab: »The end of the word as we know it«, in: Junge, Barbara; Eds.: Zane, Berzina; Scheiffele, Walter; Westerveld, Wim; Zwick, Carola, »The digital turn – Design in the Era of Interactive Technologies«, Berlin 2012, S. 13.
  2. Vgl. Ebd., S. 15.
  3. Vgl. Stauch, Susanne: »Digital Culture: From open design to creating your own future«, in: Junge, Barbara; Eds.: Zane, Berzina; Scheiffele, Walter; Westerveld, Wim; Zwick, Carola, »The digital turn – Design in the Era of Interactive Technologies«, Berlin 2012, S. 263.
  4. Vgl. Ebd.

Planet B: Konzept für »the surface«

Zur Zeit konkretisieren wir unser Konzept für »the surface«.
Wir haben festgelegt, dass »the surface« ein Kubus ist, der die Natur gänzlich ersetzen soll. Er übergibt dabei die Erde als Megastruktur und soll in unserer Dystopie die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen erfüllen: Wasser, Energie, Sauerstoff, Nahrung, Licht und Internet.

Zur Zeit konkretisieren wir unser Konzept für »the surface« (Projekt für die Ausstellung »Planet B – 100 Ideen für eine neue Welt!« im NRW-Forum »).
Wir haben festgelegt, dass »the surface« ein Kubus ist, der die Natur gänzlich ersetzen soll. Er überzieht dabei die Erde als Megastruktur und soll in unserer Dystopie die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen erfüllen: Wasser, Energie, Sauerstoff, Nahrung, Licht und Internet. Ein fiktiver Algorithmus steuert dabei die Vorgänge und ist somit der Lebensmittelpunkt der Menschen auf Planet B, da man gänzlich auf ihn vertrauen kann. Zusätzlich möchten wir fiktive wissenschaftliche Fakten schaffen, die die innovative Technologie belegt.

Das Objekt selbst soll aus einem Material sein, das eine perfekte Oberfläche besitzt, eingebaute LEDs zeigen dabei den Ladestatus des jeweiligen Bedürfnisses an. Des Weiteren muss für die Ausstellung ein Ausstellungsdesign, das Corporate Design, Grafiken, Printmedien, Texte und ein Film entwickelt werden, die wir je nach Schwerpunkten aufteilen.

Aus grafischer Sicht möchten wir komplexe Zeichnungen anfertigen und verwenden, die die Entwicklungsphase des Kubus und der Technologie visualisieren, jedoch nicht näher erklären. Das gleiche trifft auf den Film zu, da wir kein Produkt herstellen, das vermarktet wird, sondern eine Dystopie, die als Diskussionsgrundlage im Museum dienen soll.

Voraussichtlich werden wir erst in den Semesterferien mit der Umsetzung des Projekts beginnen, vom 7.8–15.8 werden wir das Projekt dann im NRW-Forum ausstellen.

Erstes Experiment mit der giphy-Bibliothek

Für einen erstes Experiment habe ich einen vorhandenen Text verwendet, der innerhalb meiner Bachelor-Arbeit entstanden ist. Mein Bachelor-Projekt »Ohne Ich« ist eine audiovisuelle Auseinandersetzung im Kontext der aktuellen Lebenswelt und besteht aus 16 poetischen Texten. Die Tonspur ist 1:1 aus meiner Arbeit übernommen. Für mein Experiment habe ich nun via Slack einzelne Wörter und Phrasen in animierte GIFs übersetzt.

Vor etwa einer Woche hatte ich die Überlegung, die giphy-Bibliothek für Erzählungen zu nutzen (Giphy-Datenbank als Grundlage digitaler Erzählungen »).

Das Experiment

Für ein erstes Experiment habe ich einen vorhandenen Text verwendet, der innerhalb meiner Bachelor-Arbeit entstanden ist. Mein Bachelor-Projekt »Ohne Ich« ist eine audiovisuelle Auseinandersetzung im Kontext der aktuellen Lebenswelt und besteht aus 16 poetischen Texten. Die Tonspur ist 1:1 aus meiner Arbeit übernommen. Für mein Experiment habe ich nun via Slack einzelne Wörter und Phrasen in animierte GIFs übersetzt. Zuerst wollte ich konsequent den Unterschied von einzelnen Wörtern oder Phrasen beibehalten. Sprich eine Version, die nur aus einzelnen Wörten entstanden ist, eine Version aus Zeilen oder zusammengehörenden Wörtern. Da das leider nicht möglich war und teilweise zu keinem Ergebnis geführt hat, ist nun eine Mischung aus beiden Herangehensweisen entstanden.


Passwort: freude

Das Ergebnis

Das Ergebnis kann man leider nicht als vollständig funktionierend bezeichnen. Der Text ist grundsätzlich viel zu schnell für die animierten GIFs, so dass es – vor allem wenn man den Text nicht kennt – schwierig ist sowohl der auditiven als auch visuellen Welt zu folgen. Wenn man das Ganze humoristisch sieht, sind die Bilder jedoch grundsätzlich passend.

Das nächste Experiment

Für einen weiteren Versuch wäre es sinnvoll, einen Text zu wählen der langsamer ist oder einen neuen Text – spezifisch für das Experiment – zu schreiben. Des Weiteren ist es nach erster Einschätzung wichtig, dass die Texte eine starke Bildsprache haben müssten, so dass die giphy-Bibliothek passende Ergebnisse liefern kann.

Abbildungen
  1. Titelbild: American Idol, giphy, abgerufen am 6.5.2016.
Abbildungen im Video

Die Bilder sind der Reihenfolge nach im Video zu finden, alle abgerufen am 6.5.2016.

Von Sternenhimmeln und Midi-Dateien

Olia Lialina nimmt sich der einzelnen Elemente an, die in den 90er Jahren populär und massenhaft im World Wide Web zu finden waren. Das Web ist noch nicht alt, die Menschen in Aufbruchstimmung und die Utopie, dass es dort einen wirklich freien und geschützten Raum für alle gäbe.

»Digital Folklore – To computer users, with love and respect« von Olia Lialina und Dragan Espenschied (Ed.) beschäftigt sich so wie die gesamte Arbeit der Medien- bzw. Netzkünstler mit der Webkultur der 90er Jahre.

Olia Lialina nimmt sich der einzelnen Elemente an, die in den 90er Jahren populär und massenhaft im World Wide Web zu finden waren. Dazu gehören die Under Construction-Schilder, Sternenhimmel als Hintergründe, Freie Kollektionen von Webelementen, Links sowie Linksammlungen, Midi-Lieder, die noch heute im Ohr nachklingen, Frames, das Tilde-Zeichen, die »Welcome to my Homepage«-Seite sowie große »Mail Me«-Buttons.1 Das alles steht für die 90er: Das Web ist noch nicht alt, die Menschen in Aufbruchstimmung und es gibt noch die Utopie, dass es dort einen wirklich freien und geschützten Raum für alle gäbe.

Mein 90er-Web

Ich persönlich war begeistert vom Web der 90er. Ich war häufiger online, als ich es tatsächlich sein sollte. Verglichen zu heute war die monatliche AOL-Flatrate von 30 Stunden aber natürlich lachhaft. Mit 14 (2000) habe ich meine erste Webseite bei geocities online gestellt und es war toll mit ersten Gästebüchern oder Foren eine Online-Plattform für meine Klasse schaffen zu können. Nichtsdestotrotz waren mir die Anfänge damals natürlich nicht vollends klar. Wie für die meisten Menschen war das WWW ein großer Spielplatz für mich. Ich war enthusiastisch und habe das Internet geliebt. Dennoch war mir mit 13/14 Jahren natürlich nicht der kulturelle Wert bewusst. Ich musste keine alternativen Nischen für meine Kunst finden oder viele Denkweisen meines bisherigen Lebens überdenken. Ich wuchs im Internet auf und konnte es so sehr schnell als Normalität annehmen.
Obwohl ich diesen Hype nicht als erwachsener Mensch wahrgenommen habe, war ich ein kleiner Teil davon und spüre noch heute, dass das Web der 90er eine gewisse Anziehungskraft ausstrahlt. Vielleicht mag es nostalgisch sein, doch ich erinnere mich gern an erste Experimente mit Frames, an erste geklaute Bildchen, die man hochladen konnte oder den Klang der Midi-Sounds.

Always under construction

Das Web wuchs weiter und die Under Construction-Schilder wandelten sich in Sätze wie »Always under construction«. Das Zeichen für ständige Aktualität bis im Web 2.0 die Beta-Versionen zum Standard nicht vollendeter Versionen war.2
Dieser Wandel ist für mich ein Zeichen dafür, wie sehr wir noch in der Gutenberg-Welt leben. Das Internet stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da dessen Eigenschaft daraus besteht, dass es ständig anwächst. Ein fortlaufendes Wachstum, ein täglich wandelbarer Raum, der von dieser Veränderung lebt und der ohne dessen Aktualität beinahe unbedeutend für uns wäre. Wir nutzen das Medium nicht überwiegend aus dem Grund, festgeschriebene und vollständige Informationen abzurufen. Das mag wichtig sein beim Recherchieren und natürlich suchen wir häufig nach Informationen, die uns weiterhelfen. Natürlich nutzen wir das Web auch als Tool für Flugbuchungen und Restaurantbewertungen. Doch der tägliche Umgang besteht wohl darin, die Veränderungen – die Neuigkeiten – abzugreifen. Neue Nachrichten der Welt, neue Trends bei Twitter, neue Posts bei Facebook oder neue Trends in der Designwelt. Das dürfte zumindest aus meiner Sicht den Großteil ausmachen.

Ein Hinweis dafür, wie sehr wir noch in der Welt ohne Internet und Computer leben, gibt auch Olia Lialina. Sie wundert sich darüber, wie viele Präfixe es gibt, nur um klar zu machen, dass etwas mit dem Computer hergestellt wurde oder über ein Computer Interface angesteuert werden kann: Net, web, media, computer oder digital.3 Wir scheinen noch großen Wert darauf zu liegen, diese Auswüchse klar zu kennzeichnen. Welcher Sinn steckt hinter Pendants wie Buch-Erzählung oder Literatur-Story?
Zugegeben verwende ich selbst häufig Präfixe dieser Art. Es ist das Bedürfnis genau zu definieren, um was es sich handelt und eine Unterscheidung zu treffen. Dennoch bräuchte man diese Präfixe spätestens dann nicht mehr, wenn man sich schon im Web bewegt.

Digital Folklore

Das Buch »Digital Folklore« ist ein wertvolles Buch, welches sich lohnt zu lesen. Projekte von Studenten der Merz Akademie Stuttgart zeigen einen experimentellen Umgang mit dem World Wide Web, Texte über Internet-Trends wie z. B. Lolcats, geben einen Einblick in die Internet-Kultur und Olia Lialina kann mich mit ihren Recherchen und Analysen zu der Kultur der 90er Jahre ohnehin stets neu begeistern.

Quellen
  1. Vgl. Lialina, Olia; Espenschied, Dragan: »Digital Folklore«, Stuttgart 2009, S. 20–33.
  2. Vgl. Ebd., S. 20f.
  3. Vgl. Ebd., S. 9.

Der Verlust der 90er Jahre

»Digital Folklore – To computer users, with love and respect« von Olia Lialina und Dragan Espenschied beschäftigt sich so wie die gesamte Arbeit der Medien- bzw. Netzkünstler mit der Webkultur der 90er Jahre.
Mit ihrer Arbeit »One Terabyte of Kilobyte Age« archivieren und analysieren sie Geocities-Webseiten, die kurz vor der Schließung des Webseiten-Dienstes, gesichert werden konnten. Auch in ihrem Buch weisen sie erneut darauf hin, dass unsere Inhalte auf MySpace, Facebook und Co. eines Tages gelöscht und vergessen werden könnten.

»Digital Folklore – To computer users, with love and respect« von Olia Lialina und Dragan Espenschied beschäftigt sich so wie die gesamte Arbeit der Medien- bzw. Netzkünstler mit der Webkultur der 90er Jahre.
Mit ihrer Arbeit »One Terabyte of Kilobyte Age« archivieren und analysieren sie Geocities-Webseiten, die kurz vor der Schließung des Webseiten-Dienstes, gesichert werden konnten. Auch in ihrem Buch weisen sie erneut darauf hin, dass unsere Inhalte auf MySpace, Facebook und Co. eines Tages gelöscht und vergessen werden könnten.1

Auch Luciano Floridi (Von der Kultur, die statisch wurde ») sieht das als problematisch an. Er spricht dabei vom digitalen Gedächtnisverlust, der z. B. durch veraltete Technologien zu Stande kommt, da diese nicht mehr nutzbar sind (z. B. Diskette) oder die Inhalte nicht von einer alten Technologie in eine neue übertragen werden (z. B. von der Diskette auf CD).2 Durch die Überspeicherung von Webseiten werden Dokumente in einen Zustand der Geschichtslosigkeit geführt und damit flüchtig wie die mündliche Kultur.3

Die Arbeit der zwei Künstler findet primär im Bereich Web statt und sie greifen vergangene Trends sowie die Aufbruchstimmung zu Beginn des Webs auf. Hier wird mir erneut bewusst, wie viel kulturelle Eigenheiten und Phasen durch die Löschung von Daten verloren geht. Schon jetzt ist es schwierig, die 90er Jahre im Web zu »finden«. Zwar ist es insgesamt noch ein leichtes, da viele der jetzigen Nutzer schon damals online waren und die Ästhetik und Stimmung des damaligen Web 1.0 kennen. Zudem gibt es schon erste Retrotrends, die die 90er imitieren. Dennoch werden die Webseiten dieses Jahrzehnts – bis auf die, die bewusst gespeichert werden – in naher Zukunft sicherlich verschwunden sein.

Unabhängig davon, ob es erste Firmenwebseiten oder Seiten für das eigene Haustier sind: Wie ist es möglich, die Daten und damit ein Teil der Kultur und Geschichte zu konservieren? Gibt es Parallelen zu Büchern, welche sicher auch nicht vollständig die Zeit überdauert haben? Und wie wichtig ist es überhaupt, dass möglichst alles noch in 20 Jahren auffindbar ist? Wie vermessen wäre es denn, das alles nicht zu speichern, wenn wir doch generell die Möglichkeit haben vieles zu speichern?

Ich denke, dass es in den nächsten Jahren enorm wichtig sein wird, auf diese Fragen eine Antwort und eine gute Lösung zu finden. Vielleicht ist es schon ein Anfang, wenn wir zumindest mit unseren eigenen Daten sorgfältiger umgehen.

Abschließend noch ein Hoffnungsschimmer: Zumindest mit der waybackmachine kann man sich 498 Milliarden Webseiten ansehen, viele von ihnen reichen bis in die 90er Jahre.

