Cyberspace als neue Heimat des Geistes

Am 8.2.1996 veröffentlicht John Perry Barlow die »Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace« (A Declaration of the Independence of Cyberspace) als Reaktion auf den »Telecomunications Act of 1996« in den USA. Seine ideelle Vorstellung stellt noch heute eine utopische Welt dar, welche nichtsdestotrotz wünschenswert wäre.

Am 8.2.1996 veröffentlicht John Perry Barlow die »Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace« (A Declaration of the Independence of Cyberspace ») als Reaktion auf den »Telecomunications Act of 1996« in den USA.

Unabhängig davon, dass dieses Gesetz in seinen Inhalten massiv kritisiert wurde, geht es Barlow meinem Verständnis nach generell um die Nichteinmischung des Staats in den »Cyberspace«. Diese Nichteinmischung bzw. unrechtmäßige Kontrolle spielte in meinem Beitrag »Die Verformung der Gesellschaft« eine Rolle, weshalb die Unabhängigkeitserklärung interessant für meine inhaltliche Recherche ist.

Cyberspace als neue Heimat des Geistes

In seiner Erklärung richtet er sich gezielt an die Regierungen der industriellen Welt und grenzt sich gleichzeitig von ihnen ab. Er kommt aus dem Cyberspace, der neuen Heimat des Geistes.1 Er betont, dass es dort keine gewählte Regierung gibt und fordert, dass der globale soziale Raum frei bleiben muss. Die Regierung habe nicht das moralische Recht, die Menschen in diesem Raum zu beherrschen.2

Regierung unerwünscht

Weiter klärt er, dass die Regierung weder »uns« noch »unsere« Welt im Cyberspace kennt und dieser nicht innerhalb ihrer Grenzen liegt.3 Diesen Punkt halte ich für sehr wichtig, da ich es für sehr fragwürdig halte, einen Bereich kontrollieren und beherrschen zu wollen, den man nicht kennt und dessen Beschaffenheit sich grundsätzlich von der bekannten Welt unterscheidet.4 Doch, auch wenn das Web im Jahr 1996 vielen fremd war und auch noch heute in seiner kompletten Daseinsform undurchsichtig und unüberschaubar ist, verstehe ich das grundsätzliche Interesse der Regierung keinen rechtsfreien Raum entstehen zu lassen. Vor allem heutzutage, wenn sich die Welt im Web mit der außerhalb verbindet und zu einer Welt verschmilzt.
Hier spricht mich der Ansatz Barlows an, dass es sich grundsätzlich nicht um einen rechtsfreien Bereich handeln soll. Doch die Frage wie sich das World Wide Web in seinen Regeln und Gesetzen selbst und durch die Menschen in ihm regulieren soll, halte ich für sehr schwierig. Immerhin ist das Problem bis heute nicht gänzlich gelöst.

Barlow stellt klar, dass es sich beim Web nicht um ein öffentliches Bauprojekt handelt, sondern dass es durch kollektives Handeln wächst.5
Diese »autonom« entstandene Welt, ist nur durch Aktivitäten der Cyberspace-Bewohner gewachsen.
Die Regierung hat »weder an großartigen und sich häufenden Gesprächen teilgenommen, noch den Reichtum der Marktplätze im Web aufgebaut. Sie kennt weder die Kultur, Ethik oder ungeschriebene Codes, die diese Gesellschaft bereits ordnet«6.
Er wirft der Regierung vor, dass sie dem Cyberspace nicht vorhandene Probleme nachsagt, um legitimiert handeln zu können. Aus seiner Sicht gibt es viele Probleme jedoch nicht und er weist erneut darauf hin, dass sie selbst richten werden und ein eigener Gesellschaftsvertrag entstehen wird.7

Die Gedanken sind frei

Er beschreibt den Cyberspace als Raum, der aus »Transaktionen, Beziehungen und Gedanken besteht, die wie eine stehende Welle im Netz unserer Kommunikation angeordnet sind«8. Er solle von jedem betreten werden können, »ohne Privilegien oder Vorurteile durch Rasse, wirtschaftliche Macht, militärische Stärke oder Geburtsort«9. Es soll ein Raum entstehen, in dem jeder seine »Überzeugungen ausdrücken kann, ohne Angst davor zu haben, in Schweigen oder Konformität gezwungen zu werden«10.
Diese beiden Absätze finde ich in zweierlei Hinsicht fragwürdig und schwierig. Der Geburtsort ist sehr wohl ausschlaggebend, da das World Wide Web bis heute noch nicht flächendeckend verbreitet ist. Die nötige Infrastruktur fehlt vielerorts, so dass die dort lebenden Menschen nicht an dieser offenen Welt teilnehmen können.
Zum anderen wird der Teil der Gesellschaft, der offenen Zugang besitzt, sehr wohl in eine Konformität gedrängt. Soziale Netzwerke waren zu Zeiten Barlows noch nicht in der heutigen Form vorhanden, doch im Grundgedanken sicher schon als Vorstellung präsent. Auch damals gab es schon Newsgruppen, in denen ein Austausch möglich war.
Zwar kann die eigene Meinung aus technischer Sicht veröffentlicht werden. Aus sozialer Sicht besteht jedoch der Druck gesellschaftstaugliches zu äußern und seine persönliche Selbstvermarktung voranzutreiben. Auf der Suche nach Likes wird eventuell nur das gepostet, was die meisten Daumen verspricht und alles fragwürdige besser nicht geschrieben. Extreme Meinungen werden in kleinen und großen Shitstorms abgestraft. Das kann natürlich nicht pauschal behauptet werden, mein Eindruck ist aber, dass weitestgehend sehr gut überlegt wird, was geschrieben und welches Bild gepostet wird. Auch ohne World Wide Web wird man nicht überall und jedem seine Meinung aufdrücken, doch durch den vergrößerten Rezipientenradius im Web, können eigene Aussagen sehr weitreichende Auswirkungen haben. Luciano Floridi (Erkenntnisse und Eindrücke: Luciano Floridis Buch »Die 4. Revolution« ») geht noch einen Schritt weiter und spricht davon, dass unser soziales Selbst durch Soziale Medien geformt wird und unsere Identität beeinflusst.

