Tilmann Baumgärtel vereint in »net.art 2.0 – Neue Materialien zur Netzkunst« Interviews mit Künstlern aus diversen Sparten, die mindestens am Rande mit Netzkunst in Berührung kommen. Wichtig zu wissen ist, dass das Buch aus dem Jahr 2001 stammt. Sprich: In der Entstehung war man wahrscheinlich mitten im Höhepunkt der Dotcom-Blase, dennoch war das World Wide Web lange nicht so einflussreich und weitreichend wie heute. Douglas Davis, amerikanischer Medienkünstler, äußert in seinem Interview, dass er nicht glaubt »daß das Web in punkto Interaktivität viel zu bieten hat. Es ist eher so eine Art ›Multiple choice‹, eine Kinderversion von Interaktivität.«1 Mit Interaktivität ist an dieser Stelle sehr wahrscheinlich nicht die Interaktion zweier Menschen via E-Mail, Chat oder Ähnlichem gemeint, sondern zwischen Mensch und Maschine. Oder Mensch und dem bestehenden »Kunstwerk«. Zwar sind wir nun im Jahr 2016 technologisch einen großen Schritt weiter und Interaktivität ist einer der großen Begriffe, doch diese Aussage warf viele Fragen bei mir auf, da dieser Satz in keiner Weise veraltet zu sein scheint. Ich frage mich z. B., ob ähnlich wie im Museum eine tatsächliche Wechselwirkung zwischen Kunstwerk und Rezipient entstehen kann. Wie tiefgreifend ist diese Wechselwirkung? Wie abhängig vom Ort, wenn er kein physischer Raum ist? Ist das Kunstwerk und die Beziehung zu ihm nicht noch wechselhafter? Welche Schritte könnten generell die nächsten sein, um eine größtmögliche Interaktivität in Kunstwerken oder Erzählungen zu erreichen? Wird Interaktivität jemals aus ihren Kinderschuhen heraus wachsen? Aber unabhängig davon, ob interaktive Erzählungen/Filme, ob Technologien wie VR-Brillen, Eye-Tracking oder Bewegungssensoren: Alles, was sich dort verändert, bewegt, tut, also interagiert, ist keine wirkliche Interaktivität, sondern ein Auslösen eines Events durch einen bestimmten Startmechanismus. Schon im Voraus bis ins Äußerste durchdacht und geplant. Unter Umständen spielt hier auch die KI eine große Rolle, ohne die all’ die Versuche Interaktives zu entwickeln, nur eine Imitation ist. Eine Imitation von Interaktivität.
Quellen
- Baumgärtel, Tilman: »net.art 2.0 – Neue Materialien zur Netzkunst«, Nürnberg 2001, S.87.