Quellen
  1. Vgl. Lialina, Olia; Espenschied Dragan: »Digital Folklore«, Stuttgart 2009, S.8.
  2. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 36.
  3. Vgl. Ebd., S. 37.

Zwischen narrativem Wissen und additiven Informationen

Byung-Chul Han beschäftigt sich in seinem Buch »Die Errettung des Schönen« erneut mit der Frage nach der Zeitlichkeit und seiner narrativen Strukturen gegenüber punktueller Abfolgen von Ereignissen. Für ihn sind Informationen eine reine Addition, die nichts erzählen und die Narration verdrängen. Wissen besitzt dagegen eine Innerlichkeit und verbindet durch eine andere Zeitstruktur die Vergangenheit mit der Zukunft.

Byung-Chul Han beschäftigt sich in seinem Buch »Die Errettung des Schönen« erneut mit der Frage nach der Zeitlichkeit und seiner narrativen Strukturen gegenüber punktueller Abfolgen von Ereignissen.
Für ihn sind Informationen eine reine Addition, die nichts erzählen und die Narration verdrängen.1 Wissen besitzt dagegen eine Innerlichkeit und verbindet durch eine andere Zeitstruktur die Vergangenheit mit der Zukunft.2 Informationen weisen jede Metapher von sich, sind transparent und sprechen geradeaus, während sich das Wissen geheimnisvoll zurückziehen kann.3 Des Weiteren lassen sich laut ihm zwar Informationen aus dem »Daten-Haufen« herausfiltern, »sie generieren jedoch weder Erkenntnis noch Wahrheit.«4 Zusätzlich wohnt der Wahrheit »eine Vertikalität inne. Daten und Informationen bewohnen dagegen das Horizontale.«5

Narration trotz Informationen

In meinem Beitrag »Das globale Dorf – Raum, Zeit und Dynamik« beschreibe ich meine Überlegungen, eine Narration zu erstellen, die letztendlich durch Daten – und damit Informationen – dynamisch veränderbar ist. An dieser Stelle komme ich in den Zwiespalt, ob das tatsächlich eine Erzählung sein kann, der die grundlegende Eigenschaft von Dauer innewohnen kann, über die Han auch schon in anderen Büchern schreibt. Aus meiner Sicht könnte es dem Anspruch einer Narration gerecht werden, wenn die eigentliche Erzählung von Menschenhand – damit durch Wissen und nicht durch reine Information – entwickelt ist und lediglich die Bildwelt mit genau festgelegten Kriterien durch Information erschaffen wird. Generell müsste man diesem Ansatz jedoch als Experiment sehen, da es durchaus sein kann, dass die Bildwelt trotz exakter Kriterien eher additiv und zufällig entsteht und die eigentliche Erzählung nicht transportiert wird. Andererseits wäre hier Raum für unvorhersehbare Zufälligkeiten, die ihr einen neuen Reiz zusprechen könnte.

Mit Loops zum Moment der Dauer

Han führt zudem aus, dass kinematographische Bilder im Gegensatz zu Photogrammen aufgrund ihrer Zeitlichkeit kein punctum besitzen. »Die Sprache des punctum ist ein Traumprotokoll der Imagination« und man kann die Augen nicht schließen, weil beim Öffnen ein anderes Bild zu sehen ist. Man ist zu ständiger Gefräßigkeit gezwungen und vor allem die Nachdenklichkeit würde hier auf der Strecke bleiben.6 Hier stelle ich mir die Frage, ob meine Idee, Erzählungen mit Loops zu schaffen (Von Loops und der Hyper-Realität »), dieses Problem lösen kann. Man hätte immer wieder auf ein Neues Zeit, in sich zu gehen und die Loops auf sich wirken zu lassen. Zusätzlich gäbe es keinen konkreten Anfang und kein konkretes Ende, was grundsätzlich einen Moment der Dauer hervorrufen könnte. Mit dieser Fragestellung möchte ich mich weiterhin beschäftigen, da ich momentan davon überzeugt bin, dass es eine Lösung geben könnte, die beide Welten von Information und Wissen vereint.

Quellen
  1. Vgl. Han, Byung-Chul: »Die Errettung des Schönen«, Frankfurt am Main 2015, 3. Auflage, S. 90.
  2. Vgl. Ebd., S. 19.
  3. Vgl. Ebd., S. 42.
  4. Ebd., S. 71.
  5. Ebd.
  6. Vgl. Ebd., S. 49.

Das globale Dorf – Raum, Zeit und Dynamik

Marshall McLuhan beschreibt in seinem Buch »Global Village«, dass das elektrische Zeitalter ein neues Kommunikationsmodell benötigt. Durch dieses Zeitalter, dass die »Gutenberg-Galaxis« ablöst, lösen sich Raum und Zeit auf, da Informationen unabhängig von Raum und Zeit transportiert werden können.

Marshall McLuhan beschreibt in seinem Buch »Global Village«, dass das elektrische Zeitalter ein neues Kommunikationsmodell benötigt.1 Durch dieses Zeitalter, dass die »Gutenberg-Galaxis« ablöst, lösen sich Raum und Zeit auf, da Informationen unabhängig von Raum und Zeit transportiert werden können. Ein mehrfach erwähntes Beispiel ist dabei eine Anekdote eines Apollo-Astronauten. Als es die ersten TV-Übertragungen von Raumfahrten gab, war der Mensch gleichzeitig auf der Erde als auch im Weltall, Raum und Zeit lösten sich damit auf und das globale Dorf entsteht.2

Die unterschiedliche Nutzung der linken und rechten Gehirnhälfte

Während die Bevölkerung im orientalischen und asiatischen Raum sehr von der rechten Hemisphäre des Gehirns geprägt ist, erhält die linke Hemisphäre in der westlichen Welt den Vorzug.3 Die linke Hirnhälfte arbeitet sehr sequentiell und kausal. Alle Geschehnisse werden eingeordnet, Fähigkeiten wie das Lesen oder Schreiben sind hier beheimatet. Die rechte dagegen besitzt qualitative Fähigkeiten oder auch beispielsweise musikalische und akustische.4 Während die orientalischen Fähigkeiten darin liegen, dass das Leben »mit allen Sinnen gleich erfasst und im Gleichgewicht keine ordnenden Schwerpunkte kennt«, ist die abendländische Denkweise an eine unbewegliche Sicht mit dem Bedürfnis nach Hierarchien gekettet.5 Sie ordnet Informationen strukturell in den visuellen Raum ein, in dem die Dinge in zeitlicher Folge miteinander verbunden sind. Beispiele sind hierfür Gemälde oder die Fotografie.6 Auf der anderen Seite werden in der rechten Hemisphähre des Hirns Geschehnisse und Prozesse in gleichzeitige Beziehung gesetzt. Überall befinden sich – ohne Abgrenzung – Zentren und Fokusse, was unserer heutigen Informationswelt an Komplexität sehr nahe kommt. Ein Beispiel hierfür ist die auditive Welt, wie z. B. die Klangwelt einer Symphonie.7
In seiner Theorie vom Wechselspiel von Grund und Figur bringt er ein, dass orientalische Kulturen den Grund sehen, während die westliche Welt sehr stark an den Figuren orientiert ist.8 Da alle elektronischen Medien jedoch die rechte Hirnhälfte betonen9, wird zukünftig zunehmend ein neues Kommunikationsmodell und eine Orientierung an der rechten Hälfte wichtig werden.

Die Linearität des Buchdrucks, die unser westliches Denken stark beeinflusst, wird dadurch abgelöst, dass elektromagnetische Wellen einen Raum der Gleichzeitigkeit entstehen lassen, in dem die Informationen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, nicht linear-sequentiell, sondern gleichzeitig auf uns einprasseln.10 Entscheidend ist, dass nicht die Inhalte, sondern das Medium selbst unser Denken prägt und formt. So wird unsere Denkweise stark durch das Buch – mit seiner linearen und sequentiellen Form – beeinflusst. Eine emotional reduzierte Form und Vereinheitlichung der Sprache entsteht durch die Schrift.

Zurück zu dynamischen Erzählungen

Neben der Gleichzeitigkeit und Auflösung des Raums, spielt in der heutigen Gesellschaft vor allem die Dynamik eine große Rolle. Schon im November habe ich mich dem Wechselspiel von Statik und Dynamik auseinandergesetzt (Von der Kultur, die statisch wurde »). Diesen Ansatz wollte ich nun mit den Theorien von McLuhan weiterverfolgen. Meine damalige Überlegung war, dass erst durch die Schrift Erzählungen festgeschrieben wurden. Zuvor waren sie dynamisch und wurden – wie man es auch heute bei mündlichen Erzählungen kennt – verändert überliefert. Jede Besonderheit der Sprache sowie die Emotionalität des Erzählers wurden ausgemerzt, da für jeden ersichtlich Wort für Wort gleichermaßen niedergeschrieben war. Eine festgeschriebene Erzählung in einem Buch ist in Köln dieselbe wie in Stuttgart. Dort dieselbe wie in Berlin.
Zwar hat das natürlich – geschichtlich gesehen – den Vorteil, dass Überlieferungen richtig und nachvollziehbar sind. Dennoch verlieren sie aus meiner Sicht an auratischer Ausstrahlung, was wohl kein essentieller, aber auch nicht unwichtiger Faktor ist.

Des Weiteren wurde ich auf das Buch aufmerksam, da ich davon überzeugt bin, dass es eine Rückbesinnung auf eine natürliche Art der Erzählung gibt (Rückbesinnung auf eine natürliche Art der Erzählung »). Erzählungen werden wieder dynamisch und beeinflussbar durch user-generated content oder interaktive Abhandlungen. Interaktive Geschichten oder Spiele führen dazu, dass unterschiedliche Erzählstränge gewählt werden können, die den Inhalt für jeden Betrachter anders darstellen. Zwar sind die Stränge an sich nach wie vor linear, dennoch ist eine Auflösung der bisher eindeutig linearen Stränge ersichtlich. Momentan denke ich darüber nach, wie sich Geschichten vollständig verändern lassen, indem es z. B. eine ständige, automatische Veränderung und Erneuerung der Bildwelt geben könnte, die nach einer Grundauswahl zufällig ist oder sogar ohne Grundauswahl mit Daten aus dem Netz funktionieren könnte. Diese Überlegung halte ich nur mit einer Daten-Anknüpfung an das World Wide Web für umsetzbar, da ich ein System, das z. B. auf eine Vorauswahl auf dem Computer zurückgreift, nicht für dynamisch und umfassend genug halte.

Im Weiteren werde ich diese Gedanken vertiefen und mich über weiteres Recherchematerial informieren. Der Zusammenhang aus McLuhans Theorien, der Entwicklung der Gesellschaft in Bezug auf Medien sowie der Erzählungen an sich, ist für mich momentan ein schwer verständliches, aber gleichzeitig äußerst spannendes Themenfeld.

Quellen
  1. Vgl. McLuhan, Marshall; Powers, Bruce; Leonhardt, Claus-Peter: »The global village: der Weg der Mediengesellschaft in das 21. Jahrhundert«, Paderborn 1995, S. 25.
  2. Vgl. Ebd., S. 12.
  3. Vgl. Ebd., S. 17.
  4. Vgl. Ebd., S. 77.
  5. Ebd., S. 87.
  6. Vgl. Ebd., S. 31.
  7. Vgl. Ebd.
  8. Vgl. Ebd., S. 87.
  9. Vgl. Ebd., S. 95.
  10. Vgl. Ebd., S. 25.

Zwischen Spam, Darknet und Datenvisualisierung

Auszug einiger Projekte, die im ZKM Karlsruhe während der Ausstellung »Globale Digitale« gezeigt wurden.

Die Ausstellung Globale Digitale im ZKM Karlsruhe »thematisiert die kulturellen Effekte der Globalisierung und Digitalisierung, welche das Leben auf unserem Planeten verändern.«1

Neben vielen spannenden Projekten und tollen Ideen, kann ich nur wenige Arbeiten in meine Recherche aufnehmen oder sie sind zum Teil schon in meinem Rechercheblog zu finden, wie z. B. das großartige Projekt »Grosse Fatigue« von Camille Henrot (In the beginning everything was dead. »).

Was ich bei meiner Auswahl erneut merke: Kommunikationsdesign, das sich rein mit der strategischen Ausrichtung von Marken, Unternehmen oder ähnlichem beschäftigen, um nach getaner konzeptioneller Arbeit, ein Design zu entwickeln, finde ich leider mehr als uninteressant. Ich schätze Projekte mit künstlerischem Einfluss gespickt mit Inhalten, die sich mit gesellschaftlich relevanten Themen beschäftigen. Inhalte, die Kritik üben, humoristisch Möglichkeiten und Grenzen ausloten oder Visualisierungen, die Unsichtbares, das jeder kennt, sichtbar machen.

Das Sichtbarmachen des Unsichtbaren

Sowohl das Projekt »Diary« von Philipp Schaerer als auch »bit.code« von Julius Popp nutzen das Sichtbarmachen des Unüberschaubaren oder Unsichtbaren zumindest als Methode ihrer Arbeit.
Philip Schaerer legt sämtliche Dokumente wie Fotografien, Grafiken oder Pläne offen, die sich seit 1998 auf seinen Festplatten angesammelt haben und sowohl systematisch benannt als auch mit Stichworten versehen sind. Diese visualisierte Datenflut gibt in der Gesamtheit einen Überblick über die Datenmengen, die sich in unserem täglichen Leben ansammeln und verraten im Detail mehr über das alltägliche Leben. Laut der Projektbeschreibung, die im ZKM zu finden ist, schlägt die Arbeit »einen anderen Zugang zum angesammelten Datenmaterial vor und versucht über die optische Wahrnehmung die Gesamtheit der Datenmenge als Bild erfahrbar zu machen«.

ZKM Karlsruhe | Diary
Diary von Philipp SchaererII

Julius Popp zeigt mit seiner Visualisierung von Bits, die kleinste Daten- oder Informationseinheit, die unendlichen Möglichkeiten zur Kombination von Bits bei einer endlichen Zahl von Bits. Auf Ketten, die sich bewegen sind die einzelnen Bits in schwarz und weiß aufgezogen. Die Ketten und einzelnen Bits werden so kombiniert, dass lesbare Worte auftauchen, die nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Die Worte stammen dabei aus einer Reihe von Nachrichtenwebseiten, die nach den häufigsten Begriffen durchforstet werden. Damit ist bit.code auch gesellschaftlicher Spiegel in Bezug darauf, welche Themen gerade wichtig oder relevant sind.