Bit – Bit – Bit

John Perry Barlow hebt in seiner Erklärung weiter hervor, dass die rechtlichen Begriffe für Eigentum, Ausdruck, Identität, Bewegung und Kontext nicht für den Cyberspace gelten, da sie auf Materie basieren.11 Auch die Identität hat keinen Körper, weshalb keine physische Ordnung möglich ist. Die Ordnung, die bestenfalls im World Wide Web entsteht, basiert auf der Goldenen Regel.12
Er wirft der Regierung vor mit dem »Telecommunications Reform Act« die eigene Verfassung zurückzuweisen und die Träume von Jefferson, Washington und Co. zu beleidigen.13 Die Regierung hätte Angst vor den eigenen Kindern, die als Ureinwohner in dieser Welt leben, in denen sie selbst immer Einwanderer bleiben werden. In dieser Welt ist alles gleichgeschaltet: Empfindungen, Ausdrucksformen, alles ist ein nahtloses Ganzes, das aus der globalen Konversation von Bits besteht. Metaphorisch drückt er so aus, dass sie die Luft, die sie erstickt nicht von der Luft trennen können, auf der dessen Flügel schlagen.14 Er hält einigen Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und die USA, vor, den Virus der Freiheit bekämpfen zu wollen, ist sich aber sicher, dass das in einer Welt voller Bits nicht funktionieren wird.15

Unerschöpflicher Rohstoff

Für einen sehr wichtigen Punkt halte ich, dass er sich dagegen erhebt, dass Ideen gleichermaßen wie andere Industrieprodukte wie z. B. Roheisen gehandelt werden. Aus seiner Sicht könne im Cyberspace all das, was der menschliche Geist erschaffen hat, kostenlos und unbegrenzt reproduziert und ohne Kosten verteilt werden. Dafür würde es keine Fabriken mehr benötigen.16
Das halte ich dahingehend für sehr wichtig, dass heutzutage auf Basis einer guten Idee ganze Leben verändert werden können. Zwar waren auch schon vor dem World Wide Web Erfindertum und Ideenreichtum ungemein wichtig. Doch heute hat jeder mit Zugang zum Web die Möglichkeit, seine Ideen weit zu verbreiten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Rohstoffen ist der Geist zudem unerschöpflich.

Diese Unerschöpflichkeit und Grenzenlosigkeit sieht Barlow im Cyberspace. Unabhängig davon, dass die materiellen Körper regiert werden, möchte er die Souveränität des Geistes aufrechterhalten. Der Geist, der sich frei macht von der physischen Welt und sich über den ganzen Planeten verbreitet, so dass die Gedanken nicht eingefangen werden können.17 Er wünscht sich einen Raum, welcher humaner und fairer ist, als die Welt, welche die Regierungen vorher geschaffen haben.18

Grenzenlose Utopie

Die »Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace« halte ich für einen sehr wichtigen Abschnitt innerhalb meiner Recherche. Sie zeigt sehr deutlich, welche Euphorie über das World Wide Web im Jahr 1996 vorherrschte und wie groß der Wunsch danach war, eine geistige Plattform zu haben, welche alle physischen Grenzen durchbricht. Ein Raum, der sich unaufhaltsam verbreitet und jedem die Möglichkeit geben soll, sich frei zu entfalten. Ein neues Medium, in dem bestenfalls alle Menschen gleichgeschaltet und verbunden sind. Frei von staatlicher Kontrolle als ideelles Paralleluniversum.
Aus heutiger Sicht treffen die Vorstellungen nur zum Teil zu und schränken sich wiederum durch technische Möglichkeiten ein. Zwar ist es technisch möglich Ideen zu verbreiten, gleichzeitig gibt es Mittel, Inhalte zu zensieren. Das fängt bei großen Staaten an, die komplette Plattformen wie Facebook sperren und geht im kleinen weiter, wenn einzelne Inhalte blockiert werden. Noch immer findet man bei Staaten, die die Kontrolle nach wie vor übernehmen wollen, unzählige Fragezeichen in Bezug auf diverse Themen. Selbst in Deutschland, wo man grundsätzlich sehr liberal lebt, stellt sich nach Hass-Tiraden im Netz die Frage nach Meinungsfreiheit und Zensur.

Noch immer hängt das World Wide Web zu sehr an nationalen Grenzen, welche den tatsächlichen geistigen Fluss aufhalten. Meiner Empfindung nach entsteht genau hier das Hauptproblem: Während das World Wide Web sämtliche Schranken durchbricht, sind die nationalen Grenzen nach wie vor in Stein gemeißelt. Unabhängig davon, ob es nun um Steuern oder geltende AGBs geht – die Zuständigkeiten sind unklar, die Grauzonen werden genutzt und Angebote werden in den Markt gespült, um anschließend zäh und langwierig bekämpft zu werden. Daher ist meine Theorie, dass solche Probleme erst bekämpft werden können, wenn das World Wide Web sein Pendant in der realen Welt findet: Ein grenzenloser Planet mit Gesetzen, die überall gleichermaßen gelten – mit Menschen, deren Meinung überall gleichermaßen akzeptiert wird. Eine Welt außerhalb des Cyperspace, die der ideellen Vorstellung von John Perry Barlow gleichkommen mag. Eine grenzenlose Utopie über dessen Kontrolle dann noch immer gestritten werden würde.

