Das Buch »Expanded Narration. Das Neue Erzählen« von Bernd Kracke und Marc Ries (Hg.) vereint Essays zur B3 Biennale des Bewegten Bildes, die sich ganz dem Geschichten erzählen im digitalen Zeitalter widmet.
Im Essay »Keine Eile, keine Zeit. Zur Frage der richtigen Dauer eines Films« beschreibt Vinzenz Hediger unter anderem, dass Filme früher »in Loops als Dauerschleife« im Kino liefen. Daher gab es in Hollywood-Filmen häufig Redundanzen, um auch den Zuschauern, die mitten im Film ins Kino kamen, die Gelegenheit zu geben, die Erzählung zu verstehen. Lediglich Hitchcock begann mit der Forderung, dass man Psycho »am besten von Anfang an schaut«.1
Andy Warhol schaffte dagegen mit »Empire« einen 8-stündigen Film, weil er zum einen gegen das Sitzenbleiben rebellieren wollte und zum anderen sollte man die Möglichkeit haben, während des Films raus zu gehen, um z. B. einzukaufen.2
»Inception« oder »The Sixth Sense« werden als aktuelle Beispiele genannt, in denen es den Versuch gibt, Geschichten in Fragmenten zu erzählen.3
Wie man sieht, ist unsere heutige Film- und Kinokultur, bei der man Filme bestenfalls von der ersten Sekunde an schaut, gar nicht so alt. Der naheliegende Gedanke ist, dass so auch weitaus kompliziertere Geschichten erzählt werden können, wenn nicht ständig Redundanzen auftauchen und das Level nicht auf einem »Ich kann immer einsteigen und verstehe es dennoch«-Level bleibt. Zwar möchte ich nicht behaupten, dass man zeitgenössische Beispiele wie »Inception« und »The Sixth Sense« unabhängig vom Einstieg versteht, dennoch zeigen die Filme einen hohen Grad an Komplexität.
Hedigers Essay bringt mich in meinem Masterthema in meinen Überlegungen zu gleichzeitigen Erzählungen weiter. Ich habe mich mit Marshall McLuhan beschäftigt (Das globale Dorf – Raum, Zeit und Dynamik »), der davon spricht, dass wir zunehmend in einer gleichzeitigen Welt leben. Als westlicher Mensch – und damit als sequentiell denkender und visuell geprägter Mensch – fällt mir die Vorstellung von Gleichzeitigkeit schwer. Obwohl ich seinen Ansatz sehr spannend finde, befürchte ich ihn nicht im Detail zu verstehen. Dennoch motiviert er mich, eine Erzählung zu entwickeln, die sich in ihrer Gleichzeitigkeit auflöst. Ich finde es interessant, dass nur vor wenigen Jahrzehnten Filme im Loop gezeigt wurden. Momentan überlege ich, eine Erzählung mit animierten GIFs oder Cinemagraphs zu schaffen, welche für mich die Grundeigenschaft der Wiederholung in sich tragen. Zwar bedeutet animierte GIFs nicht gleichermaßen, dass sie eine Wiederholung in sich tragen. So wie sie jedoch heute in sozialen Netzwerken verwendet werden, wird ihnen diese Eigenschaft aufgesetzt. Ich kann mir vorstellen, dass in einer Rauminstallation mit mehreren Bildschirmen Loops gezeigt werden und sich der Betrachter selbst die Erzählung erschließt. Doch bis dahin ist es noch ein langes Vorhaben.
Quellen
- Kracke, Bernd; Ries, Marc (Hg.): »Expanded Narration. Das neue Erzählen«, Bielefeld 2013, S. 202.
- Vgl. Ebd.
- Vgl. Ebd., S. 203