ZKM Karlsruhe bit.code
bit.code von Julius PoppIII

Abgründe des WWW

Die Arbeiten »Scambaiters« von Mishka Henner und »Random Darknet Shopper – The Bot’s Collection« von der Mediengruppe Bitnik bedienen sich, aus meiner Sicht, auch einer ähnlichen »Methode« für die Entwicklung ihrer Projekte: Einfach mal etwas nahe liegendes machen, das man normal nicht tut und gerade deshalb seinen Reiz ausmacht.
Hinter jeder E-Mail steckt irgendwo ein Mensch und deshalb dachte sich Mishka Henner, er könnte ja mal auf Spam-Mails antworten. In »Scambaiters« sammelt und reproduziert Henner Bilder und Texte, die er aus dem Mail-Verkehr mit diesen »Spam-Mail-Schreibern« hat. Er zeigt die spannende Dynamik, die dabei entsteht, wenn Menschen – meist aus Nigeria oder Ghana – via Spammail eine glaubhafte Version für Zahlungen oder ähnliches erfinden, um Menschen in Nordamerika oder Europa davon zu überzeugen, Zahlungen zu tätigen. Auf der anderen Seite stehen diese Nordamerikaner und Europäer und wollen glaubhafte Beweise und Fotos für die erfundenen Geschichten.

ZKM Karlsruhe Scrambaiters
Scrambaiters von Mishka HennerIV

Für die »Random Darknet Shopper – The Bot’s Collection« wurde im Darknet geshoppt. Der clevere Schachzug: Nicht die Mediengruppe selbst hat fleißig eingekauft, sondern eine programmierte Software, die 100 $ in Bitcoins zur Verfügung hatte. Die Einkäufe reichten dabei von nachgemachten Schuhen über Ecstasy-Pillen bis hin zu einem eingescannten Pass. Nachdem die Objekte in St. Gallen ausgestellt waren, wurden sie beschlagnahmt. Aber nun: Kann die Gruppe dahinter belangt werden, wenn eine Software die Einkäufe getätigt hatte?

ZKM Karlsruhe Random Darknet Shopper
Random Darknet Shopper – The Bot’s collection von der Mediengruppe BitnikV

Interessant fand ich abschließend bei allen aufgeführten Projekten, dass sie sich alltäglicher Phänomene bedienen und ungewöhnliche oder andere Zugänge zu den jeweiligen Themen finden. Des Weiteren haben sie alle eine Relevanz für die Allgemeinheit. Selbst »Diary«, das zunächst nur einem Tagebuch ähnelt, zeigt ein Abbild einer ganzen Generation oder Zeit, die sich im Wandel und im Zusammenspiel mit der digitalen Welt befindet.

Quellen
  1. Vgl. ZKM Karlsruhe, Programm: GLOBALE, URL: http://zkm.de/event/2015/06/globale-programm, abgerufen am 13.2.2016.
  2. Die Informationen über die Projekte, habe ich über die Projektbeschreibungen innerhalb des ZKM bei den jeweiligen Arbeiten erhalten. Es scheint als wären die Texte von den Künstlern selbst.

Abbildungen
  • Titelbild, II.–V. Eigene Fotografien – die jeweiligen Urheber/Künstler sind in der Bildunterschrift zu finden.

Von der Frage nach dem tatsächlich Existenten

Woher wissen wir, was tatsächlich existiert? Diese Frage stellt Douglas Davis 2001 in einem Interview im Zusammenhang mit dem Internet. Wie steht es heute damit?

In meinem vorherigen Post (Imitation der Interaktivität ») beschreibe ich bereits eine interessante Ansicht des Medienkünstlers Douglas Davis, die sich darum dreht, ob es echte Interaktion überhaupt gibt. Davis liefert einen weiteren, wichtigen Anstoß mit der Frage, woher wir wissen »daß das, was wir sehen, tatsächlich existiert, wenn es durch einen technischen Apparat vermittelt wird und uns die direkte Erfahrung fehlt?«1. Er vergleicht die Tatsache, dass wir nicht wissen, was im Internet tatsächlich existiert mit Platons Höhlengleichnis, bei dem der »Betrachter nicht weiß, ob das, was er sieht, wirklich wahr ist«2.
Obwohl heutzutage ein viel größeres Verständnis für das Internet gegeben ist, da es kein »neues Kommunikationsmedium« mehr ist, sondern viel mehr alltäglicher Begleiter, stellt sich noch immer die Frage, woher wir wissen, was tatsächlich existiert.

Wie echt sind entmaterialisierte Objekte und Stellvertreter des Realen?

Als ich mich mit Floridi auseinander gesetzt habe (Erkennnisse und Eindrücke zu Luciano Floridis »Die 4. Revolution« »), ging es bei der Frage nach Existenz eher um die Frage, ob z. B. Virtuelles echt ist. Die Frage wurde dabei mit einem deutlichen Ja beantwortet. Douglas Davis bezieht sich mehr auf die inhaltliche Komponente, nämlich ob es z. B. echt ist, wenn via Webcams Leute bei der Arbeit gezeigt werden. Obwohl man diese Frage nie eindeutig beantworten wird, werden aus meiner Sicht solche Fragen heutzutage nicht mehr gestellt. Sie haben an Relevanz verloren. Doch auch wenn das World Wide Web kein Fremdkörper mehr ist und es an Vertrauen gewonnen hat, bereitet uns diese Entmaterialisierung der Dinge sowie die Kultur der Stellvertreter noch immer große Probleme. Musik oder Filme gewinnen nach vielen Jahren der Schwarzkonsumiererei erst wieder an Wert. Man ist sich nun bewusst, dass MP3-Dateien wie Lieder auf einer CD die Produkte langer Arbeit sind – auch wenn der Wert noch immer nicht gleich bemessen wird und insgesamt natürlich verloren hat. Zudem macht uns die Kultur der Stellvertreter – z. B. Profile als Stellvertreter der Person, »Gefällt mir« als Stellvertreter für Zustimmung – noch immer zu schaffen. Auch hier können wir nicht immer klar beantworten, ob die Personen (oder eher die Stellvertreter) »echt« sind, aber auch hier nähern wir uns langsam einer Vertrauensbasis an. Die Beispiele zeigen, dass wir nach 25 Jahren World Wide Web das »neue Virtuelle« noch immer nicht gänzlich angenommen haben. Die Frage danach, was tatsächlich existiert, unterstreicht das zudem.

Leben in der virtuellen Sphäre

Obwohl wir in der Infosphäre wohnen, von Informationen abhängig sind und das World Wide Web uns sämtliche Dienste erbringt – unabhängig davon, ob z. B. Kommunikation, Information oder Unterhaltung – scheinen wir das World Wide Web und das Virtuelle an sich noch immer nicht als weitere, feste Schicht unserer Sphäre – die nicht nur der physische Raum ist – anerkannt zu haben.

Quellen
  1. Baumgärtel, Tilman: »net.art 2.0 – Neue Materialien zur Netzkunst«, Nürnberg 2001, S.81.
  2. Ebd.

Erkenntnisse und Eindrücke: Luciano Floridis Buch »Die 4. Revolution«

In einem Vortrag mit Sabrina Calvagna und Vernice Collet stellten wir im Kurs »Digitale Welt und neuer Realismus« von Prof. Dr. Stefan Asmus im WS 2015/2016 unsere Erkenntnisse des Buchs »Die 4. Revolution« von Luciano Floridi vor. Im folgenden sammele ich meine persönlichen Eindrücke, welche auh für meine Master-Arbeit von Bedeutung sind.

Luciano Floridi wagt einen Versuch erste Ansätze für eine neue Informationsphilosophie zu entwickeln, um dem rasanten Wandel, dem unsere Zeit unterliegt, gerecht zu werden. Neben den Inhalten selbst, halte ich den Gedanken, den richtigen Umgang mit diesen Veränderungen zu finden, für besonders wichtig.1 Während der letzten Jahre häuft sich die Kritik an den Informations- und Kommunikationstechnologien und nicht selten sagen uns Dystopien unsere »schwarze Zukunft« voraus – Angst, Unwissenheit und Unsicherheit als wahrscheinlichster Auslöser. Doch während wir uns heutzutage noch vor sämtlichen »Ängsten« (z. B. Datenschutz, Überwachung, …) vermeintlich schützen können, indem wir offline gehen oder uns mit einem alten Nokia 3210 zufrieden geben, bleibt diese Möglichkeit zukünftig wohl aus. Zwar könnte man sich sämtlichem Neuen verschließen, was aus meiner Sicht zum einen nicht absolut möglich sein wird, da es immer – erzwungene – Berührungspunkte mit der neuen Technologie geben wird. Zum anderen bleibt man langfristig – traurigerweise – auf der Strecke, wenn man sich stets dem Neuen verweigert.

Dynamik der Strömung nutzen

Wichtiger wäre es, einen angemessenen Umgang mit diesem Wandel zu finden, anstatt sich vor ihm zu verschließen.
Als eine wichtige Verbindung und einen wichtigen Anstoß halte ich hier auch McLuhans Essay »Die mechanische Braut«, in dem er beschreibt, wie sich ihm fortwährend Edgar Allan Poes »Sturz in den Malstrom« ins Bewusstsein drängt. Die Hauptessenz ist dabei, nicht »gegen die beachtlichen Strömungs- und Druckkräfte anzukämpfen, die sich durch die mechanischen Einwirkungen von Presse, Radio, Kino und Werbung um uns herum aufgebaut haben«, sondern ihre Abläufe genau zu studieren und deren Dynamik zu nutzen2. Genau diese Aufgabe wird sich auch uns als Kommunikationsdesigner – als Vermittler von Informationen – zunehmend aufdrängen.

Die virtuelle Wirklichkeit

Für eine weitere interessante Ansicht Floridis, halte ich sein Verständnis von Wirklichkeit. Er beschreibt wie Virtuelles und Nicht-Virtuelles zunehmend verschwimmen und es kein »außerhalb« und »innerhalb« der Infosphäre mehr geben wird.3 Laut ihm wird es eine informationelle Auffassung von Wirklichkeit geben. Das heißt, alle Existenz- und Verhaltensformen sind authentisch und echt, unabhängig davon, ob es künstliche, hybride, synthetische, … Formen sind.4
Dafür spricht für ihn, dass auch das vermeintlich »Echte« von Menschenhand geschaffen ist und es schwierig bis unmöglich ist, etwas völlig unangetastetes, ursprüngliches auf der Erde zu finden. Zum anderen wird beispielsweise unser soziales Selbst durch Soziale Medien geformt und unsere Identität beeinflusst.5 Das scheinbar »Unechte« beeinflusst unsere Wirklichkeit, was die Frage nach einem Wirklichkeitsanspruch aus meiner Sicht absolut beantworten kann.

Bedeutung für meine Arbeit

Diese Auffassung halte ich vor allem mit Blick auf mein Master-Thema für sehr spannend. Innerhalb dessen, befasse ich mich mit interaktivem bzw. auch transmedialem Storytelling, sowie der Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Da das Wirkliche und Virtuelle zunehmend verschwimmen, wird meinem Empfinden nach, auch die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion immer schwieriger zu erkennen sein. Zwar ist das nicht prinzipiell von Vorteil und es sollte zukünftig noch mehr Wert auf Medienkompetenz gelegt werden, um die Fähigkeit, diese Unterschiede zu erkennen, auszubilden. Dennoch sehe ich es als große Chance für Gestalter, Filmemacher, Konzepter oder ähnliche, mit dieser Grenze zu spielen und sie bewusst zu überschreiten oder unsichtbar zu machen. Dass Schnittstellen, wie es Floridi erwähnt, immer transparenter werden, kann an dieser Stelle zusätzlich an Bedeutung gewinnen.

Resümierend halte ich nicht jedes Thema, das Floridi innerhalb des Buchs behandelt, für mich und meine Themenwahl äußerst spannend. Das kann jedoch an seiner sehr allumfassenden Auswahl liegen. Umso wichtiger und treffender finde ich seine Ansätze, in den Bereichen, die für mich von Interesse sind. Dass er diese Ansätze auch für einen Laien gut und verständlich artikuliert und Bezüge zur Vergangenheit und unserer generellen Einordnung auf der Zeitachse herstellt, finde ich besonders wichtig, um seiner Argumentation folgen zu können. Er gibt einen großen Einblick in mögliche, relevante Themen der zukünftigen Informationsphilosophie, die sicher erst am Anfang der Entwicklung steht und noch große Aufgaben für uns bereit hält.

Quellen
  1. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 9.
  2. Baltes, Martin; Böhler, Fritz; Höltschl, Rainer; Reuß, Jürgen (Alle Hg.): »Medien verstehen – Der McLuhan-Reader«, Mannheim 1997, S. 29.
  3. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 329.
  4. Vgl. Ebd., S. 285 f.
  5. Vgl. Ebd., S. 92.

About: Kate – Kurzanalyse

»About:Kate« ist eine wöchentlich auf ARTE erscheinende TV-Serie. Da mein Master-Thema noch sehr unkonkret ist, möchte ich die Serie zunächst nur kurz analysieren und auf die groben Eckdaten reduzieren. Sollte sich mein Thema Richtung trans- oder crossmediales Erzählungen weiterentwickeln, möchte ich sie detaillierter analysieren.

»About:Kate« ist eine wöchentlich auf ARTE erscheinende TV-Serie. Da mein Master-Thema noch sehr unkonkret ist, möchte ich die Serie zunächst nur kurz analysieren und auf die groben Eckdaten reduzieren. Sollte sich mein Thema Richtung trans- oder crossmediales Erzählen weiterentwickeln, möchte ich sie detaillierter analysieren.

In meiner Kurzanalyse beziehe ich mich auf die Inhalte, die noch nachvollziehbar sind. Es ist davon auszugehen, dass bereits Inhalte vom Netz genommen worden sind. So ist z. B. die begleitende App scheinbar nicht mehr gänzlich funktionstüchtig.

Fakten

Erstausstrahlung: 27.4.2013
Sender: ARTE
Staffeln: 1 (Stand: Dezember 2015)
Episoden: 14 á 26 Minuten
Regie und Drehbuch: Janna Nandzik
Produktion: Christian Ulmen, Ulmen Television GmbH
Ort: Deutschland
Originalsprache: Deutsch

Plot (Kurzfassung)

Kate lässt sich in eine Berliner Nervenklinik einweisen, um sich selbst zu suchen. Die sozialen Netzwerke überfordern sie, sie kann gleichzeitig nicht davon ablassen. Ihre Suche beginnt im Netzwerk selbst. Sie schließt dabei mit vergangenen Stationen ab und reflektiert, welche Dinge in ihrem Leben tatsächlich noch vorhanden sind. About:Kate spiegelt die psychische Verfassung unserer Generation im digitalen Zeitalter wider, in dem es durch soziale Netzwerke zu stark veränderten Selbstbildern kommt. Als generelle Folge wird bspw. der Verlust emotionaler Bindungen gezeigt. In »About: Kate ›Wann haben Sie bemerkt, dass Sie nicht mehr wissen, wer Sie sind‹« habe ich den Plot bereits etwas ausführlicher beschrieben.