Quellen
  1. Vgl. Barlow, John Perry: »A Declaration of the Independence of Cyberspace«, Stand: 8.2.1996, URL: https://www.eff.org/cyberspace-independence, Absatz 1, abgerufen am 13.4.2017.
  2. Vgl. Ebd., Absatz 2.
  3. Vgl. Ebd., Absatz 3.
  4. Vgl. Ebd.
  5. Vgl. Ebd.
  6. Ebd., Absatz 4.
  7. Vgl. Ebd., Absatz 5.
  8. Ebd., Absatz 6.
  9. Ebd., Absatz 7.
  10. Ebd., Absatz 8.
  11. Vgl. Ebd., Absatz 9.
  12. Vgl. Ebd., Absatz 10.
  13. Vgl. Ebd., Absatz 11.
  14. Vgl. Ebd., Absatz 12.
  15. Vgl. Ebd., Absatz 13.
  16. Vgl. Ebd., Absatz 14.
  17. Vgl. Ebd., Absatz 15.
  18. Vgl. Ebd., Absatz 16.
Abbildungen
  1. Titelbild: ESO/IDA/Danish 1.5 m/Gendler, R.; Ovaldsen, J-E.; Thöne, C.; Feron, C.: »Carina Nebula«, Stand: 3.12.2009, via Wikimedia Commons, abgerufen am 13.4.2017, Lizenz: CC BY-SA 4.0.

Gegen das Absolute

Inwieweit wird es in Zukunft noch das Absolute geben? Ist alles relativ und im stetigen Wandel? Bleibt alles ein langer Prozess?

»absolute Vielem Flusser«, herausgegeben von Nils Roller und Silvia Wagnermaier, enthält neben Essays von Villem Flusser unter anderem ein Gespräch zwischen dem Medienphilosophen und Florian Rötzer aus dem Jahr 1991. Ein Zitat Flussers halte ich dabei für besonders interessant: »Mir gefällt das Wort ›virtuell‹ gar nicht, weil es unter anderem viele Macho-Konnotationen hat. Da es keine nicht-virtuelle Realität gibt, da Realität nur ein Grenzbegriff ist, dem wir uns nähern und den wir nie erreichen können, kann ich von alternativen Weisen des Erreichen von Realität sprechen.«1

Diesen Gedanken finde ich insofern spannend, da häufig der Unterschied zwischen nicht-virtueller und virtueller Realität gemacht wird. In meinem Beitrag »Erkenntnisse und Eindrücke: Luciano Floridis Buch ›Die 4. Revolution‹« beschäftigte ich mich bereits in Bezugnahme auf Luciano Floridi mit der Unterscheidung dieser zwei Zustände. Floridi, dessen Buch jedoch grob 35 Jahre später erschien und somit eine ganz anderen Perspektive besitzt, spricht davon wie innerhalb der Infosphäre Virtuelles und Nicht-Virtuelles verschwimmen.2 Unter anderem deshalb, da die vermeintliche Wirklichkeit auch von Menschenhand geschaffen ist.3

Diese Ansicht Floridis konnte ich voll und ganz nachvollziehen. Nun erscheint mir Flussers Aussage jedoch zunehmend schlüssiger. Zwar hatte Flusser damals sicher nicht die leiseste Ahnung, was das World Wide Web und die Technologie im generellen noch mit sich bringen werden. Doch entspricht diese Ansicht viel mehr der heutigen Lebenswelt, die noch weniger als früher in schwarz und weiß aufzuteilen ist. Weiter fordert er im gleichen Gespräch, dass wir immer relative Begriffe haben und uns abgewöhnen müssen, mit absoluten Begriffen zu arbeiten.4
Dem Absoluten widerspricht auch Dr. Markus Gabriel, der in seinem Buch »Warum es die Welt nicht gibt« klar macht, dass es nicht die eine Welt gibt und sie in Sinnfelder einteilt.

Unabhängig vom World Wide Web, ist es heutzutage nicht nur möglich, sondern auch anerkannt, dass jeder Menschen seinen eigenen Lebens­entwurf verwirklicht. Jeder Mensch hat dabei seine eigenen Sinnfelder, Realitäten und Wahrnehmungen, welche er ohne Umschweife jederzeit wieder ändern oder parallel leben kann. Bei Facebook ist es nun möglich aus über 50 Geschlechtern zu wählen, was bedeutet, dass in unserer Gesellschaft selbst physische Eigenschaften relativ geworden sind. Des Weiteren richtet sich die komplette Industrie danach, den individuellen Bedürfnissen, Lebensentwürfen und Wirklichkeiten gerecht zu werden. Es gibt im Grunde nichts, was man nicht haben oder tun kann.

Es ist noch immer utopisch zu denken, dass absolut jeder alles machen und ausleben kann. Doch spielen frühere, feste Strukturen, sei es in der Familie oder bei den Themen Bildung und Beruf, eine immer kleinere Rolle. Die Strukturen werden aufgebrochen, die Welt wird relativ und das »Virtuelle« gehört genauso zu unserer Realität wie das, was wir im allgemeinen Gebrauch als Nicht-Virtuell ansehen. So gehören algorithmische Maschinen in die gleiche Lebenswelt wie die Natur an sich.

