Von der Frage nach dem tatsächlich Existenten

In meinem vorherigen Post (Imitation der Interaktivität ») beschreibe ich bereits eine interessante Ansicht des Medienkünstlers Douglas Davis, die sich darum dreht, ob es echte Interaktion überhaupt gibt. Davis liefert einen weiteren, wichtigen Anstoß mit der Frage, woher wir wissen »daß das, was wir sehen, tatsächlich existiert, wenn es durch einen technischen Apparat vermittelt wird und uns die direkte Erfahrung fehlt?«1. Er vergleicht die Tatsache, dass wir nicht wissen, was im Internet tatsächlich existiert mit Platons Höhlengleichnis, bei dem der »Betrachter nicht weiß, ob das, was er sieht, wirklich wahr ist«2.
Obwohl heutzutage ein viel größeres Verständnis für das Internet gegeben ist, da es kein »neues Kommunikationsmedium« mehr ist, sondern viel mehr alltäglicher Begleiter, stellt sich noch immer die Frage, woher wir wissen, was tatsächlich existiert.

Wie echt sind entmaterialisierte Objekte und Stellvertreter des Realen?

Als ich mich mit Floridi auseinander gesetzt habe (Erkennnisse und Eindrücke zu Luciano Floridis »Die 4. Revolution« »), ging es bei der Frage nach Existenz eher um die Frage, ob z. B. Virtuelles echt ist. Die Frage wurde dabei mit einem deutlichen Ja beantwortet. Douglas Davis bezieht sich mehr auf die inhaltliche Komponente, nämlich ob es z. B. echt ist, wenn via Webcams Leute bei der Arbeit gezeigt werden. Obwohl man diese Frage nie eindeutig beantworten wird, werden aus meiner Sicht solche Fragen heutzutage nicht mehr gestellt. Sie haben an Relevanz verloren. Doch auch wenn das World Wide Web kein Fremdkörper mehr ist und es an Vertrauen gewonnen hat, bereitet uns diese Entmaterialisierung der Dinge sowie die Kultur der Stellvertreter noch immer große Probleme. Musik oder Filme gewinnen nach vielen Jahren der Schwarzkonsumiererei erst wieder an Wert. Man ist sich nun bewusst, dass MP3-Dateien wie Lieder auf einer CD die Produkte langer Arbeit sind – auch wenn der Wert noch immer nicht gleich bemessen wird und insgesamt natürlich verloren hat. Zudem macht uns die Kultur der Stellvertreter – z. B. Profile als Stellvertreter der Person, »Gefällt mir« als Stellvertreter für Zustimmung – noch immer zu schaffen. Auch hier können wir nicht immer klar beantworten, ob die Personen (oder eher die Stellvertreter) »echt« sind, aber auch hier nähern wir uns langsam einer Vertrauensbasis an. Die Beispiele zeigen, dass wir nach 25 Jahren World Wide Web das »neue Virtuelle« noch immer nicht gänzlich angenommen haben. Die Frage danach, was tatsächlich existiert, unterstreicht das zudem.

Leben in der virtuellen Sphäre

Obwohl wir in der Infosphäre wohnen, von Informationen abhängig sind und das World Wide Web uns sämtliche Dienste erbringt – unabhängig davon, ob z. B. Kommunikation, Information oder Unterhaltung – scheinen wir das World Wide Web und das Virtuelle an sich noch immer nicht als weitere, feste Schicht unserer Sphäre – die nicht nur der physische Raum ist – anerkannt zu haben.

Quellen
  1. Baumgärtel, Tilman: »net.art 2.0 – Neue Materialien zur Netzkunst«, Nürnberg 2001, S.81.
  2. Ebd.