Eingesetzte Medien

Die Analyse der Medien habe ich in zwei Teile gegliedert. Dabei geht es im ersten Teil darum, welche Medien verwendet werden, im zweiten Teil darum, mit welchen Inhalten sie bespielt sind.

Teil 1: Medien/Endgeräte

Ein Überblick der eingesetzten Medien.

TV

Fernsehserie
14 Episoden á 26 Minuten
User-generated Content

Internet

Facebook
Die Protagonisten haben einen gut gepflegten Account mit Fotos, Freunden, gelikten Filmen oder Bands.

Twitter
Mindestens Kate Harff besitzt einen Account

Sonstige
Website innerhalb arte.de

Smartphone/Tablets

App
Die App funktioniert mit einer Synchronisation durch ACR (Automatic Content Recognition). Sprich die Inhalte werden synchron zu den akustischen Signalen aus der Serie angezeigt (audio fingerprint).

Teil 2: Inhalte

Ein Überblick der Inhalte innerhalb der Medien.

TV

Fernsehserie
Siehe Plot
User-generated Content: Ab der 3. Folge konnte der Zuschauer selbst entwickelte Inhalte einreichen, die sich an der Machart der Serie orientieren. Die besten Einreichungen schafften es dabei in die Serie.

Internet

Facebook
Das Team rundum Regisseurin Janna Nandzik schreibt mittels fiktiver Accounts der Protagonisten mit den Zuschauern. Die Accounts sind tatsächlich online und verhalten sich dementsprechend wie »reale« Freundschaften. Man hat eventuell gemeinsame Freunde, kann etwas posten, gemeinsam diskutieren und die Profile nach dem Musik- oder Filmgeschmack durchstöbern. Hier werden bewusst die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschoben, worauf ich auch im folgenden Beitrag eingehe: Zwischen Realität und Fiktion. Da ich mich mit der Serie während der tatsächlichen Ausstrahlung nicht beschäftigt habe, ist unklar, ob die Inhalte bei Facebook einen inhaltlichen Mehrwert liefern oder ob es rein um den Aufbau dieser fiktiven Welt ging.

Twitter
Hier kann leider keine inhaltliche Angabe gemacht werden.

Sonstige
ARTE liefert für die Serie Suchmaschineneinträge, Downloads, Playlists, etc. der Protagonistin Kate. Auch das unterstützt die Erweiterung der fiktiven Welt ins Reale.

Smartphone/Tablets

App
Durch die App wird der Zuschauer zum Mitpatient. Er erhält zum einen parallel zur Serie Informationen wie z. B. Hyperlinks, es gibt Psychotests oder Kate ruft scheinbar an. Der Nutzer sieht Inhalte, die auch die Protagonistin in der Serie sieht und eigene Inhalte können hochgeladen werden. Des Weiteren erhält man eine Auswertung der eigenen psychischen Entwicklung, wenn man mindestens fünf Episoden geschaut hat.

Abbildungen
  1. Titelbild: Eigener Screenshot; Nandzik, Janna: »About:Kate«, Staffel 1, Folge 1, »Frohes Neues!«: , TC: 00:01:13, Deutschland 2013.

Präsentation II

Präsentation vom 18.12.2015.

Am 16.12.2015 habe ich meine zweite Zwischenpräsentation gehalten.In der Präsentation stelle ich einen variablen Fragenkatalog für mein Interview mit dem Primatologen Dr. Christoph Schwitzer vor. Des Weiteren präsentiere ich einen verbesserten Vorschlag für meine grafische Analyse, die sich nun vom Videoformat gelöst hat.

Screenshot in grafische Elemente aufgelöt
Beispielhafte Abbildungen der grafische Analyse von zeit.de (2011–2104)

Mit dem Fokus auf transmedialer Erzählung, gebe ich einen kurzen Einblick in das »Transmedia Manifest«, sowie einen Überblick über ausgewählte Erzählungen wie »About:Kate« und »netwars / out of CTRL«.

Dabei beschäftigen mich zwei Hauptfragen:
· Wie werden neue Medien genutzt?
· Welche neuen Erzähl-Formate können entstehen?

Ein weiterer Fokus liegt auf dem Nutzungsverhalten der Zuschauer mit den Fragen, wo und wie Inhalte mit welchen Endgeräten konsumiert werden. Des Weiteren suche ich Gründe für diese Veränderung, wie z. B. weniger Zeit oder verkürzte Aufmerksamkeitsspannen. Spannend finde ich auch, ob dadurch zwischenzeitlich modulare Erzählweisen den Vorzug erhalten und ob dabei der reine Konsum oder Interaktion im Fokus steht. Bei diesen Fragen helfen mir u. a. die Onlinestudien von ARD und dem ZDF (Nutzung von Bewegtbild » und Die Nutzung des Internets unterwegs »).

Mögliche Ansätze

Als weitere Ansätze halte ich die Verwendung von Augmented oder Virtual Reality sowie 2nd Screen-Anwendungen für sehr spannend. Bereits in meiner Bachelor-Arbeit habe ich AR als Technologie genutzt, um Inhalte beispielsweise auf Postkarten oder Aufklebern in der Bahn darzustellen. Zusätzlich habe ich nun die Google Cardboard (Erste Gehversuche mit der Google Cardboard ») getestet, um Möglichkeiten von VR-Brillen auszuloten. Hier könnte sich auch das plattformunabhängige WebVR als interessante und nutzbare Technologie herausstellen.

Auf einer Postkarte abgespieltes Video durch die AR-App Aurasma
Auf einer Postkarte abgespieltes Video durch die AR-App Aurasma

Nutzung von Bewegtbild (ARD/ZDF-Onlinestudie)

Thomas Kupferschmitt setzt sich in seinem Beitrag auf Grundlage der ARD/ZDF-Onlinestudie mit der Bewegtbildnutzung auseinander.

In »Die Nutzung des Internets unterwegs (ARD/ZDF-Onlinestudie)« habe ich mich bereits mit einer Onlinestudie in Bezug auf die Internetnutzung unterwegs beschäftigt.

Eine weiteren Beitrag zu den Onlinestudien liefert Thomas Kupferschmitt mit »Bewegtbildnutzung nimmt weiter zu – Habitualisierung bei 14–29-Jährigen«. Er will dabei u. a. »mit Daten aus der ARD/ZDF-Onlinestudie 2015« untersuchen, »ob die Videonutzung im Internet insgesamt zunimmt«1 . Des Weiteren nimmt er die »Parallelnutzung von Fernsehen und dem Internet« in den Fokus.2

Wie in meinem anderen Beitrag möchte ich einen groben Einblick bekommen und ziehe nur wenige Zahlen aus den Studien. Die deutlich detailliertere Ausarbeitung mit demographischen Unterschieden oder z. B. Einzelheiten zu der Art des Angebots können der Studie entnommen werden. Der Begriff »Onliner« bezieht sich auf 79.5 % der Gesamtbevölkerung, die das Internet zumindest gelegentlich nutzen, grundsätzlich werden Nutzer ab 14 Jahren unter die Lupe genommen.3 Teilweise gibt es eine Einschränkung auf 14–29-Jährige.

Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass 82 % (65 % der Gesamtbevölkerung) Videos im Internet zumindest selten nutzen, 26 % sogar täglich. Diese Entwicklung nahm in den letzten Jahren zu4 und wird wohl auch in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Spannend finde ich zudem, welche Angebote die täglichen Nutzer abrufen. 14 % nutzen Videos auf Videoportalen wie z. B. YouTube, MyVideo und so weiter. 9 % schauen Videos auf Facebook. Angebote wie z. B. Netflix, Fernsehsendungen oder Mediatheken werden jeweils nur zu 2 % genutzt.5

Daraus ließe sich aus meiner Sicht Folgendes schließen: Das Interesse am Angebot an sich ist nicht da. Das kann aus meiner Sicht jedoch eher auf Fernsehsendungen zutreffen, da ich Netflix für durchaus beliebt halte.
Ein weiterer Schluss könnte – bei möglicher Unterwegsnutzung – sein, dass das Datenvolumen ungern für lange Formate genutzt wird. Eine letzte Vermutung ist, dass kurze Inhalte attraktiver sind, da man zum einen kurze Wartezeiten überbrücken kann und sie zum anderen jederzeit »zwischendurch« geschaut werden können. Hierzu fehlen mir jedoch Zahlen, welche Angebote unterwegs und welche zu Hause genutzt werden.

Einen möglichen Zusammenhang sehe ich bei der häufigen Nutzung von Facebook und Videoportalen. So kann man z. B. über seinen Facebook-Newsfeed auf die jeweiligen Portale gelangen. Eine mögliche Erklärung für die deutlich höheren Nutzerzahlen, könnte die sein, dass Nutzer nicht bewusst »Bewegtbild konsumieren« möchten, sondern durch die Aktivität in sozialen Netzwerken zufällig darauf stoßen. Das sind jedoch nur lose Vermutungen, die ich weder bestätigen noch belegen kann.

Ein zusätzlich wichtiger Punkt in Kupferschmitts Beitrag ist die Parallelnutzung von Fernsehen und Internet. So nutzen Onliner ab 14 Jahren im Jahr 2015 schon 55 % zumindest selten das Fernsehen und Internet parallel. Täglich dagegen nur 19 %. Bemerkenswert ist die zusätzliche Umfrage, die darauf ausgelegt ist, ob bei der Parallelnutzung der Fokus auf dem Fernsehen oder auf dem Internet liegt. Hier sprechen die Zahlen durchweg dafür, dass man während dem Fernsehen zusätzlich im Internet unterwegs ist, der Fernseher also der »First Screen« ist.6 Eine weitere Umfrage, die den Personenkreis auf 14–29-Jährige eingrenzt, zeig ein ähnliches Bild.7

Resümierend hinterfragt Kupferschmitt eine entscheidende Sache für die Zukunft: »Wer hat genügend attraktive und exklusive Inhalte, um im Wettbewerb zu stehen«8?
Genau dieser Punkt wird auch aus meiner Sicht zukünftig entscheidend sein, da sich die Nutzer selbst aussuchen können, was sie wann, wie schauen. Daher muss er aus meiner Sicht mit einem guten Angebot überzeugt werden, um aus dem riesigen Angebot genau »das Eine« zu wählen.

Insgesamt fehlt mir persönlich, eine Untersuchung der Nutzung von Bewegtbild unterwegs. Da meine Vermutung darin besteht, dass zukünftig auch unterwegs vermehrt Bewegtbild-Formate gefragt sind, wäre eine Umfrage diesbezüglich interessant. Da das in der Onlinestudie nicht berücksichtigt wird, möchte ich dazu selbst eine Umfrage in kleinerem Umfang machen.

Quellen
  1. Kupferschmitt, Thomas: »Bewegtbildnutzung nimmt weiter zu – Habitualisierung bei 14–29-Jährigen«, URL: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/fileadmin/Onlinestudie_2015/0915_Kupferschmitt.pdf, S. 1, abgerufen am: 28.11.2015.
  2. Vgl. Ebd.
  3. Vgl. Ebd., S. 2.
  4. Vgl. Ebd.
  5. Vgl. Ebd., S. 5.
  6. Vgl. Ebd., S. 7.
  7. Vgl. Ebd., S. 8.
  8. Ebd.

Die Hypergeschichte

Im folgenden ein kleiner Überblick über die Hypergeschichte, der im Zuge eines Vortrags, auf Grundlage des Buchs »Die 4. Revolution« von Luciano Floridi, erarbeitet wurde.

Deutschland sowie vor allem die weiteren G7-Länder Frankreich, Italien, Großbritannien, Kanada, Japan und die USA befinden sich momentan im Übergang zur Hypergeschichte. Das macht sich vor allem durch die wirtschaftliche Abhängigkeit von Informationen bemerkbar. Immerhin basieren in den G7-Staaten etwa 70 % des BIP auf ihnen. Gleichermaßen sind Informationen ein entscheidender Faktor, den Wohlstand zu verbessern und die Entwicklung von Innovation voranzutreiben.1
Zudem macht sich der Übergang durch stetig wachsende Rechenleistungen und steigenden Datenmassen ersichtlich. Der Speicher wird, laut Floridi, knapper und Netzwerkverbindungen stoßen an ihre Grenzen.2 So wurde beispielsweise der Standard IPv4 bereits von IPv6 abgelöst, um mehr Verbindungen – nämlich 18-stellige statt 12-stellige IP-Adressen – zu ermöglichen.

Der Umgang mit Informationen

Während in der »Geschichte« bedacht ausgewählt wurde, welche Informationen auf Papyrus, Tontafeln, usw. festgehalten werden sollten, werden sie in der Hypergeschichte zunächst gehamstert. Alles wird gespeichert, um dann sorgfältig auszuwählen, was wieder gelöscht werden soll.3 Diese Eigenart der Hypergeschichte, sowie andere Eigenschaften der »digitalen Welt« führen zum »Digitalen Gedächtnisverlust« – dem Verlust von Informationen.

Zum einen ist dieser Verlust darin begründet, dass Technologien nicht nur weiterentwickelt, sondern gänzlich ersetzt werden. Nicht jede Information schafft es dabei in die neue Technologie übernommen zu werden, veraltete Technologien können häufig durch das Fehlen der nötigen Geräte oder Hardware nicht mehr verwendet werden. Beispielsweise ist nicht jeder Song einer Schallplatte auf einer Kassette zu finden; nicht jeder Song einer Kassette wurde in die Technologie der CD oder MP3-Datei übertragen. Ein weiteres Beispiel ist die Diskette, die als Datenträger längst ausgedient hat und das zugehörige Floppy-Laufwerk ist nur noch selten aufzufinden. Selbst der Untergang von CDs scheint im Gange zu sein: Apple setzt schon jetzt auf Macbooks ohne CD-Laufwerk.4

Ein weiterer Grund für den digitalen Gedächtnisverlust ist die Überspeicherung von Daten. Neue Webseiten ersetzen alte Webseiten. Die Änderungen eines Textes in Text-Programmen werden nicht als neue Datei abgespeichert, sondern bestehende Text-Dateien werden überspeichert. Zum einen gehen hierdurch natürlich Daten verloren und Varianten werden verschmolzen. Zum anderen werden die Dokumente durch das erneute, veränderte Abspeichern in einen Zustand der Geschichtslosigkeit geführt. Differenzen werden gelöscht, obwohl die Vergangenheit für gewöhnlich eine nachvollziehbare Abfolge von Veränderungen darstellt.5

Zukünftige Generationen können dadurch die geschichtliche Abfolge nicht nachvollziehen. Viel problematischer ist jedoch eine für uns immer währende Gegenwart, das »Einschließen in der ewigen Gegenwart«6, wenn die Vergangenheit stets neu geschrieben wird. Der richtige Umgang mit Informationen ist daher essentiell. Die Schaffung, Gestaltung und Handhabung von Informationen sieht Floridi deshalb als wichtige Basis für die zukünftige Entwicklung der Infosphäre.7

Dieser Überblick steht im direkten Zusammenhang mit Erkenntnisse und Eindrücke zu Luciano Floridis Buch »Die 4. Revolution«, wo ich eigene Erkenntnisse, Eindrücke und Gedanken formuliere.