In einem weiteren Gedanken, stellt sich mir die Frage, ob es das Absolute auch im Hinblick auf Designprodukte überhaupt noch geben wird oder alles ein stetiger Prozess bleibt. Zwar sind analoge Flyer nach wie vor fertige Produkte, doch neben sich ohnehin stetig verändernden digitalen Produkten, werden schon viele analoge Produkte mit dem Nicht-Absoluten ausgestattet. Bücher enthalten Links oder Augmented Reality-Inhalte. Manche sind sogar so konzipiert, dass sie stets erweiterbar sind. Aus meiner Sicht sind das nur Hybridmedien, die irgendwann den nächsten Schritt machen werden. Dorthin, wo nichts mehr absolut und in Stein gemeißelt ist. Dieser Ansatz, dass nichts absolut und alles in Bewegung ist, wird mich sicher noch weiter in meiner Masterarbeit begleiten.

Quellen
  1. Rötzer, Florian: »Gespräch mit Florian Rötzer, München 1991« in: Röller, Nils; Wagnermaier, Silvia (Alle Hg.): »absolute Vilém Flusser«, Freiburg 2003, S. 11 f.
  2. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 9.
  3. Vgl. Ebd., S. 329.
  4. Vgl. Rötzer, Florian: »Gespräch mit Florian Rötzer, München 1991« in: Röller, Nils; Wagnermaier, Silvia (Alle Hg.), »absolute Vilém Flusser«, Freiburg 2003, S. 13.

Neuer Raum – neue Zeit: Neu denken

Das Digitale definiert räumliche und zeitliche Gegebenheiten nicht nur neu, sondern stellt sie gänzlich auf den Kopf. Eine einfache Übertragung von Nicht-Virtuellem ins Virtuelle erfüllt dabei nicht alle Ansprüche. Die Virtuelle Welt muss neu erdacht werden.

In meinem Beitrag »Das globale Dorf – Raum, Zeit und Dynamik« ging es im Zusammenhang mit Marshall McLuhan bereits um die Auflösung von Raum und Zeit. Dort gehe ich schon im Detail auf seine Ausführungen ein.

Nach wie vor fällt es mir schwer, die im orientalischen und asiatischen Raum vorherrschende Denkweise nachzuvollziehen. Während ich als abendländischer und sequentiell denkender Mensch, Information strukturell einordne, führt die Prägung durch die rechte Gehirnhälfte dazu, dass dort Geschehnisse und Prozesse in gleichzeitige Beziehung gesetzt werden.

Zwar war mir durch McLuhan damals schon klar, dass Information unabhängig von Raum und Zeit transportiert werden kann und sich dadurch beide auflösen. Das Buch »Kultur der Digitalität« von Felix Stalder lässt mich jedoch erst jetzt verstehen, inwiefern sich die abendländische Denkweise an die asiatische anpassen wird und was die Auflösung von Zeit und Raum bedeuten kann.

Wörtlich schreibt Felix Stadler folgendes: »Der raumzeitliche Horizont der digitalen Kommunikation ist eine globale, das heißt ortlose Dauergegenwart. Die technische Vision der digitalen Kommunikation ist immer das Hier und Jetzt. Bei verzögerungsloser Informationsübertragung ist alles, was nicht ›hier‹ ist, unerreichbar und alles, was nicht ›jetzt‹ ist, verschwunden«1. Des Weiteren beschreibt er, dass versucht wird eine »endlose globale Gegenwart« herzustellen.2

Diesen Absatz finde ich in zweierlei Hinsicht sehr spannend. Zum einen macht es mir wie bereits erwähnt verständlicher, was die Auflösung von Zeit und Raum bedeuten kann: Zeitliche und räumliche Grenzen werden binnen Millisekunden überwunden, was unserer gewohnten Welt und Physis widerspricht. Zwar bewegen wir uns immer schneller fort, doch die Vision des Beamens, spricht einer ähnlich schnellen Überwindung von Zeit und Raum innerhalb von Millisekunden, bleibt bisher nur eine große Sci-Fi-Utopie.
Zum anderen besteht das Internet aus dem Hier und Jetzt. Neben Stalders genannten Punkten bedeutet das: Vergangene Inhalte spiegeln zwar bedingt eine zeitliche Abfolge wider, aber durch den digitalen Gedächtnisverlust – mit dem ich mich näher in »Die Hypergeschichte« auseinandersetze – bedeutet das nicht zwingend, dass das Internet eine geschichtliche Abfolge anzeigt. Im Gegenteil: Durch Datenverlust (sei es durch Löschung oder Nichtüberführung in neue Technologien), Überspeicherung und Veränderung tritt ein Zustand der Geschichtslosigkeit sowie eine immer währende Gegenwart ein. Im Gegensatz zu meiner damaligen Vermutung bin ich nun überzeugt davon, dass nachfolgende Generationen durchaus eine gewisse geschichtliche Abfolge nachvollziehen können. Damit große Ereignisse und allgemeine Errungenschaften einfach so verloren gehen, müsste sehr viel passieren. Für viel problematischer halte ich es jedoch zwischenzeitlich für Inhalte, die nicht von allgemeiner Wichtigkeit sind. Unabhängig von Content-Art, sei es Firmen-Website, Portfolio oder soziales Netzwerk sehe ich riesige Verluste, wenn diese gelöscht werden. Für uns ist es heute eine einfache Überarbeitung der Website, da man die alte nicht mehr für zeitgemäß oder schön hält. Für die Zukunft bedeutet das ein fehlendes Teil Geschichte. Wenn man bedenkt, dass für die heutige historische Forschung jede Banalität wie z. B. Essbesteck von großer Bedeutung ist, um frühere Zustände zu rekonstruieren, ist dieser Gedanke nicht zu unterschätzen und meiner Meinung nach sogar extrem wichtig.

