Die Hybridform aus Game und Film

In »Digitales Erzählen – Die Dramaturgie der Neuen Medien« gibt der Autor Dennis Eick einen Überblick über die Möglichkeiten Erzählungen im Zeitalter des Internets und der Digitalisierung zu entwickeln. Dabei hinterfragt er kritisch die momentane Übergangsphase, in der häufig »neue Medien mit Inhalten alter Medien gefüllt«1werden, wie er Marcus Bösch zitiert.

Ein Fokus des Buchs liegt auf den Bewegtbildmedien Game und Film, welche sich zunehmend gegenseitig beeinflussen und zu hybriden Formen verschmelzen. Diesbezüglich äußert Gundolf Freyermuth, dass Hybridität »in der Geschichte der Medien ja fast immer eine Übergangsphase«2 ist. Er sieht das Game, wenn es das nicht schon ist, sogar als zukünftiges Leitmedium3 und zählt sogleich die Vorteile transmedialer Games auf: Sie »bieten nämlich alles, was Filme bieten: dieselbe Vielfalt – plus Interaktivität und Non-Linearität«.4

Unterschiede und Parallelen

Doch wo liegen die grundlegenden Parallelen und Unterschiede? Inga von Staden nennt als Parallelen beispielsweise die narrativen Strukturen oder Cutscenes, die das Spiel unterstützen.5 Cutscenes, Filmsequenzen, die zwischen einzelnen Sequenzen eingeblendet werden, sind nun erstmal keine neue Errungenschaft. Schon in den 90er Jahren sieht man das häufig u. a. bei Konsolenspielen wie Super Mario oder Zelda für den Nintendo 64. Die Szenen unterstützen die Erzählung und den Aufbau der Spielwelt, in der wir uns bewegen und Aufgaben erfüllen. Jedoch werden sie natürlich zunehmend zum einen grafisch anspruchsvoller, zum anderen nimmt der Anteil in vielen Games zu. So gibt es zwischenzeitlich sogar schon »Game Movies«, die mehr einem interaktiven Film als einem einfachen Game mit »etwas zusätzlicher Geschichte« entsprechen. Hier sind aktuell Heavy Rain oder Beyond: Two Souls zu nennen, welche für die PlayStation am 1.3.2016 erscheinen werden.

Veränderung narrativer Strukturen

Die Cutscenes bzw. die generelle Entwicklung von Game Movies verändert sich weiter in ihren narrativen Strukturen. Das Game besteht üblicherweise fast ausschließlich aus dem wichtigen Hauptteil, während Einleitung und Schluss nur kleine Parts des Ganzen sind.6 Das ist auch eine grundlegende Unterscheidung zum Film. Dem Spiel werden zwischenzeitlich durch Cutscenes nicht nur begleitend narrative Elemente hinzufügt, sondern der komplette Game Movie ist ein Wechselspiel zwischen Game und Film, so dass sich zum einen der Anteil der einzelnen Parts verändert und zum anderen je nach Entscheidung ein völlig anderer Plot entsteht. Frank Raki erklärt das schön mit dem »Patchwork einzelner Elemente«, die während dem Spiel aufgesammelt werden und keine feste Kette von Ereignissen sind.7 Durch die Tatsache, dass »wir« die Erzähl-Elemente aufsammeln und nicht der Schauspieler, dem wir lediglich zuschauen, entsteht natürlich auch eine höhere Immersion.
Durch Anpassung der Musik, Kamera, dynamischen Farbschemen oder das Lösen von Rätseln mittels Schwarmintelligenz wird diese Immersion deutlich erhöht.8

Insgesamt ist es ohnehin schon eine große Herausforderung, eine funktionierende Spielwelt aufzubauen, in der »Fehlverhalten«9 verhindert wird. Dass nun Unmengen an Erzählung hinzukommt, macht die Entwicklung aus meiner Sicht nicht einfacher. Die Frustrationsschwelle ist hier sicher etwas niedriger, da der Nutzer, dessen Fokus automatisch verstärkt auf die Erzählung gelenkt wird, schnell merkt, wenn die Geschichte keinen Sinn macht.

Ich halte es für eine gute Möglichkeit, Erzählungen in dieser Form zu entwickeln und den Immersionsgrad somit zu steigern. Die Geschichten können selbst entdeckt und erlebt werden, man wird Teil der Erzählung. Ich frage mich jedoch, welche Alternativen es für Spieler gibt, die nicht an großen Erzählsträngen interessiert sind, sondern »einfach nur zocken« wollen. Nicht für abwegig halte ich jedoch tatsächlich, dass Games das neue Leitmedium werden können. Alles wird spielerischer, der große Prozess der »Gamification« ist längst angebrochen. Selbst in Bereichen der Arbeitswelt wird dieser Belohnungsmechanismus angewandt und man kann unter anderem schon in Zeiterfassungsprogrammen für bestimmte Ziele Batches erhalten.

Quellen
  1. Eick, Dennis: »Digitales Erzählen – Die Dramaturgie der neuen Medien«, Konstanz und München: UVK Verlagsgesellschaft mbH, 2014, 1. Auflage, S.227
  2. Ebd., S.106
  3. Vgl. Ebd., S.93
  4. Ebd., S.123
  5. Vgl. Ebd., S.93
  6. Vgl. Ebd., S.113
  7. Vgl. Ebd., S.110
  8. Vgl. Ebd., S.124
  9. Ebd., S.115
Abbildungen
  1. Eigener Screenshot von YouTube, silenig: »Indiana Jones and the Last Crusade (PC Deutsch) Preview Video«, URL: https://www.youtube.com/watch?v=9ivNLD75rAU, TC: 00:04:16, abgerufen am 24.1.2016.
  2. Ebd.