Quellen
  1. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 20.
  2. Vgl. Ebd., S. 44
  3. Vgl. Ebd., S. 40
  4. Vgl. Ebd., S. 36 f.
  5. Vgl. Ebd., S. 37
  6. Ebd.
  7. Vgl. Ebd.

About:Kate – »Wann haben Sie bemerkt, dass Sie nicht mehr wissen, wer Sie sind?«

Die Fernsehserie »About:Kate« ist ein crossmediales Projekt der ARTE Creative von Regisseurin und Autorin Janna Nandzik und dem Produzenten Christian Ulmen aus dem Jahr 2013.

Die Fernsehserie »About:Kate« ist ein crossmediales Projekt von der Regisseurin und Autorin Janna Nandzik und dem Produzenten Christian Ulmen aus dem Jahr 2013. Sie wurde auf ARTE Creative ausgestrahlt. Die Serie auf dem Fernsehbildschirm streckt dabei ihre Fühler Richtung Second Screen und Facebook aus.

Die Protagonistin Kate Harff liefert sich an Silvester selbst in eine Berliner Nervenklinik ein, weil sie mit ihrem Leben und dem Digitalen überfordert ist. Der Zuschauer verfolgt dabei zum einen ihre Aktivitäten innerhalb der Klinik wie diverse Besuche bei ihrer Therapeutin oder begleitet sie in therapeutische Kurse wie Korbflechten. Zum anderen erhält man Einblick in ihr geistiges Leben sowie ihr digitales Ich. Immer wieder nimmt der Zuschauer voyeuristischen Einblick auf ihr Facebook-Profil durch das sie scrollend und klickend versucht ihr wahres Ich zu finden. Sie hinterfragt Freundschaften, die auf der Facebook-Freundesliste angezeigt werden und löscht sie kurzer Hand alle, nachdem sie für sich feststellt, dass sie eigentlich keine Freunde hat. Sie zappt durch die Bilder, eine Mischung aus Zeichnungen und Fotos aus ihrem Leben, oder durch ihre Serien und Lieblingsbands. Sie hinterfragt dabei alles und jeden, vor allem aber sich selbst.

Kates Facebook-Profil
Kates Facebook-ProfilII

Fiktive Figuren als echte Personen

Ihr Profil sowie viele andere Profile der Protagonisten wurden bereits vor Serienstart eingerichtet und gefüllt. Veröffentlichte Musik-Playlists von Kate erwecken zusätzlich den Eindruck, als wäre Kate keine Schauspielerin, sondern eine echte Person. Janna Nandzik erzählt bei der Diskussionsrunde »Zukunft des Drehbuchschreibens« bei der Cologne Conference 2014, wie das Team als fiktive Figuren mit den Zuschauern bei Facebook chattet. Vielen fällt es dabei schwer Realität und Fiktion auseinanderzuhalten.

Zusätzlich erhält das Publikum durch eine App einen Second Screen, auf dem weitere Inhalte präsentiert werden. So gibt es beispielsweise Live-Inhalte während der Serie oder Psychotests. Des Weiteren haben sie weiteres Mitspracherecht durch »user-generated Content«, der eingereicht werden kann und geschickt in die Serie verflochten wird.

User-generated Content
User-generated ContentIII

Wer bin ich?

Diese Frage ist keine seltene Frage in unserer heutigen Gesellschaft, welche von Überforderung auf allen Eben geprägt ist. In unserer digitalen Welt, in der wir Unterschiede zwischen unserem analogen und digitalen Ich feststellen, jedoch nicht einordnen oder akzeptieren können, weil wir für uns das eine wahre Ich suchen. Die Person, die wir »wirklich« sind, obwohl wir auch schon in der analogen Welt verschiedene Identitäten in verschiedenen Rollen hatten.

»About:Kate« illustriert dieses Thema wunderbar und zeigt Einblicke in die Gedankenwelt einer Mittzwanzigerin, die sicher stellvertretend für einen großen Teil der Generation ist. Der user-generated Content, der teilweise aus YouTube-Videos besteht, sowie Aktivitäten wie das 2013 noch alltäglichere Scrollen durch Facebook mit der Frage nach der Außenwirkung, unterstreichen das.

Als baldiges Ziel sehe ich eine Analyse dieser Serie.

Abbildungen
  1. Eigener Screenshot; Nandzik, Janna: »About:Kate«, Staffel 1, Folge 1, »Frohes Neues!«, TC: 00:20:56, Deutschland 2013.
  2. Ebd., TC: 00:06:34.
  3. Ebd., TC: 00:11:57.

Die Nutzung des Internets unterwegs (ARD/ZDF-Onlinestudie)

Zur Überprüfung meiner Erwartungen nutze ich Zahlen der ARD/ZDF-Onlinestudien. Die Onlinestudien untersuchen seit 1997 zum einen die Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland, zum anderen die Nutzung der Angebote. Die Studien dienen als Grundlage bisherige Entwicklungen zum überprüfen, sowie Annahmen für kommende Entwicklungen zu treffen.

Aus Erfahrung weiß ich, dass digitale Inhalte zunehmend unterwegs mit Endgeräten wie z. B. Smartphones und Tablets konsumiert werden. Ich persönlich nutze dabei hauptsächlich Kommunikationsdienste wie WhatsApp, Nachrichten-Apps oder Musik-Streamingdienste wie z. B. Spotify. Außerdem lese ich beispielsweise eBooks oder schaue Filme – mit der Voraussetzung, dass sie offline verfügbar sind.

Da ich davon ausgehe, dass der Konsum sowie die benötigten und ausschlaggebenden Voraussetzungen wie z. B. verbesserte Datenverbindungen zunehmen und daraus neue Möglichkeiten der Erzählung entstehen, möchte ich wissen, wie die bisherigen Entwicklungen bei der Nutzung unterwegs aussehen. Für meine Recherche bezüglich transmedialen Erzählungen, ist zudem besonders interessant, inwiefern Bewegtbild-Formate aktuell tatsächlich unterwegs genutzt werden. Zweiteres behandele ich jedoch gesondert (Nutzung von Bewegtbild (ARD/ZDF-Onlinestudie) »).

Hierzu liefern die ARD/ZDF-Onlinestudien, die seit 1997 durchgeführt werden, Zahlen. Die Kernfragen der Onlinestudien sind zum einen »die Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland sowie der Umgang der Nutzer mit den Angeboten«.1

Eine Studie aus dem Jahr 2015, nämlich »Unterwegsnutzung des Internets wächst bei geringerer Intensität« von Wolfgang Koch und Beate Frees ist dabei sehr aufschlussreich für mich. Mit »Unterwegs« ist dabei das alltägliche Unterwegssein gemeint.2

Laut ihr nutzen »55 % der Onliner in Deutschland unterwegs das Internet ›zumindest selten‹«, was 5 % Zuwachs zum Vorjahr 2014 und sogar 35 % Zuwachs zum Jahr 2012 bedeutet.3
Besonders auffallend, aber auch erwartungsgemäß, ist, dass 48 % der 14–29-Jährigen das Internet täglich unterwegs nutzen und insgesamt 81 % zumindest selten. Sie bilden damit die Gruppe, die das Internet mit Abstand am häufigsten unterwegs nutzt. Den 2. Platz nehmen die 30–49-Jährigen ein mit 23 % täglicher und 63 % zumindest seltener Nutzung.4 Koch und Frees liefern hier die Zusatzerkennnis, dass der Anstieg der 30–49-Jährigen zum Vorjahr besonders hoch ist, was darauf schließen lässt, dass »neue Zielgruppen hinzukommen«.5

Die Ergebnisse bestätigen zum einen meine Erwartung, dass jüngere Menschen prozentual häufiger das Internet unterwegs nutzen. Zum anderen bestärken sie meine Annahme, dass die Nutzergruppe der 14–29-Jährigen durch die »Digital Natives« noch weiter wachsen wird. Hier könnte das Platzieren neuer Erzähl-Formate besonders attraktiv werden.

Generell bietet die Studie natürlich viel detailliertere und weitere Ergebnisse, wie z. B. gesonderte Auswertungen bezüglich der Demographie oder weitere Inhalte wie z. B. die WhatsApp-Nutzung. Dies möchte ich hier jedoch nicht berücksichtigen, da es mir zunächst um ein generelles, grobes Bild sowie einen ersten Eindruck der Entwicklung geht.

Wie bereits angekündigt, möchte ich die Nutzung von Bewegtbild-Formaten unterwegs in einem weiteren Beitrag behandeln (Nutzung von Bewegtbild (ARD/ZDF-Onlinestudie) »).

Quellen
  1. ARD/ZDF-Medienkommission: URL: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/, abgerufen am: 28.11.2015.
  2. Vgl. Frees, Beate; Koch, Wolfgang: »Unterwegsnutzung des Internets wächst bei geringerer Intensität«, URL: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/fileadmin/Onlinestudie_2015/0915_Koch_Frees.pdf, S. 1, abgerufen am: 28.11.2015.
  3. Vgl. Ebd., S. 2.
  4. Vgl. Ebd.
  5. Ebd.

Verschiebung meines Fokus: Transmediale Erzählungen

Mein Fokus verschiebt sich zunehmend auf transmediale Erzählungen, da ich hier viel Potential für kommende Erzählungen sehe.

Bei meinen ersten zwei Ansätzen ging es zum einen darum, wie sich das Web in seinen Text-/Bild-Verhältnissen und in seiner Interaktivität über die Jahre hin verändert hat. Dazu habe ich Screenshots der letzten 10-20 Jahre grafisch dargestellt und die Webseiten mittels eines Farbsystems in die einzelnen Elemente aufgeteilt. Ein nächster Schritt sollte das Animieren der interaktiven Flächen sein, um im Vergleich zu sehen, welche quantitativen Änderungen es über die Jahre gab.
Zum anderen ging es in meinem zweiten Ansatz darum, mich genauer mit Netzkunst auseinandersetzen, sowie generell das Web als ein Abbild der Gesellschaft zu betrachten. Hier ist besonders die Arbeit mit dem Archiv »One Terabyte of Kilobyte Age« interessant. Olia Lialina und Dragan Espenschied analysieren Webseiten, die auf den geocities-Servern, der 2009 geschlossen wurde, waren. Gerade hier ist besonders der gesellschaftliche Aspekt spannend, da der Umgang mit dem Web zu Beginn natürlich ein anderer war. Das Web war ein offenes und freies Medium, in das man – aus kultureller Sicht – große Hoffnungen steckte.

Bisherige Erkenntnisse als Basis

In diesem Bereich blieb es bisher nur bei der Recherche zu einzelnen Projekten. Insgesamt hat sich nun mein Fokus auf digitale Erzählungen verschoben. Die Netzkunst und die gesellschaftlichen Aspekte des Webs werden dabei nicht verworfen. Hier sehe ich noch immer einen wichtigen Ansatz für meine Arbeit. Meinen ersten Ansatz, nämlich der der Web-Analyse, lege ich jedoch erstmal auf Eis. Dieser rein analytische Ansatz in Bezug auf die Architektur einer Webseite, stand nie im Fokus meiner Arbeit und war als eine Art »Vorarbeit« gedacht, um grundsätzliche Mechanismen des Webs zu verstehen und aufzuzeigen.

Wie erwähnt, hat sich mein Fokus auf digitale Erzählungen verschoben, genauer auf transmediale Erzählungen. Hier sehe ich besonders viel Potential für kommende Erzählungen, da das Erzählen über mehrere Medien hinweg, sowie die Einbeziehung des Publikums als »Autoren« anstelle von reinen »Konsumenten«, aus meiner Sicht einen immer größeren Stellenwert genießen wird. Ich glaube daran, dass Rezipienten Erzählungen nicht nur von außen betrachten, sondern Teil davon sein wollen. Dass sie Geschichten selbst entdecken und erleben wollen.

Präsentation I

Am 18.11.2015 habe ich meine erste Zwischenpräsentation gehalten. In der Präsentation zeige ich erste Ansätze einer grafischen Analyse sowie Auszüge meiner Recherche.

Am 18.11.2015 habe ich meine erste Zwischenpräsentation gehalten. In der Präsentation zeige ich erste Ansätze einer grafischen Analyse sowie Auszüge meiner Recherche.

Grafische Analyse

Die grafische Analyse von Webseiten gehört zu einem ersten Ansatz meiner Masterarbeit. Dabei möchte ich Webseiten mittels Screenshots der letzten zwei Jahrzehnte auf ihre Text-Bild-Verhältnisse und Interaktivität untersuchen. Meine Erwartung ist, dass zum einen die Bilderwelt einen wachsenden Anteil erhält und dass das Ausmaß der Interaktivität steigt.

Die ersten Ergebnisse beziehen sich dabei auf folgende Beiträge:
Web-Analyse: spiegel.de seit 1996
Web-Analyse: google.de seit 2001

Generell war auffällig, dass sich bei Internet-Giganten wie z. B. google oder Apple, dessen Seite ich auch untersucht habe, kaum etwas an der grundlegenden Seitenarchitektur geändert hat. Zwar stecken im Hintergrund sicherlich neue Technologien, jedoch sieht es bei reiner Betrachtung des Wireframes so aus, als hätte man nur die einzelnen Grafiken wie z. B. Apple Link-Buttons an aktuelle Design-Standards angepasst.
Bei spiegel.de ist dagegen bezeichnend, dass kaum Konstanz zu sehen ist und ständig neu experimentiert und gerelauncht wurde. Bis heute hat spiegel.de aus meiner Sicht keine Webseite, die aktuellen Ansprüchen genügt.

Das Medium Web

Ein zweiter Ansatz ist die Auseinandersetzung mit Netzkunst sowie mit Formen und Projekten, die mir im Umgang mit dem Medium Web an sich oder durch die Reflexion gesellschaftlicher Aspekte als besonders interessant erscheinen.