Abschließend möchte ich noch auf die Bibliothek Europeana zu sprechen kommen, die mir bereits bekannt war und von Stalder kurz angerissen wird. Er führt aus, dass in dem Archiv Schätzungen zu Folge vierzig Millionen Objekte vorhanden sind und insgesamt in den »europäischen Archiven und Museen mehr als 220 Millionen natur- und 260 kulturgeschichtliche Objekte«3 lagern. Zum einen hält er es für problematisch, dass es »schwer festzustellen ist, ob ein bestimmtes Werk, eine entscheidende Referenz fehlen, wenn an seiner oder ihrer Stelle eine Fülle anderer gefunden wird«4. Zum anderen merkt er an, dass sich einzelne Objekte aus ihrer übergeordneten Narration lösen, die das Museum oder Archiv hergestellt haben. Dadurch werden sie zum einen bedeutungsoffener und zudem besteht der einzige Zusammenhang zwischen Suchanfrage und die durch Suchalgorithmen gefundenen Ergebnisse.5
Ersteres hinterfragt die Vollständigkeit. Wird es gelingen alle Objekte digital zugänglich zu machen? Meine persönliche Meinung: Ja. Aus meiner Sicht ist es nur eine Frage der Zeit. Für Probleme, die es in diesem Zusammenhang gibt, z. B. rechtliche Hürden, wird es langfristig eine Lösung geben. Zudem sollte es ein Anliegen aller sein, kulturelle Objekte für alle zugänglich sowie konservierbar zu machen.
Dass sich die Objekte aus ihrer Narration lösen, halte ich für ein viel größeres Problem. Sicherlich kann man einzelne, nicht-virtuelle Gegebenheiten ins Digitale bringen, doch eine komplette Übertragung halte ich für fast unmöglich. So kann man beispielsweise bestimmten Werke auch im Digitalen ihren Platz in bestimmten Sammlungen geben, bei der Übertragung von Orten bin ich jedoch sehr kritisch. Ob ein Werk im Guggenheim-Museum in Bilbao oder im Pariser Louvre steht, macht manchmal durchaus einen Unterschied. Das einfach nur zu wissen, reicht aus meiner Sicht nicht aus. Daher wird es an dieser äußerst Stelle wichtig werden, nicht nur eine einfache Digitalisierung zu vollziehen, sondern eine tatsächliche Transformation. Die Orte Museum und Archiv müssen komplett neu gedacht werden.

Insgesamt hat mich Stalders Buch nicht begeistert, da es mir trotz vorgestellter Struktur teilweise als lose Sammlung sämtlicher digitaler Themen vorkam. Dennoch konnte ich zum einen Antworten auf Fragen finden und zum anderen hat es mich in vielerlei Hinsicht zu neuen Fragen inspiriert. Allein dafür hat sich das Buch zur Recherche definitiv gelohnt.

Quellen
  1. Stalder, Felix: »Kultur der Digitalität«, Berlin 2016, S. 147.
  2. Vgl. Ebd.
  3. Ebd., S. 107.
  4. Ebd., S. 112.
  5. Vgl. Ebd., Berlin 2016, S. 115.

Erkenntnisse und Eindrücke: Luciano Floridis Buch »Die 4. Revolution«

In einem Vortrag mit Sabrina Calvagna und Vernice Collet stellten wir im Kurs »Digitale Welt und neuer Realismus« von Prof. Dr. Stefan Asmus im WS 2015/2016 unsere Erkenntnisse des Buchs »Die 4. Revolution« von Luciano Floridi vor. Im folgenden sammele ich meine persönlichen Eindrücke, welche auh für meine Master-Arbeit von Bedeutung sind.

Luciano Floridi wagt einen Versuch erste Ansätze für eine neue Informationsphilosophie zu entwickeln, um dem rasanten Wandel, dem unsere Zeit unterliegt, gerecht zu werden. Neben den Inhalten selbst, halte ich den Gedanken, den richtigen Umgang mit diesen Veränderungen zu finden, für besonders wichtig.1 Während der letzten Jahre häuft sich die Kritik an den Informations- und Kommunikationstechnologien und nicht selten sagen uns Dystopien unsere »schwarze Zukunft« voraus – Angst, Unwissenheit und Unsicherheit als wahrscheinlichster Auslöser. Doch während wir uns heutzutage noch vor sämtlichen »Ängsten« (z. B. Datenschutz, Überwachung, …) vermeintlich schützen können, indem wir offline gehen oder uns mit einem alten Nokia 3210 zufrieden geben, bleibt diese Möglichkeit zukünftig wohl aus. Zwar könnte man sich sämtlichem Neuen verschließen, was aus meiner Sicht zum einen nicht absolut möglich sein wird, da es immer – erzwungene – Berührungspunkte mit der neuen Technologie geben wird. Zum anderen bleibt man langfristig – traurigerweise – auf der Strecke, wenn man sich stets dem Neuen verweigert.

Dynamik der Strömung nutzen

Wichtiger wäre es, einen angemessenen Umgang mit diesem Wandel zu finden, anstatt sich vor ihm zu verschließen.
Als eine wichtige Verbindung und einen wichtigen Anstoß halte ich hier auch McLuhans Essay »Die mechanische Braut«, in dem er beschreibt, wie sich ihm fortwährend Edgar Allan Poes »Sturz in den Malstrom« ins Bewusstsein drängt. Die Hauptessenz ist dabei, nicht »gegen die beachtlichen Strömungs- und Druckkräfte anzukämpfen, die sich durch die mechanischen Einwirkungen von Presse, Radio, Kino und Werbung um uns herum aufgebaut haben«, sondern ihre Abläufe genau zu studieren und deren Dynamik zu nutzen2. Genau diese Aufgabe wird sich auch uns als Kommunikationsdesigner – als Vermittler von Informationen – zunehmend aufdrängen.

