Erkenntnisse und Eindrücke: Luciano Floridis Buch »Die 4. Revolution«

Luciano Floridi wagt einen Versuch erste Ansätze für eine neue Informationsphilosophie zu entwickeln, um dem rasanten Wandel, dem unsere Zeit unterliegt, gerecht zu werden. Neben den Inhalten selbst, halte ich den Gedanken, den richtigen Umgang mit diesen Veränderungen zu finden, für besonders wichtig.1 Während der letzten Jahre häuft sich die Kritik an den Informations- und Kommunikationstechnologien und nicht selten sagen uns Dystopien unsere »schwarze Zukunft« voraus – Angst, Unwissenheit und Unsicherheit als wahrscheinlichster Auslöser. Doch während wir uns heutzutage noch vor sämtlichen »Ängsten« (z. B. Datenschutz, Überwachung, …) vermeintlich schützen können, indem wir offline gehen oder uns mit einem alten Nokia 3210 zufrieden geben, bleibt diese Möglichkeit zukünftig wohl aus. Zwar könnte man sich sämtlichem Neuen verschließen, was aus meiner Sicht zum einen nicht absolut möglich sein wird, da es immer – erzwungene – Berührungspunkte mit der neuen Technologie geben wird. Zum anderen bleibt man langfristig – traurigerweise – auf der Strecke, wenn man sich stets dem Neuen verweigert.

Dynamik der Strömung nutzen

Wichtiger wäre es, einen angemessenen Umgang mit diesem Wandel zu finden, anstatt sich vor ihm zu verschließen.
Als eine wichtige Verbindung und einen wichtigen Anstoß halte ich hier auch McLuhans Essay »Die mechanische Braut«, in dem er beschreibt, wie sich ihm fortwährend Edgar Allan Poes »Sturz in den Malstrom« ins Bewusstsein drängt. Die Hauptessenz ist dabei, nicht »gegen die beachtlichen Strömungs- und Druckkräfte anzukämpfen, die sich durch die mechanischen Einwirkungen von Presse, Radio, Kino und Werbung um uns herum aufgebaut haben«, sondern ihre Abläufe genau zu studieren und deren Dynamik zu nutzen2. Genau diese Aufgabe wird sich auch uns als Kommunikationsdesigner – als Vermittler von Informationen – zunehmend aufdrängen.

Die virtuelle Wirklichkeit

Für eine weitere interessante Ansicht Floridis, halte ich sein Verständnis von Wirklichkeit. Er beschreibt wie Virtuelles und Nicht-Virtuelles zunehmend verschwimmen und es kein »außerhalb« und »innerhalb« der Infosphäre mehr geben wird.3 Laut ihm wird es eine informationelle Auffassung von Wirklichkeit geben. Das heißt, alle Existenz- und Verhaltensformen sind authentisch und echt, unabhängig davon, ob es künstliche, hybride, synthetische, … Formen sind.4
Dafür spricht für ihn, dass auch das vermeintlich »Echte« von Menschenhand geschaffen ist und es schwierig bis unmöglich ist, etwas völlig unangetastetes, ursprüngliches auf der Erde zu finden. Zum anderen wird beispielsweise unser soziales Selbst durch Soziale Medien geformt und unsere Identität beeinflusst.5 Das scheinbar »Unechte« beeinflusst unsere Wirklichkeit, was die Frage nach einem Wirklichkeitsanspruch aus meiner Sicht absolut beantworten kann.

Bedeutung für meine Arbeit

Diese Auffassung halte ich vor allem mit Blick auf mein Master-Thema für sehr spannend. Innerhalb dessen, befasse ich mich mit interaktivem bzw. auch transmedialem Storytelling, sowie der Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Da das Wirkliche und Virtuelle zunehmend verschwimmen, wird meinem Empfinden nach, auch die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion immer schwieriger zu erkennen sein. Zwar ist das nicht prinzipiell von Vorteil und es sollte zukünftig noch mehr Wert auf Medienkompetenz gelegt werden, um die Fähigkeit, diese Unterschiede zu erkennen, auszubilden. Dennoch sehe ich es als große Chance für Gestalter, Filmemacher, Konzepter oder ähnliche, mit dieser Grenze zu spielen und sie bewusst zu überschreiten oder unsichtbar zu machen. Dass Schnittstellen, wie es Floridi erwähnt, immer transparenter werden, kann an dieser Stelle zusätzlich an Bedeutung gewinnen.

Resümierend halte ich nicht jedes Thema, das Floridi innerhalb des Buchs behandelt, für mich und meine Themenwahl äußerst spannend. Das kann jedoch an seiner sehr allumfassenden Auswahl liegen. Umso wichtiger und treffender finde ich seine Ansätze, in den Bereichen, die für mich von Interesse sind. Dass er diese Ansätze auch für einen Laien gut und verständlich artikuliert und Bezüge zur Vergangenheit und unserer generellen Einordnung auf der Zeitachse herstellt, finde ich besonders wichtig, um seiner Argumentation folgen zu können. Er gibt einen großen Einblick in mögliche, relevante Themen der zukünftigen Informationsphilosophie, die sicher erst am Anfang der Entwicklung steht und noch große Aufgaben für uns bereit hält.

Quellen
  1. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 9.
  2. Baltes, Martin; Böhler, Fritz; Höltschl, Rainer; Reuß, Jürgen (Alle Hg.): »Medien verstehen – Der McLuhan-Reader«, Mannheim 1997, S. 29.
  3. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 329.
  4. Vgl. Ebd., S. 285 f.
  5. Vgl. Ebd., S. 92.