Innerhalb des Rechercheteils stelle ich folgende Inhalte vor:
Olia Lialina: »My boyfriend came back from the war!«
Dragan Espenschied & Olia Lialina: »One Terabyte of Kilobyte Age« und »Once upon«
David Dufrense: Das Doku-Game »Fort McMoney«

Ein weiteres, präsentiertes Projekt ist »The wilderness downtown« von Chris Milk. Bei diesem interaktiven Musikvideo/Kurzfilm von Arcade Fire wird zu Beginn die eigene Stadt abgefragt. Mit dieser Information werden mit Hilfe von Google Maps Bilder bzw Kamera-Fahrten in das Video gespeist. Dazu öffnen sich weitere Browserfenster
und der sichtbare Bereich wird erweitert. Neben der Verbindung neuer Technologien finde ich das Projekt unter anderem wegen dieser unüblichen Nutzung des Formats Web sehr interessant.

Abbildungen
  1. Titelbild: Eigener Screenshot; Milk, Chris: »The wilderness downtown« – Musikvideo von Arcade Fire, URL: http://www.thewildernessdowntown.com, USA 2010, abgerufen am 17.11.2015.

Von Dildodrohnen und lolzcat

Die Arbeiten von Addie Wagenknecht drehen sich im Kern um die »Kritik an Technikgläubigkeit. Experimentell und »positiv trashig« verarbeitet sie aktuelle, gesellschaftliche Themen oder stellt Historisches in Bezug zur heutigen Welt.

Durch arte Tracks wurde ich auf die Künstlerin Addie Wagenknecht aufmerksam, deren Arbeiten sich im Kern um die »Kritik an Technikgläubigkeit«1 drehen. Experimentell und »positiv trashig« verarbeitet sie aktuelle, gesellschaftliche Themen oder stellt Historisches in Bezug zur heutigen Welt.

»Webcam Venus«

In ihrem Projekt »Webcam Venus« bittet sie beispielsweise gemeinsam mit Pablo Garcia, »online sexcam performers«2 vor der Kamera zu posen – in der gleichen Pose wie ein gegenübergestelltes Renaissance-Gemälde. Dabei geht es um die Frage nach Schönheit in unserer Gesellschaft, aber auch um die Menschen hinter der Webcam, die – dort am anderen Ende – auch reale Personen sind. Ihre Privatsphäre und Intimität wird dabei in die Welt getragen und die Grenzen zwischen dem realen und virtuellen Leben verschwimmen zunehmend. Auch die virtuelle Welt ist Teil des Realen.

»Pussy Drones«

Dass die virtuelle Welt Teil des Realen ist und sich unsere Onlinewelt auf die Offlinewelt auswirkt, ist auch ein Teilaspekt der Arbeit »Pussy Drones«. Sie vermischt in gif-Animationen Elemente aus dem Web, wie z. B. Katzen, die auf einem Vibrator fliegen, mit Elementen aus dem »realen« Leben. Gleichzeitig beschäftigt sich die Arbeit, wie auch andere zuvor, mit der Rolle der Frau. Noch immer kämpfen Frauen – v.a. in der Technikwelt – um Gleichstellung und Akzeptanz. Noch immer scheint die Aufgabe der Frau stark davon geprägt zu sein, ein klares geordnetes Leben zu führen, das aus einer gesellschaftlich diktierten Abfolge von Heirat, Haus und Kinder besteht.3

Es könnte – spekuliert – auch eine Kritik an der Ökonomisierung des Webs sein. In den 90er Jahren – zu Beginn des World Wide Webs – hielt man das WWW für einen Nischenraum, in der sich z. B. Kunst unter anderen Bedingungen als in der realen Welt ausbreiten könnte. Nach anfänglichen Schwierigkeiten (Dotcom-Blase) wurde aber auch dieser Raum zum einen wirtschaftlich erschlossen, zum anderen ist er zwischenzeitlich alles andere als ein anonymisierter Nischenraum, der nichts mit der realen Welt zu tun hat.

»Pussy Drones« von Addie WagenknechtI
»Pussy Drones« von Addie WagenknechtII

Mit den Arbeiten von Addie Wagenknecht möchte ich mich gerne in meiner weiteren Recherche beschäftigen. Sie scheint ihre Meinung, Kritik oder Sorgen mit klarem Verstand auf den Punkt bringen zu können, was ich in der heutigen Zeit sehr beeindruckend finde. Des Weiteren fällt mir die experimentelle und die oben erwähnte »positive Trashigkeit« auf. Sie schafft es auf unkonventionelle Weise Arbeiten zu schaffen, die sehr direkt und tiefgründig sind. Ohne endlose Ausschmückungen und großes BlaBla.

Quellen
  1. Arte Tracks News (Hg.): »Addie Wagenknecht«, Stand: 5.9.2015, URL: http://tracks.arte.tv/de/addie-wagenknecht, abgerufen am 12.10.2015.
  2. Wagenknecht, Addie: »Webcam Venus«, Stand: 5.3.2013, URL: http://fffff.at/webcamvenus/, abgerufen am 12.10.2015.
  3. Vgl. bitforms gallery (Hg.): »Addie Wagenknecht«, URL: http://www.bitforms.com/wagenknecht/pussy-drones, abgerufen am 12.10.2015.
Abbildungen
  1. Titelbild: Wagenknecht, Addie; Garcia, Pablo: »Pussy Drones«, Einzel-GIF »Pussy Drones in space«, Animiertes GIF, USA 2013.
  2. Wagenknecht, Addie; Garcia, Pablo: »Pussy Drones«, Einzel-GIF »Pussy Drones infiltrate Wal Mart«, Animiertes GIF, USA 2013.

netwars / out of CTRL

Lena Thiele stellt im Workshop »Transmediales Storytelling« das Projekt »netwars / out of CTRL« vor. Ihr gelingt damit ein umfangreiches, transmediales Projekt dessen inhaltlicher Fokus darauf liegt, die Menschen für die Gefahren des Netzes zu sensibilisieren.

Bei der Fachtagung des Journalistinnenbunds 2014 stellte Lena Thiele im Workshop »Transmediales Storytelling« das Projekt »netwars / out of CTRL« vor. Lena Thiele gelingt damit ein umfangreiches, transmediales Projekt dessen inhaltlicher Fokus darauf liegt, die Menschen für die Gefahren des Netzes zu sensibilisieren – denn wir sind schon längst mitten im Cyberwar. Neben den interaktiven dokumentarischen Web-Serien, streut sich das Projekt über weitere Medien: Es gibt eine 52-minütige TV-Dokumentation, eine TV-Serie, eine Graphic Novel App, sowie eine Audio- und E-Book-Serie.

Für mich steht v.a. die Web-Serie im Vordergrund. Sie setzt sich aus fünf Episoden zusammen, die jeweils durch Expertenmeinungen oder weiterführende Informationen wie z. B. die »ICS Sicherheitslücken« angereichert sind. Der Nutzer kann selbst entscheiden, welche zusätzlichen Informationen er anschauen oder lesen möchte. Er klickt sich damit spielerisch durch das teils humoristisch verpackte Wissen rund um die Thematik. »Gimmicks« wie ein ungefährlicher, aber nicht selbst gestarteter Download, zeigen mit Nachdruck, wie offen unsere Computer und Systeme sind. Der Titel der Episode 3 »Speichere dein Leben« gibt dagegen einen Hinweis darauf, wie viel heutzutage von gerade diesen Systemen abhängt.

»netwars / out of CTRL« ist aus meiner Sicht jedoch nicht nur deshalb interessant, weil es sich eines hochaktuellen Themas bedient. Sondern die Art der Erzählung macht für mich den ausschlaggebenden Unterschied. Mir macht es als Nutzer Spaß, mich in diesem Kosmos aus Wissen selbst fortzubewegen. Zu Klicken, was mir instinktiv auffällt und andere Dinge getrost vernachlässigen zu können, ohne das Gefühl zu haben, einen entscheidenden Punkt des Plots verpasst zu haben. Ich kann mich mit dieser Art der Erzählung perfekt sättigen, ohne übersättigt zu werden und meine Nutzung auf den Punkt darauf abstimmen, wie viel ich schon weiß und wie viel ich noch wissen möchte.

Momentan stellt das Projekt für mich nur eine kleine, kurze Recherchestation dar, die erwähnt werden will. Bei Bedarf wird die Recherche noch analytisch vertieft.

Website: netwars-project.com

Abbildungen
  1. Titelbild: Eigener Screenshot; Thiele, Lena: »netwars / out of CTRL«, URL: netwars-project.com/de/webdoc/episode2, Deutschland 2013, abgerufen am 18.1.2015.

Von der Kultur, die statisch wurde

Mit dem Buchdruck wurde die Kultur laut Sabria David statisch. Digitale Medien führen zu einer Verflüssigung der Gesellschaft. Welche Erkenntnis kann aus ihrem Essay im Magazin »New Forum« für das Erzählen gezogen werden? Welchen generellen Schluss kann man daraus für das Erzählen der Zukunft ziehen?

»New Forum« ist ein Magazin des NRW-Forum Düsseldorfs, das erstmals zur Ausstellung »Ego Update«, die vom 19.9.2015–17.1.2016 stattfindet, erscheint. Sabria David beschreibt dabei in ihrem Essay »ALLES FLIESST – Konstanten einer liquiden Gesellschaft« wie »Digitale Medien […] derzeit die Dinge in Bewegung bringen«1.

Erzählungen gibt es im Grunde schon immer. Während sie vor der Erfindung der Schrift einen dynamischen Prozess einer gewissen Veränderbarkeit durchliefen, wurde unsere Kultur – so Sabria David –durch den Buchdruck »statisch« und vor allem »zeit- und ortsunabhängig«. Zuvor war sie noch »offen« und »beweglich« und »hatte flexible Strukturen«.2
Des Weiteren erläutert sie, dass Wissen, das nicht von »Generation zu Generation weiterzählt« wird ausstirbt, da es nicht »materialisiert« ist.3

Hier sehe ich eine Parallele zur heutigen Zeit und dem darin vorherrschenden digitalen Gedächtnisverlust. Der Informationsphilosoph Luciano Floridi erläutert dies genauer in seinem Buch »Die 4. Revolution«. So kann dieser Gedächtnisverlust zum einen dadurch zu Stande kommen, dass alte Technologien nicht mehr nutzbar sind4 oder Daten von einer alten Technologie (z. B. Diskette) nicht in eine neue Technologie (z. B. CD) übernommen werden. Zusätzlich findet eine ständige Überspeicherung von z. B. Webseiten statt5, so dass Dokumente in einen Zustand der Geschichtslosigkeit geführt werden. Zum einen dadurch, dass Differenzen gelöscht werden, zum anderen, weil die Vergangenheit immer wieder neu geschrieben wird. Das digitale Gedächtnis scheint damit flüchtig wie die mündliche Kultur.6 Zwar ist Information nicht gleich Wissen, dennoch ist in diesen »Daten« aus meiner Sicht unheimlich viel Wissen verankert.

In Bezug auf Erzählungen ist meine Hauptessenz die, dass Geschichten nicht immer statisch waren. Das bedeutet für mich – wenn auch nicht als neue Erkenntnis –, dass im Gegensatz zu der »gehypten« non-linearen Erzählung, die lineare nicht die ursprüngliche Form der Erzählung war. Viel mehr sind es die angesprochenen dynamischen Prozesse der Veränderbarkeit, die wir auch aus eigenen Erzählungen kennen, da die Geschichte nicht immer gleich erzählt wird. Zwar ist in meinem Empfinden eine Alltagserzählung von Erzählungen zu unterscheiden, die von Autoren als Erzählung aufgebaut werden. Dennoch finde ich diesen Gedanken im Bezug auf heutige Erzählungen, in denen der Rezipient teilweise Teil der Geschichte wird, sehr spannend.
Den Bezug zu Floridi stelle ich deshalb her, da Sabria David beschreibt, dass sich die Gesellschaft gewissermaßen verflüssigt und der »Weg für eine Reorganisation frei« ist, »für die Herausbildung neuer, angemessener Strukturen und für neue Kulturtechniken«.7 Ich glaube, dass in dieser liquiden Gesellschaft nicht nur eine Reorganisation stattfindet, sondern, dass sich die Strukturen generell fortwährend flexibel ändern, Dinge sich verknüpfen, entknüpfen und neuverknüpfen. Im Bezug auf Floridi, zumindest im weitesten Sinne, könnte dies bedeuten, dass auch hier eine Art Geschichtslosigkeit, eine ständige Neuverknüpfung der Strukturen ohne ein Vorher und Nachher stattfinden kann. Das wäre auch ein interessanter Anhaltspunkt für das Erzählen von Geschichten, die sich ständig weiterentwickeln, neuverknüpfen und grundsätzlich kein Ende finden. Kein Haupt-, Mittel- und Schlussteil, keine Beschränkung auf bestimmte Medien, sondern ein wachsendes Patchwork. Eine sich immer fortwährend verändernde Erzählung. Eine neverending story. Dabei bleibt nur noch die Frage offen, ob hier nicht die Grundsätze der Erzählung in Frage gestellt werden.

Quellen
  1. David, Sabria: »ALLES FLIESST – Konstanten einer liquiden Gesellschaft« in: NEW FORUM »Alles, was das Internet schon immer über sie wissen wollte«, ein Magazin des NRW-Forum Düsseldorf, Düsseldorf 2015, S. 13.
  2. Ebd.
  3. Ebd
  4. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 36.
  5. Vgl. Ebd., S. 38 ff.
  6. Vgl. Ebd., S. 37.
  7. David, Sabria: »ALLES FLIESST – Konstanten einer liquiden Gesellschaft« in NEW FORUM »Alles, was das Internet schon immer über sie wissen wollte«, ein Magazin des NRW-Forum Düsseldorf, Düsseldorf 2015, S. 13.

Mehr Substanz auf der Web-Bühne

Es wird deutlich, dass das World Wide Web neue Möglichkeiten bietet, die dem einzelnen mit wenig Aufwand erlauben, eine gute Idee als Royal Flush auszuspielen. Der Kern der Sache ist für mich nicht die Frage, welches Unternehmen es durch das World Wide Web »geschafft« hat, sondern was diese durchaus noch junge Welt für nachkommende Kommunikationsdesigner bereit hält. Mit Köpfen voller Ideen, einem ästhetischem Grundverständnis Informationen zu vermitteln sowie dem nötigen Handwerkszeug scheint es die perfekte Ausgangslage zu sein.