Die virtuelle Wirklichkeit

Für eine weitere interessante Ansicht Floridis, halte ich sein Verständnis von Wirklichkeit. Er beschreibt wie Virtuelles und Nicht-Virtuelles zunehmend verschwimmen und es kein »außerhalb« und »innerhalb« der Infosphäre mehr geben wird.3 Laut ihm wird es eine informationelle Auffassung von Wirklichkeit geben. Das heißt, alle Existenz- und Verhaltensformen sind authentisch und echt, unabhängig davon, ob es künstliche, hybride, synthetische, … Formen sind.4
Dafür spricht für ihn, dass auch das vermeintlich »Echte« von Menschenhand geschaffen ist und es schwierig bis unmöglich ist, etwas völlig unangetastetes, ursprüngliches auf der Erde zu finden. Zum anderen wird beispielsweise unser soziales Selbst durch Soziale Medien geformt und unsere Identität beeinflusst.5 Das scheinbar »Unechte« beeinflusst unsere Wirklichkeit, was die Frage nach einem Wirklichkeitsanspruch aus meiner Sicht absolut beantworten kann.

Bedeutung für meine Arbeit

Diese Auffassung halte ich vor allem mit Blick auf mein Master-Thema für sehr spannend. Innerhalb dessen, befasse ich mich mit interaktivem bzw. auch transmedialem Storytelling, sowie der Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Da das Wirkliche und Virtuelle zunehmend verschwimmen, wird meinem Empfinden nach, auch die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion immer schwieriger zu erkennen sein. Zwar ist das nicht prinzipiell von Vorteil und es sollte zukünftig noch mehr Wert auf Medienkompetenz gelegt werden, um die Fähigkeit, diese Unterschiede zu erkennen, auszubilden. Dennoch sehe ich es als große Chance für Gestalter, Filmemacher, Konzepter oder ähnliche, mit dieser Grenze zu spielen und sie bewusst zu überschreiten oder unsichtbar zu machen. Dass Schnittstellen, wie es Floridi erwähnt, immer transparenter werden, kann an dieser Stelle zusätzlich an Bedeutung gewinnen.

Resümierend halte ich nicht jedes Thema, das Floridi innerhalb des Buchs behandelt, für mich und meine Themenwahl äußerst spannend. Das kann jedoch an seiner sehr allumfassenden Auswahl liegen. Umso wichtiger und treffender finde ich seine Ansätze, in den Bereichen, die für mich von Interesse sind. Dass er diese Ansätze auch für einen Laien gut und verständlich artikuliert und Bezüge zur Vergangenheit und unserer generellen Einordnung auf der Zeitachse herstellt, finde ich besonders wichtig, um seiner Argumentation folgen zu können. Er gibt einen großen Einblick in mögliche, relevante Themen der zukünftigen Informationsphilosophie, die sicher erst am Anfang der Entwicklung steht und noch große Aufgaben für uns bereit hält.

Quellen
  1. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 9.
  2. Baltes, Martin; Böhler, Fritz; Höltschl, Rainer; Reuß, Jürgen (Alle Hg.): »Medien verstehen – Der McLuhan-Reader«, Mannheim 1997, S. 29.
  3. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 329.
  4. Vgl. Ebd., S. 285 f.
  5. Vgl. Ebd., S. 92.

Die Hypergeschichte

Im folgenden ein kleiner Überblick über die Hypergeschichte, der im Zuge eines Vortrags, auf Grundlage des Buchs »Die 4. Revolution« von Luciano Floridi, erarbeitet wurde.

Deutschland sowie vor allem die weiteren G7-Länder Frankreich, Italien, Großbritannien, Kanada, Japan und die USA befinden sich momentan im Übergang zur Hypergeschichte. Das macht sich vor allem durch die wirtschaftliche Abhängigkeit von Informationen bemerkbar. Immerhin basieren in den G7-Staaten etwa 70 % des BIP auf ihnen. Gleichermaßen sind Informationen ein entscheidender Faktor, den Wohlstand zu verbessern und die Entwicklung von Innovation voranzutreiben.1
Zudem macht sich der Übergang durch stetig wachsende Rechenleistungen und steigenden Datenmassen ersichtlich. Der Speicher wird, laut Floridi, knapper und Netzwerkverbindungen stoßen an ihre Grenzen.2 So wurde beispielsweise der Standard IPv4 bereits von IPv6 abgelöst, um mehr Verbindungen – nämlich 18-stellige statt 12-stellige IP-Adressen – zu ermöglichen.

Der Umgang mit Informationen

Während in der »Geschichte« bedacht ausgewählt wurde, welche Informationen auf Papyrus, Tontafeln, usw. festgehalten werden sollten, werden sie in der Hypergeschichte zunächst gehamstert. Alles wird gespeichert, um dann sorgfältig auszuwählen, was wieder gelöscht werden soll.3 Diese Eigenart der Hypergeschichte, sowie andere Eigenschaften der »digitalen Welt« führen zum »Digitalen Gedächtnisverlust« – dem Verlust von Informationen.

