Zwischen Spam, Darknet und Datenvisualisierung

ZKM Karlsruhe Random Darknet Shopper

Die Ausstellung Globale Digitale im ZKM Karlsruhe »thematisiert die kulturellen Effekte der Globalisierung und Digitalisierung, welche das Leben auf unserem Planeten verändern.«1

Neben vielen spannenden Projekten und tollen Ideen, kann ich nur wenige Arbeiten in meine Recherche aufnehmen oder sie sind zum Teil schon in meinem Rechercheblog zu finden, wie z. B. das großartige Projekt »Grosse Fatigue« von Camille Henrot (In the beginning everything was dead. »).

Was ich bei meiner Auswahl erneut merke: Kommunikationsdesign, das sich rein mit der strategischen Ausrichtung von Marken, Unternehmen oder ähnlichem beschäftigen, um nach getaner konzeptioneller Arbeit, ein Design zu entwickeln, finde ich leider mehr als uninteressant. Ich schätze Projekte mit künstlerischem Einfluss gespickt mit Inhalten, die sich mit gesellschaftlich relevanten Themen beschäftigen. Inhalte, die Kritik üben, humoristisch Möglichkeiten und Grenzen ausloten oder Visualisierungen, die Unsichtbares, das jeder kennt, sichtbar machen.

Das Sichtbarmachen des Unsichtbaren

Sowohl das Projekt »Diary« von Philipp Schaerer als auch »bit.code« von Julius Popp nutzen das Sichtbarmachen des Unüberschaubaren oder Unsichtbaren zumindest als Methode ihrer Arbeit.
Philip Schaerer legt sämtliche Dokumente wie Fotografien, Grafiken oder Pläne offen, die sich seit 1998 auf seinen Festplatten angesammelt haben und sowohl systematisch benannt als auch mit Stichworten versehen sind. Diese visualisierte Datenflut gibt in der Gesamtheit einen Überblick über die Datenmengen, die sich in unserem täglichen Leben ansammeln und verraten im Detail mehr über das alltägliche Leben. Laut der Projektbeschreibung, die im ZKM zu finden ist, schlägt die Arbeit »einen anderen Zugang zum angesammelten Datenmaterial vor und versucht über die optische Wahrnehmung die Gesamtheit der Datenmenge als Bild erfahrbar zu machen«.

ZKM Karlsruhe | Diary
Diary von Philipp SchaererII

Julius Popp zeigt mit seiner Visualisierung von Bits, die kleinste Daten- oder Informationseinheit, die unendlichen Möglichkeiten zur Kombination von Bits bei einer endlichen Zahl von Bits. Auf Ketten, die sich bewegen sind die einzelnen Bits in schwarz und weiß aufgezogen. Die Ketten und einzelnen Bits werden so kombiniert, dass lesbare Worte auftauchen, die nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Die Worte stammen dabei aus einer Reihe von Nachrichtenwebseiten, die nach den häufigsten Begriffen durchforstet werden. Damit ist bit.code auch gesellschaftlicher Spiegel in Bezug darauf, welche Themen gerade wichtig oder relevant sind.

ZKM Karlsruhe bit.code
bit.code von Julius PoppIII

Abgründe des WWW

Die Arbeiten »Scambaiters« von Mishka Henner und »Random Darknet Shopper – The Bot’s Collection« von der Mediengruppe Bitnik bedienen sich, aus meiner Sicht, auch einer ähnlichen »Methode« für die Entwicklung ihrer Projekte: Einfach mal etwas nahe liegendes machen, das man normal nicht tut und gerade deshalb seinen Reiz ausmacht.
Hinter jeder E-Mail steckt irgendwo ein Mensch und deshalb dachte sich Mishka Henner, er könnte ja mal auf Spam-Mails antworten. In »Scambaiters« sammelt und reproduziert Henner Bilder und Texte, die er aus dem Mail-Verkehr mit diesen »Spam-Mail-Schreibern« hat. Er zeigt die spannende Dynamik, die dabei entsteht, wenn Menschen – meist aus Nigeria oder Ghana – via Spammail eine glaubhafte Version für Zahlungen oder ähnliches erfinden, um Menschen in Nordamerika oder Europa davon zu überzeugen, Zahlungen zu tätigen. Auf der anderen Seite stehen diese Nordamerikaner und Europäer und wollen glaubhafte Beweise und Fotos für die erfundenen Geschichten.

ZKM Karlsruhe Scrambaiters
Scrambaiters von Mishka HennerIV

Für die »Random Darknet Shopper – The Bot’s Collection« wurde im Darknet geshoppt. Der clevere Schachzug: Nicht die Mediengruppe selbst hat fleißig eingekauft, sondern eine programmierte Software, die 100 $ in Bitcoins zur Verfügung hatte. Die Einkäufe reichten dabei von nachgemachten Schuhen über Ecstasy-Pillen bis hin zu einem eingescannten Pass. Nachdem die Objekte in St. Gallen ausgestellt waren, wurden sie beschlagnahmt. Aber nun: Kann die Gruppe dahinter belangt werden, wenn eine Software die Einkäufe getätigt hatte?

ZKM Karlsruhe Random Darknet Shopper
Random Darknet Shopper – The Bot’s collection von der Mediengruppe BitnikV

Interessant fand ich abschließend bei allen aufgeführten Projekten, dass sie sich alltäglicher Phänomene bedienen und ungewöhnliche oder andere Zugänge zu den jeweiligen Themen finden. Des Weiteren haben sie alle eine Relevanz für die Allgemeinheit. Selbst »Diary«, das zunächst nur einem Tagebuch ähnelt, zeigt ein Abbild einer ganzen Generation oder Zeit, die sich im Wandel und im Zusammenspiel mit der digitalen Welt befindet.

Quellen
  1. Vgl. ZKM Karlsruhe, Programm: GLOBALE, URL: http://zkm.de/event/2015/06/globale-programm, abgerufen am 13.2.2016.
  2. Die Informationen über die Projekte, habe ich über die Projektbeschreibungen innerhalb des ZKM bei den jeweiligen Arbeiten erhalten. Es scheint als wären die Texte von den Künstlern selbst.

Abbildungen
  • Titelbild, II.–V. Eigene Fotografien – die jeweiligen Urheber/Künstler sind in der Bildunterschrift zu finden.