Wie die Autoren von »Staatsfeind WikiLeaks« (Der unvollkommene Kreis ») stellt auch Andrew Keen in »Das digitale Debakel« fest, dass zwischenzeitlich kleine Gruppen die Macht über viele Menschen erlangen können.1 Während es bei WikiLeaks um Aufklärung und einer daraus resultierenden politischen Machtstellung geht, spricht Keen primär von finanzieller Macht oder unverhältnismäßiger Verteilung, die – aus meiner Sicht – durch z. B. Lobbyismus wieder in politische Macht mündet.
So beschäftigte beispielsweise WhatsApp vor dem 19-Milliarden-Dollar-Verkauf an Facebook lediglich um die 50 Mitarbeiter2 und dass Google mehr oder minder aus dem nichts in einer Garage entstanden ist, ist auch bekannt. Kleine gute Ideen werden riesig. Nur zum Vergleich: Die Daimler-AG erzielte 2014 einen Umsatz von ca. 130 Mrd. € – mit rund 280.000 Mitarbeitern.3 Wer in den gesellschaftlichen Köpfen eine größere Rolle spielt, soll jeder für sich entscheiden.
Für mich gibt es kaum etwas Langweiligeres als Zahlen oder generell Finanzen und als Laie vermische ich sicher Zahlen, die so nicht zueinander gehören. Ein Superpro wird sicher Gegenbeispiele finden und weder beruhigend noch beunruhigend ist, dass die mächtigsten Konzerne der Welt nicht Google, Facebook oder Apple heißen4. Dennoch gehört Google zu den ersten Unternehmen dieser »neuen Kategorie«, die laut Keen ihren »wirtschaftlichen Wert im Netz selbst« beherbergen.5

Nichts als Applaus für neue Ideen

Es wird in jedem Fall deutlich, dass das World Wide Web neue Möglichkeiten bietet, die dem einzelnen mit wenig Aufwand erlauben, eine gute Idee als Royal Flush auszuspielen. Der Kern der Sache ist für mich deshalb nicht die Frage, welches Unternehmen es durch das World Wide Web »geschafft« hat, sondern was diese durchaus noch junge Welt für die kommende Generation der Kommunikationsdesigner bereit hält. Mit Köpfen voller Ideen, einem ästhetischem Grundverständnis, Informationen zu vermitteln sowie dem nötigen Handwerkszeug scheint es die perfekte Ausgangslage zu sein.
Doch während unter vorgehaltener Hand versprochen wird, dass man mit einem guten Einfall so ziemlich jeden und alles erreichen kann, weiß man, dass aus den 15 Minuten Ruhm längst nur noch Millisekunden auf Pinterest-artigen Design-Blogs übrig geblieben sind – auf denen eine Idee nur noch der nächsten ähnelt.
In der Zukunft wird die Arbeit vielleicht mit Bitcoins belohnt, als Gegenwert regnet es heute selten Geld. Im Moment kann man die Web-Bühne häufig mit einem Applaus aus Likes, Retweets oder Pins verlassen. Wir verkaufen uns für billige Referenzen, verwechseln Likes mit ernst gemeinter Kritik und ich frage mich, wie ehrlich und vor allem wie wirklich das ganze Rumgeeier sein kann und zukünftig sein soll. Die alltägliche Arbeit mit realem Feedback und Kundenkontakt wirkt für mich substantieller als die Zur-Schau-Stellung im WWW. Sicher gibt es Plattformen, auf denen man sich schon jetzt ernsthaft bewegen kann und denen man sich aus meiner Sicht nicht grundsätzlich verschließen sollte. Doch eine Frage, die mich momentan beschäftigt ist, wie man zukünftig mehr Substanz und Vertrauen auf die große Web-Bühne bringen kann.

PS: Wenn wir schon mal bei vielen Zahlen waren, die nicht so ganz zusammen passen, dann noch was:
Berechne wieviel deine Daten im Internet wert sind: Financial Times-Rechner.

Quellen
  1. Vgl. Keen, Andrew: »Das digitale Debakel: Warum das Internet gescheitert ist – und wie wir es retten können«, München 2015, S. 20.
  2. Vgl. Bernau, Patrick: »19 Milliarden sind gar nicht so viel«, Stand: 20.2.2014, URL: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/netzwirtschaft/der-facebook-boersengang/whatsapp-uebernahme-19-milliarden-sind-gar-nicht-so-viel-12811384.html, abgerufen am 6.11.2015.
  3. Vgl. Unternehmensvorstellung Daimler AG, URL: http://www.daimler.com/unternehmen, abgerufen am 6.11.2015.
  4. Vgl. Fehling, Jonas: »Diese 35 Firmen kontrollieren die Welt«, Stand: 18.6.2014, URL: http://www.focus.de/finanzen/news/das-netzwerk-der-macht-diese-konzernen-kontrollieren-die-welt_id_3929949.html, abgerufen am 6.11.2015.
  5. Keen, Andrew: »Das digitale Debakel: Warum das Internet gescheitert ist – und wie wir es retten können«, München 2015, S.76.

Dragan Espenschied & Olia Lialina: »Once Upon«

In ihrem Projekt »Once Upon« bauen Olia Lialina und Dragan Espenschied vier verschiedene soziale Netzwerke so nach, wie sie 1997 hätten sein können. Dabei wird nur die Technologie genutzt, die tatsächlich möglich war.

Mit »Once Upon« versetzen Olia Lialina und Dragan Espenschied 2011 die drei sozialen Netzwerke Facebook, Google+ und YouTube zurück ins Jahr 1997. 2012 kommt Pinterest als viertes Netzwerk hinzu. Alle Netzwerke sind nach den Möglichkeiten im Jahr 1997 aufgebaut und funktionieren tatsächlich. So sind beispielsweise die Google-Kreise keine Kreise, sondern eine Anordnung eckiger Tabellen-Elemente und auf Grund technischer Begrenzung kann man bei Facebook nur 16 Freunde haben.1

Wie Olia Lialina in dem auf Vimeo zu sehenden Vortrag (Zum Vortrag ») bei der »Unlike Us Amsterdam #2« selbst erzählt, war 1997 ein bedeutendes Jahr in der Geschichte des Webs und ausschlaggebend für die Wahl des Jahres. Die dot.com-Manie bricht aus und läutet – technologisch und gesellschaftlich – den Beginn der Zukunft ein. Es herrscht die Euphorie, dass nun etwas Großes los geht oder dass nun z. B. jeder reich werden kann. Mit dem Netscape Communicator kommt ein Browser auf den Markt, der erste Applikationen erlaubt, wenn auch noch auf einem niedrigen Level. Dinge wie z. B. Real-Time-Kommunikation liegen zwar noch in der Zukunft, aber erste Erfahrungen kommen auch in dieser Zeit zu Stande. Deshalb verändert sich das Jahr der Netzwerke nie – es bleibt immer das Jahr 1997.2

Die Plattformen

Facebook

An dieser Stelle möchte ich primär auf die Netzwerke selbst eingehen. Hintergründe und Vorüberlegungen sind im Vimeo-Beitrag zu sehen.
In Facebook ist man grundsätzlich als Gast unter dem Namen Jennyxxxxx (xxxxx = eine sich ändernde Zahl) unterwegs. Der Bildschirm ist in drei Bereiche aufgeteilt: Am oberen Bildschirmrand ist die für Facebook typische blaue Leiste zu sehen. Außerdem sieht man zum einen den Bereich des eigenen Ichs Jenny, sowie einen durch Frames aufgeteilten Bereich, der 16 Freunde beinhaltet. Im eigenen Bereich ist links eine Spiralbindung zu sehen, grafisch ist diese Darstellung von »echten Gegenständen im Internet« nicht untypisch für die »90er« (, die laut Olia Lialina viel zu oft pauschal als die »90er« beschrieben werden, obwohl das Jahrzehnt viel detaillierter zu betrachten ist). Der Bereich der Freunde ist durch die Grafik einer Ziegelsteinmauer hinterlegt – die Facebook-Wall, die im Grunde eher dem News-Feed gleichzusetzen ist. In Bezug auf die Facebook-Begrifflichkeiten wäre der Wall-Hintergrund oder im deutschen ein Pinnwand-Hintergrund an Stelle des »Spiralbindung-Buchs« denkbar. Seit der Umbenennung zur Chronik ist es aber so sicher passender. 
Man kann selbst etwas im Netzwerk posten (»Submit« anstelle von »Post«) oder – wie typisch für Formulare – die »Clear«-Funktion nutzen. Man kann Beiträge seiner Freunde sehen und für sie voten –  unterstützt von einer anschließenden Feuerwerk-Animation. Die Profilbilder bestehen aus einer schönen Mischung charmanter 90er-Animationen, Cliparts oder z. B. Fotos. 

Google+

Dieselbe Mischung an Fotos sieht man auch in seinem Google+-Profil. Dort hat man im Header-Bereich, wo auch das Logo, die Suche, sowie der Hinweis, dass man als Jennyxxxxx eingeloggt ist, eine Auswahl zwischen »Users«, »Messages« und »YourProfil«. Folgend kommt ein Bereich der vorhandenen User, inklusive Dropdown-Auswahl, um selektierte User einem Kreis hinzuzufügen. Am unteren Bildschirmrand sieht man den Bereich der Kreise, die aus technischen Gründen eher einem »quadratischen Kreis« entsprechen. 16 Quadrate stellen den Kreis dar, in dem schon die ersten User zu sehen sind, in der Mitte davon sieht man die Art des Kreises, z. B. »colleagues«. Außerdem kann man natürlich noch einen neuen Kreis erstellen. 

YouTube

Die Video-Plattform YouTube ist vertikal in drei Bereiche eingeteilt, von denen die zwei äußerem Frames mit einem roten Vorhang hinterlegt sind. Durch die »Frames-Rahmen« kann man so den Vorhang auf- und zu ziehen. Der mittlere Bereich ist horizontal in drei Bereiche eingeteilt. Der oberste Bereich enthält wieder das Logo, die Suchfunktion, sowie den Namen des eingeloggten Users. Im mittleren Bereich ist das Video selbst zu sehen sowie der Titel, Benutzername und das Datum. Im letzten Bereich ist eine Auswahl an verschiedenen Video-Containern, Codecs und Bandbreiten möglich. Das ist auch darauf bezogen, dass damals eine Unmenge verschiedener Formate vorhanden war. Zwar gibt es noch heute verschiedene Formate und Codecs, jedoch haben sich wenige Standards für die Darstellung im Web durchgesetzt. Noch immer wird aber nicht jedes Format in jedem Browser dargestellt und verschiedene Versionen werden benötigt. Man kann übrigens einen FTP-Zugang beantragen, um tatsächlich Videos hochzuladen!

Pinterest

Als Nachzügler kam Pinterest als viertes Netzwerk hinzu. Pinterest ist vertikal in zwei Hauptbereiche aufgeteilt. Im linken Bereich befindet sich das Logo, der Hinweis als welcher Nutzer man online ist, ein Design- und Pin-Button, sowie eine Auswahl an Kategorien und Nutzer. Im rechten Bereich findet man nach einem Willkommenstext, sowie der Aufforderung sich einen Account anzulegen, die Bilder aller Nutzer. Die Bilder sind untereinander dargestellt, da die typische masonry-Pinterest-Darstellung erst später möglich war. Über den »Design«-Button kann man einen persönlichen Hintergrund aus einer Auswahl von Tapeten wählen. Mit dem »Pin«-Button tatsächlich Bilder pinnen, einen dazugehörigen Rahmen auswählen, sowie das Ganze im nächsten Schritt in die richtige Kategorie einordnen.

Besonders spannend finde ich bei diesem Projekt zum einen die Liebe zum Detail bei der Frage, was damals alles möglich war. Zum anderen die amüsanten Zusätze, die sich in den Grundfunktionen zwar aus meiner Sicht etwas zum Original unterscheiden, sich aber sinngemäß perfekt eingliedern: YouTube besitzt beispielsweise einen auf Frames basierten roten Vorhang und Pinterest beinhaltet die Funktion, dass eine Auswahl verschiedener »Tapeten« vorhanden ist, um sie als persönlichen Hintergrund einzustellen. Hier wird aus meiner Sicht – unwissend, ob überinterpretiert – ein hervorragender Bezug dazu hergestellt, wie die Medienwelt für die Gesellschaft funktioniert hat. So war das soziale Erlebnis »Filme schauen« noch eher eine Sache, die im Kino stattfand. »Bilder schauen« war ein Teil des heimischen Wohnzimmers. Zwar war das Hochladen von Fotografien grundsätzlich schon möglich und wurde teilweise schon betrieben, aber es gab nicht im Ansatz die Verbreitung von heute. Fotos konnten nicht einfach via Facebook hochgeladen werden und selbst das Verschicken über das Handy via MMS war erstmals im November 2002 möglich.3 Auch die Zustimmung in Form eines »Like« gab es nicht. Daher finde ich es großartig, dass selbst dieser Button im Facebook 1997 zum »Vote«-Button umgedacht wurde – unterstützt von der anschließenden Feuerwerk-Animation.
Olia Lialina weist in ihrem Vortrag darauf hin, dass selbst die Servergeschwindigkeit auf 8 kB gedrosselt wurde, um die Nutzererfahrung zu verbessern. Auch das sehe ich als einen genialen Einfall, der grundsätzlich natürlich naheliegend ist. Heutzutage können wir uns nicht einmal mehr im Ansatz vorstellen, wie langsam das Internet damals war, nachdem man sich mühevoll unter lauter Kulisse eingewählt hat. Insgesamt halte ich es für ein großartiges Konzept, die Netzwerke bzw. generell die Möglichkeiten unserer Zeit »zurückzudenken«. 

Quellen
  1. Vgl. Vortrag vom 9.3.2012 von Olia Lialina auf Vimeo, network cultures: »Imaginary Origins of Social Networks«, im Rahmen der »Unlike Us Amsterdam #2«, URL: https://vimeo.com/38840992, abgerufen am 17.10.2015.
  2. Vgl. Ebd.
  3. Vgl. Mielke, Bernd: »MMS in Deutschland«, URL: http://www.dafu.de/mms/mms-d.html, abgerufen am 18.10.2015.
Abbildungen
  1. Titelbild: Eigener Screenshot; Lialina, Olia; Espenschied, Dragan: »Once Upon«, URL: http://www.1x-upon.com/, abgerufen am: 13.10.2015.

One Terabyte of Kilobyte Age

Ein Archiv alter geocities-Seiten aus der Zeit, in der das World Wide Web noch fast nichts für uns war. Außer eine Spielwiese, auf der man sich unbedacht austoben konnte.

Mit »One Terabyte of Kilobyte Age« zeigen die Künstler Olia Lialina und Dragan Espenschied eine Sammlung von Geocities-Websiten, die sie kurz vor der Schließung des Dienstes heruntergeladen haben. Geocities bot damals kostenlosen Webspace an. Ein »geocities« im Domain-Namen war immer der direkte Hinweis, dass die Seite dort gehostet wird. Das Archiv zeigt das unendliche Bling-Bling der 90er, in denen man noch halbwegs unbeholfen mit dem WWW hantierte und als Privatperson wohl erst recht ganz nach dem Motto »Alles ins Web, was geht« gehandelt hat. Ich war damals auch froh, irgendwann mit der – eigentlich einfachen – Logik von Frames klarzukommen und meine erste Seite bei geocities online stellen zu können.