Zum einen ist dieser Verlust darin begründet, dass Technologien nicht nur weiterentwickelt, sondern gänzlich ersetzt werden. Nicht jede Information schafft es dabei in die neue Technologie übernommen zu werden, veraltete Technologien können häufig durch das Fehlen der nötigen Geräte oder Hardware nicht mehr verwendet werden. Beispielsweise ist nicht jeder Song einer Schallplatte auf einer Kassette zu finden; nicht jeder Song einer Kassette wurde in die Technologie der CD oder MP3-Datei übertragen. Ein weiteres Beispiel ist die Diskette, die als Datenträger längst ausgedient hat und das zugehörige Floppy-Laufwerk ist nur noch selten aufzufinden. Selbst der Untergang von CDs scheint im Gange zu sein: Apple setzt schon jetzt auf Macbooks ohne CD-Laufwerk.4

Ein weiterer Grund für den digitalen Gedächtnisverlust ist die Überspeicherung von Daten. Neue Webseiten ersetzen alte Webseiten. Die Änderungen eines Textes in Text-Programmen werden nicht als neue Datei abgespeichert, sondern bestehende Text-Dateien werden überspeichert. Zum einen gehen hierdurch natürlich Daten verloren und Varianten werden verschmolzen. Zum anderen werden die Dokumente durch das erneute, veränderte Abspeichern in einen Zustand der Geschichtslosigkeit geführt. Differenzen werden gelöscht, obwohl die Vergangenheit für gewöhnlich eine nachvollziehbare Abfolge von Veränderungen darstellt.5

Zukünftige Generationen können dadurch die geschichtliche Abfolge nicht nachvollziehen. Viel problematischer ist jedoch eine für uns immer währende Gegenwart, das »Einschließen in der ewigen Gegenwart«6, wenn die Vergangenheit stets neu geschrieben wird. Der richtige Umgang mit Informationen ist daher essentiell. Die Schaffung, Gestaltung und Handhabung von Informationen sieht Floridi deshalb als wichtige Basis für die zukünftige Entwicklung der Infosphäre.7

Dieser Überblick steht im direkten Zusammenhang mit Erkenntnisse und Eindrücke zu Luciano Floridis Buch »Die 4. Revolution«, wo ich eigene Erkenntnisse, Eindrücke und Gedanken formuliere.

Quellen
  1. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 20.
  2. Vgl. Ebd., S. 44
  3. Vgl. Ebd., S. 40
  4. Vgl. Ebd., S. 36 f.
  5. Vgl. Ebd., S. 37
  6. Ebd.
  7. Vgl. Ebd.

Die 4. Revolution

Luciano Floridi beschreibt in seinem Buch »Die 4. Revolution« die 4. Kränkung der Menschheit. Können wir uns anderen Aufgaben widmen, um auf eine höher Entwicklungsstufe zu gelangen?

Im Buch »Die 4. Revolution« beschreibt der Informationsphilosoph Luciano Floridi, dass die Informationsrevolution, die durch Alan Turing verursacht wurde, die 4. Kränkung der Menschheit ist.

Vorangegangen sind dieser die Kopernikanische, Darwinsche und Freudsche Kränkung. Durch Kopernikus wird klar, dass die Erde nicht der Mittelpunkt der Welt ist, sondern dass wir in einem heliozentrischen Kosmos leben. Darwin beweist mit seiner Evolutionstheorie, dass der Mensch kein Übergeschöpf ist, sondern lediglich eine Weiterentwicklung des Tiers, was die 2. Kränkung der Menschheit bedeutet. Der Mensch wird dabei zunehmend aus seiner zentralen Rolle verdrängt. Während man nun dachte, dass man zumindest sich selbst transparent ist, entdeckt Freud (auch folgend von der neuronalen Forschung) das Unterbewusstsein. Hier wird deutlich, dass wir uns nicht einmal selbst vollständig unter Kontrolle haben, sondern viele Dinge unterbewusst ablaufen. Was für uns heutzutage normal ist und mitnichten einer Kränkung gleich kommt, war für die Menschen ein revolutionärer Schlag. Dem würde wohl gleichkommen, wenn wir nun weiteres intelligentes Leben im Universum finden würden und dann auch noch feststellen müssten, dass wir nicht die einzigen Wesen sind, die so hoch entwickelt sind. Während die ersten drei Revolutionen allgemein anerkannt sind, gibt es für die vierte Revolution noch keine einheitliche Ansicht. Floridi beschreibt sie jedoch als Informationsrevolution, in der nun auch die Maschine dem Menschen, vor allem in der logischen Informationsverarbeitung, weit voraus ist. Die Maschine rechnet nicht nur schneller, sondern erledigt selbst große und komplizierte Rechenoperationen mit ziemlicher Sicherheit korrekt.

Für mich ist das deshalb interessant, weil das bedeutet, dass dieser Umbruch einen gesellschaftlichen Wandel in eine unbestimmte Richtung mit sich bringt. Zwar ist die Tatsache, dass Maschinen schneller als Menschen rechnen, im Jahr 2015 keine große Sache mehr und führt auch nicht zu der großen Kränkung schlechthin. Dennoch bemerkt man, dass der Mensch in Konkurrenz mit der Maschine tritt. Das betrifft vor allem Bereiche, die wir Menschen den Maschinen weder zutrauen noch überlassen wollen. Dazu gehören z. B. Entscheidungen treffen oder ihnen »subjektive« Bewertungen nach ästhetischen Gesichtspunkten zu überlassen. Zwar ist es aus meiner Sicht noch unvorstellbar, jedoch halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass diese Fähigkeiten, die üblicherweise dem Menschen zugerechnet werden, immer ausgefeilteren Algorithmen übergeben werden. Zwar kann sich der Algorithmus nicht von selbst verändern, sondern ist im Ursprung immer menschgemacht, dennoch halte ich es für möglich, dass dieser irgendwann so ausgefeilt ist, dass zumindest eine sehr glaubwürdige Imitation von echten Menschen durch KI‘s möglich ist.

Insgesamt bedeutet das, dass wir unsere Aufgaben und unsere Position weiter überdenken müssen. Es bleibt essentiell, die Fähigkeiten, die ein Computer tatsächlich besser kann, auszulagern und unser Bewusstsein für andere Dinge zu schärfen. Hierzu zählen möglicherweise vor allem die musischen Bereiche, die wir dem Computer nicht zutrauen. Überlassen wir dem Computer logische Aufgaben vollständig oder zumindest unter Beobachtung, könnte die Menschheit an anderen Aufgaben wachsen und unter Umständen sogar auf eine ganz neue Entwicklungsstufe gelangen.

Quellen
  1. Vgl. Floridi, Luciano: »Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert«, Berlin 2015, S. 122 f.
  2. Vgl. Ebd.

Erste Gehversuche mit der Google Cardboard

Für erste Tests im Breich VR-Brillen habe ich mir die Google Cardboard bestellt und getestet.

Die Google Cardboard ist eine Vorrichtung aus Karton mit der man ein Smartphone in eine Virtual Reality (VR)-Brille verwandeln kann. Die Bildqualität ist dabei zwar nicht optimal, sie kostet dafür aber auch nur einen Bruchteil richtiger VR-Brillen.

Die Intension die Google Cardboard zu testen ist zum einen erste Gehversuche mit einer VR-Brille zu machen, zum anderen sehe ich im VR-Bereich mögliches Potenzial für meine Masterarbeit. Für Android sind die Angebote momentan leider noch sehr spärlich gesät, so dass ich auf youTube-360°-Video zurückgreife, die man auf die Ansicht von VR-Brillen umschalten kann. Weiter teste ich eine Rollercoaster-App, sowie die App »Vrse« der New York Times, die verschiedene VR-Erfahrungen bereit stellt. Damit geht es z. B. im Helikopter in den Himmel von New York oder in ein Atelier.

Der Verlust des Raumgefühls

Sehr schnell wird mir bewusst, welch’ immersive Erfahrung man mit VR-Brillen machen kann, da das Raumgefühl überraschend schnell verloren geht. Man möchte sich bewegen, drehen, gehen, beobachten und ist sich nie ganz sicher, wo doch noch eine Zimmerwand im Weg steht. Ich finde es beeindruckend mit wie wenig Mitteln das Gehirn ausgetrickst werden kann und frage mich wie viel Reize es benötigt, um eine tatsächlich real wirkende VR-Erfahrung zu erschaffen. Die Apps, die auf der visuellen und auditiven Ebene arbeiten, könnten durch haptische oder taktile Elemente erweitert werden und so sicher für eine noch intensivere Realitätsverschiebung sorgen.

Des Weiteren frage ich, mich vor allem bei der Nutzung der vrse-App, welche neuen Möglichkeiten und Herausforderungen der VR-Bereich mit sich bringt. Der Nutzer kann vollständig eintauchen, sich umschauen und den Blick frei umherschweifen lassen, was einer realen Situation wohl sehr nahe kommt. Gleichermaßen bedeutet das, dass es für Filmemacher/Contententwickeler eine große Herausforderung sein wird, die visuelle Ebene nicht nur in einem kleinen Bildausschnitt, sondern im 360°-Bereich gestalten und wählen zu müssen. Neue Möglichkeiten, nämlich z. B. die, einen Schnitt genau dort anzubringen, wenn der Nutzer beispielsweise blinzelt, werden hier sicher hilfreich sein.

Freie Entscheidungen und Voyeurismus

Einen Anwendungsbereich könnte ich mir z. B. bei Konzertmitschnitten vorstellen, bei denen die Ausschnitte üblicherweise ein Wechselspiel aus Bildern der Bühne, des Publikums und Close-Ups der Menschen im Publikum ist. Hier könnte man mitten im Konzert sein und sich frei entscheiden, ob man nun lieber kurz den Nebenmann, die Bühne oder die Lichter an der Decke anschaut. Man kann voyeuristische Haltungen einnehmen und unbeobachtet beobachten oder einfach Teil von etwas sein, vor dem man sich in der Realität scheut. Hier fallen mir Musicals ein, bei denen Menschen im Nachhinein häufig von den Aktionen mit Publikumsbeteiligung erzählen. Dennoch wollen viele Menschen nicht im Mittelpunkt dieser stehen.

Insgesamt stellt sich natürlich die Frage, ob man letztendlich nicht lieber in der Realität ein Konzert besucht und das ganze Gefühl vor Ort mit dröhnendem Bass und für den Moment charmanten Biergeruch real erleben möchte. Für kurze Ausschnitte zwischendurch, wenn man sich kurz fallen lassen möchte, jedoch sicher eine gute Variante.

Aussicht

Um den Bogen zu meinem Master zu spannen, habe ich zusätzlich im Web recherchiert, welche Möglichkeiten es gibt, eigene VR-Erfahrungen zu gestalten ohne ein Programmier-Crack zu sein. Von Google gibt es wie üblich viel Unterstützung für Entwickler (Cardboard Developer »), sowie ein Design Lab, was für uns Designer wohl der interessantere Part ist. Hier stellt Google Richtlinien zur Verfügung, welche für die Gestaltung im VR-Bereich wichtig sind. Des Weiteren bin ich auf das plattformunabhängige WebVR gestoßen bzw. die Mozilla Web VR (WebVR ») gestoßen bzw. die Mozilla VR (Moz VR »), die wiederum abhängiger zu sein scheint. Damit wäre es jedoch zumindest schon einmal gegeben, dass man nicht nur eine App für iOS oder Android gestaltet.

Der erste Gehversuch mit der Cardboard war definitiv spannend, doch ist im Moment nicht klar, was das für mich und meine Masterarbeit bedeuten könnte und wie relevant die ersten Versuche sein werden.

Abbildungen
  1. Eigener Screenshot; vrse und New York Times, App vrse, JR; Milk, Chris; Richter, Zach: »Walking New York«, NYT Mag VR, USA 2015.