Man sieht in »One Terabyte of Kilobyte Age« die ersten Gehversuche einer Generation, die durch das WWW einer riesigen Verwandlung unterzogen wird. Mit unbeholfener Naivität werden gewissermaßen Kunstwerke geschaffen, die nie künstlerisch sein sollten und es wohl auch nie sein wollten. Sie zeigen den ersten Umgang mit einer neuen Technologie, die ersten Versuche Webseiten zu erstellen und im Gegensatz zu heute waren sie wohl nie ehrlicher.
Erst in der Sammlung kommt das Wahre zum Vorschein, das Abbild einer Gesellschaft, die noch ohne Angst und Kritik an dieses neue Medium herantritt, spielt und ausprobiert.

Abbildungen
  1. Titelbild: Eigener Screenshot; Lialina, Olia; Espenschied, Dragan: »One Terabyte of Kilobyte Age«, URL: http://restoration.geocities.institute/Athens/2652/, abgerufen am: 13.10.2015.

Schneller, als man als Mensch begreifen kann.

Kein »außen« und »innen«. Wir sind mittendrin und Teil vom ganzen. Doch die Technologie scheint sich schneller zu entwickeln, als wir wirklich begreifen können. Verlieren wir das Rennen? Ist es überhaupt ein Rennen?

Wir versuchen oft von »außen« auf die »digitale, vernetzte Welt« zu blicken. Wir leben in der Realität, dort im World Wide Web verlieren wir uns. Wir leben hier in der Gemeinschaft, dort verlieren sich die Menschen hinter Smartphones und Tablets. Dabei sind wir mittendrin – nicht außen, nicht innen. Wir sind Teil vom Ganzen und das Ganze Teil von uns.

Wie das Buch, gehört dieses Ding namens World Wide Web nun zu unserer täglichen Medienrealität, wenn auch mit noch weitreichenderen Konsequenzen. Sicher verändert es unsere Welt und unser Leben: Vor allem der Generation, die nicht mit zehn Jahren stolzer Smartphone-Besitzer war, fällt es scheinbar schwer sich vollständig darauf einzulassen. Aber was bringt es dem »neuen Medium« (,das dazu gar nicht mehr so neu ist) ständig mit höchster Kritik zu begegnen? Ich spreche nicht davon unkritisch zu sein und alles tatsächlich schlechte so hinzunehmen wie es ist. Sondern von der Möglichkeit angemessen darauf zu reagieren, etwas zu verbessern und den Umgang zu erleichtern. Denn wenn auch nicht neu: Das Medium ist jung. Und es scheint sich noch immer schneller zu entwickeln, als man es als Mensch begreifen kann. Für uns als Designer stehen in jedem Fall große Aufgaben bereit.

Olia Lialinas »My boyfriend came back from the war!«

»My boyfriend came back from the war!« von der Netzkünstlerin Olia Lialina gilt als Klassiker in der Netzkunst. Was macht das Projekt aus und welche Ansätze können in ihrer Erzählweise für aktuelle Erzählungen hilfreich sein?

»My boyfriend came back from the war!« ist ein Internetprojekt der Netzkünstlerin Olia Lialina, das 2016 bereits 20 Jahre alt wird. Die interaktive Hypertext-Erzählung besteht aus einem Gespräch zwischen einem Paar dessen Gesprächsfragmente Klick für Klick »aufgedeckt« werden und deren Beziehung gleichzeitig Stück für Stück zerbröckelt.
Die Fragmente können dabei visuell keinem der beiden konkret zugeordnet werden. Begleitet wird die Textebene von schwarz-weißen gifs, die dem Rezipienten als Anhaltspunkt dienen. So bringt beispielsweise eine Abfolge von Uhren mit verschiedenen Uhrzeiten eine zeitliche Ebene in die Narration.

Nach einem schwarzen Einstiegs-Bildschirm mit dem weißen Satz »My bofriend came back from the war. After dinner they left us alone.«, gelangt man auf eine Seite, die zwei Bilder zeigt: Ein sitzendes, voneinander abgewandtes Paar, sowie ein Fenster. Über Hyperlinks innerhalb der Texte und Bilder taucht man tiefer in die Geschichte ein, die verschiedene emotionale Ebenen durchläuft, so z. B.: »CAN anybody kill you?«, »I keep your photo here«, »you don’t trust me, I see« oder »FORGIVE ME«. Jeder Klick auf einen Hyperlink zerteilt den Bildschirm in immer kleinere Frames. Frames wurden vorwiegend in den 90er-Jahren für die Unterteilung einzelner Bereiche im Browser verwendet. Ist der Erzählstrang innerhalb eines Frames vorbei, ist keine Teilung mehr möglich. Übrig bleiben – neben den zwei Einstiegsbildern – schwarze Frames, die den gesamten Browser in einzelne Bruchstücke aufteilen. Eine schwarze, zerbröckelte Leere, die auf einen bestehenden Konflikt ohne weitere Lösung hinweist. 

Das Projekt wird an verschiedenen Stellen im Web inhaltlich genauer betrachtet. Ich möchte mich im Weiteren auf die für meine Arbeit relevanten Essenzen konzentrieren. Die Art der Erzählung kann als web fiction kategorisiert werden, wird aber häufig auch als »netfilm«1 bezeichnet. In einem Artists Statement beschreibt Olia Lialina, dass Filme im Internet eher als Information (Biografien, Stills, …), maximal als .avi existieren. Dabei sei Hypertext der beste Weg, Geschichten zu erzählen, vor allem da das Web – durch die Frames – dem Film näher ist als das Video.2

Diese Art ihrer Erzählung finde ich besonders spannend, da sie zum einen verschiedene Eigenschaften besitzt, die auch für heutige Erzählungen von Bedeutung sind. So z. B. non-lineare Erzählstrukturen und allem voran die Interaktivität mit dem Rezipienten. Zum anderen, weil Olia Lialina das Web nicht nur als abbildendes Medium nutzt, sondern mit ihm selbst sowie mit der dafür charakteristischen Technologie arbeitet. Das Medium nicht nur als charakterloses Trägermaterial, sondern seine technischen Vor- und (manchmal charmanten) Nachteile zu nutzen, ist aus meinem Empfinden auch für aktuelle Erzählweisen essentiell und übertragbar.

In einem Interview mit Tilmann Baumgärtel, beschreibt Olia Lialina ihre Bestrebung danach wie man »Film und filmisches Denken im Netz anders darstellen kann«3 und eine – ähnlich wie im Experimentalfilm – neue Sprache zu finden. Des Weiteren habe sie verstanden, dass das Projekt »von der Interaktion im Internet handelt: daß man miteinander kommuniziert, ohne sich zu sehen und ohne zu wissen, wer da spricht. Und daß sowieso niemand antwortet«4.
Zwar geht es der Netzkünstlerin nicht um die Technologie an sich, sondern um Liebe und Einsamkeit.5 Dennoch ist der Aspekt der Interaktion im Internet besonders spannend für mich. Auch wenn im Internet zwischenzeitlich Menschen antworten können oder auch wenn oft nur suggeriert wird, dass jemand direkt antwortet, gibt es bestimmte Eigenheiten des Mediums, die man sich bewusst zu Nutze machen kann. Mit ihnen experimentieren, sie erforschen kann. Vor allem aber zeigt, das »Verständnis« dafür, dass es sich um ein Web-Projekt mit Interaktion handelt, wie wichtig die Stellung der Rezipienten ist. Eine gewisse Interaktion zwischen Medium und Rezipient findet zwar nicht nur im Internet statt, dennoch ist diese Interaktion oder Reaktion für ein Projekt dieser Art bedeutend. Zum einen können natürlich verschiedene Werke auf Menschen unterschiedlich wirken und dadurch gewissermaßen auf einer Bedeutungsebene interpretiert und verändert werden. Zum anderen stellt sich gerade in interaktiven Projekten besonders die Frage nach möglichen – eventuell ungeplanten – Handlungen des Rezipienten. Wie reagiert er tatsächlich? Wie interagiert er? Welche Mechanismen sind wichtig, um eine Interaktion hervorzurufen? Die Frageliste wäre endlos.

Abschließend bleibt zu sagen, dass »My boyfriend came back from the war!« aus meiner Sicht absolut berechtigt ein Klassiker der Netzkunst ist. In Olia Lialinas Arbeiten finde ich generell die häufige Bezugnahme auf die aktuelle (Netz-)Kultur sehr interessant. Daher möchte ich in einem kommenden Schritt weitere Projekte von ihr mit einbeziehen sowie zusätzliche Recherchen zu früheren und aktuellen Erzählweisen anstellen.

Quellen
  1. Lialina, Olia: »Artists Statement«, URL: http://www.heise.de/tp/magazin/nk/3040/1.html, abgerufen am 10.10.2015.
  2. Vgl. Ebd.
  3. Baumgärtel, Tilmann: »Auf russisch habe ich solche Gefühle nicht – Interview mit Olia Lialina«, Stand: 25.11.1997 ,URL: http://www.heise.de/tp/artikel/6/6146/1.html, abgerufen am 10.10.2015.
  4. Ebd.
  5. Vgl. Ebd.

Der digitale Wahn – Zwischen Medienkompetenz und Chaoskopf

Die technologische Entwicklung schreitet schneller voran als die anthropologische. Während aus meiner Sicht sicher ist, dass wir die Technologie nicht mehr einholen werden, stellt sich die Frage danach, welche Kompetenzen wir erlernen müssen, um mit dieser Entwicklung angemessen umgehen zu können.

»Der digitale Wahn«, herausgegeben von Bernhard E. Bürdek, versammelt eine Reihe von Essays verschiedener Autoren zu Themen im Bereich »Digitalisierung der Welt«.

Bürdek selbst beschreibt in seinem Essay »Der digitale Wahn«, dass die »anthropologische und technologische Entwicklung«1 nicht gleich schnell verläuft. Während die technologische Entwicklung rast, bleibt der Mensch auf der Strecke und dadurch entsteht laut ihm die »Problematik des ›Nicht-Verstehens‹ oder des nicht damit Umgehen können.«2

Obwohl die Sammlung bereits 2001 herausgegeben wurde, klingt die Problematik im Jahr 2015 noch immer sehr aktuell für mich und unter Umständen hat sie sich durch die ungleiche Entwicklung sogar zugespitzt. Die technologischen Entwicklungen werden immer unüberschaubarer und neben einer endlosen Masse, scheint auch die Komplexität der Entwicklungen für den Einzelnen nicht mehr greifbar zu sein.

Hans-Dieter Übler zitiert in seinem Essay »Learning by Surfing? – Digitale Lernmythen und Wissensillusionen« einen ZEIT-Artikel3, in dem es folglich heißt, dass die Schlüsselqualifikation der Zukunft Medienkompetenz sei.4
Auch wenn Medienkompetenz nicht gleichbedeutend mit einem allumfassenden Überblick ist, stellt sich mir hier die Frage, was Medienkompetenz heutzutage konkret bedeuten kann und ob eine »vollständige« Medienkompetenz für den Einzelnen überhaupt noch erreichbar ist.

Werden wir die Technologie wieder einholen oder zumindest den Umgang mit ihr erlernen?

Quellen
  1. Bürdek, Bernhard E.: »Der digitale Wahn« in: Bürdek, Bernhard E. (Hg.), »Der digitale Wahn«, Frankfurt am Main 2001, S. 207.
  2. Ebd.
  3. Vgl. Rüttgers, Jürgen: »›Eine Ära geht zu Ende. Das muß auch die Schule lernen und lehren.‹ Lernen in der Medienwelt – die Position von Bundesbildungsminister«, Stand: 19.9.1997, URL: http://www.zeit.de/1997/39/contra.txt.19970919.xml, abgerufen am 6.10.2015.
  4. Vgl. Übler, Hans-Dieter: »Learning by Surfing? – Digitale Lernmythen und Wissensillusionen« in: Bürdek, Bernhard E. (Hg.), »Der digitale Wahn«, Frankfurt am Main 2001, S. 147.

Der unvollkommene Kreis

Transparente Politik, transparente Entscheidungen, transparente Unternehmen. Pam! Transparente Menschen, transparente Daten, … Was will man denn jetzt eigentlich?

Wenn ich an Transparenz denke, haften oft negative Assoziationen an diesem Wort. Ich denke an meine Privatsphäre, an meine Daten. Daran wie ich durchleuchtet werde, gläsern bin und kaum einen Schritt mehr unternehmen kann, ohne dass es irgendwo registriert wird. Andererseits ist es ein alter Schuh, dass der gleichzeitige Voyeurismus unheimlich attraktiv zu sein scheint. Facebook, WhatsApp und wie sie denn alle heißen, geben mir das perfekte Werkzeug an die Hand, um zu beobachten, was die Anderen machen, erleben und fühlen. Transparenz im kleinen Stil – in einer Welt, in der ohnehin die meisten behaupten, dass sie nichts zu verbergen hätten. Ist das so?

Im dystopischen Roman »Der Circle« von Dave Eggers nimmt Transparenz eine ganz andere Dimension an. Die vollständige Transparenz mittels Minikamera um den Hals soll vor Korruption in der Politik schützen und aus dem Menschen den perfekten – naja sagen wir zumindest einen guten – Menschen machen. Denn wer tut schon Böses, wenn er sich nicht sicher ist, unbeobachtet zu sein?1 Während in Circle eine fiktionale Zukunft beschrieben wird (, die gar nicht so fiktional klingt), setzt Julian Assange mit der Plattform WikiLeaks schon jetzt auf Transparenz und Aufklärung. Mit möglicher Folge, dass die Politik sich nicht mehr in Sicherheit der Geheimhaltung wiegen kann und zu anderem Handeln gezwungen ist.2

Rosige Aussichten! Politik ohne Korruption und ein Haufen guter Menschen, der nur noch absolut Gutes tut! Aber wie sind die Aussichten denn, wenn kleine Gruppierungen ganze Staaten unter Druck setzen und die Weltpolitik beeinflussen können?
Wie sind sie, wenn durch vollständige Transparenz das Leben einzelner in Gefahr gebracht wird, weil Namen unzensiert veröffentlicht werden? Wenn jedes Geheimnis dieser Welt verloren geht?

Und die für mich wichtigsten Fragen:
Was geht uns verloren, wenn wir nichts mehr verbergen könnten?
Würden wir wirklich noch frei nach unserem Willen handeln?

Quellen
  1. Vgl. Eggers, Dave: »Der Circle«, Köln 2014, 6. Auflage.
  2. Vgl. Rosenbach, Marcel; Stark, Holger: »Staatsfeind WikiLeaks – Wie eine Gruppe von Netzaktivisten die mächtigsten Nationen der Welt herausfordert«, Hamburg 2011.